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Das Chaos der Kölner Kulturpolitik

Nicht zu übersehende Fakten hat man in Köln geschaffen: Am Neumarkt, mitten in der Innenstadt, klafft seit Monaten ein großes Loch. Einst standen hier der Kunstverein, die Volkshochschule und die Haubrich-Kunsthalle. Und demnächst sollen hier das angesehene Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde, ein Wissenschaftsmuseum, wieder der Kunstverein und wieder die VHS residieren. Gestern allerdings verkündete Oberbürgermeister Fritz Schramma, aus alledem würde nichts - das Land habe zugesagte Fördermittel zurückgezogen. Stimmt ja gar nicht, entgegnete dem der Landesbauminister, gleichzeitig zuständig für die Kultur: Die Gelder lägen bereit - alles nur ein großes Missverständnis?

Andreas Rossmann im Gespräch |
    Rossmann: Ja, es war vielleicht beides. Es war vielleicht ein Missverständnis dahingehend, dass der Kölner Oberbürgermeister verstanden hat, dass das Museum jetzt keine Landesmittel mehr bekommen wird, aber selbst wenn er das so verstanden haben sollte vom Minister, finde ich es merkwürdig, dass er am gleichen Wochenende, bevor er sich mit seinen politischen Freunden, mit seiner Kulturdezernentin bespricht, damit an die Öffentlichkeit sprich an den Kölner Stadtanzeiger getreten ist, denn es handelt sich ja hier nicht um eine Tagesentscheidung. Es handelt sich um eine ganz langfristige Entwicklung, also allein die Ausschreibung des Architektenwettbewerbs für dieses Museum ist sieben Jahre her. Die Planungen oder die Überlegungen dazu sind noch viel älter. Das geht zurück bis Ende der 70er Jahre, und da gehe ich doch nicht schnell über das Wochenende mal damit an die Presse. Das heißt, dass er das getan hat, halte ich durchaus für ein Kalkül, nämlich dahingehend, dass er ein Interesse daran hat oder zumindest hatte, diese Entscheidung zu kippen.

    Koldehoff: Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kölner Stadtrat ist ja wohl zitiert worden mit dem Satz, der hatte doch wahrscheinlich ehe längst einen Investor bei der Hand und wollte da gerne einen Media Markt oder einen H&M oder sonst was viel lieber als die Museen hinbauen. Ist das, was dahinter stecken könnte? Wollte man das Grundstück lieber anders verwenden als für die Kultur?

    Rossmann: Also dieses Gerücht und dieses Gerede, dass es da einen hier am Ort auch bekannten großen Immobilienkonzern gibt, der ein Auge auf dieses Filetstück mitten in der Stadt geworfen hat, gibt es schon sehr lange. Das gab es schon vor dem Abriss. Also es gibt seitens auch des Kämmerers und derjenigen Leute in der Stadt, die meinen, auf diese Weise den Haushalt sanieren zu können, schon lange alternative Überlegungen, die ja jetzt interessanterweise sozusagen hoffähig gemacht werden, denn der Oberbürgermeister sagt ja nicht nur, ich halte daran fest, dass wir das Museum bauen, sondern er sagt auch, für den allergrößten Notfall sozusagen, nur wenn es wirklich nicht geht, mache ich einen Alternativvorschlag. Dieser Alternativvorschlag war bisher immer unter der Decke. Jetzt ist er plötzlich konkret und wirklich als Alternative auch in der Diskussion.

    Koldehoff: Nun hat sich ja in den letzten Jahren - Sie haben ja hingewiesen auf die lange Vorlaufzeit, die das Projekt Museen am Neumarkt hier in Köln hat- einiges getan. Die Stadt Köln ist pleite. Da ist ein großes Immobiliengeschäft, einige sagen voraussehbar geplatzt, 500 Millionen Euro mindestens fehlen jetzt. Welchen Stellenwert hat denn danach die Kultur überhaupt noch in Köln? Das ist ja nicht das erste Mal, dass man der Kultur da ganz massiv ans Leder geht.

    Rossmann: Ja, die Kultur hat im Haushalt genau den Stellenwert von 4 Prozent, das heißt, 4 Prozent der öffentlichen Ausgaben gehen für die Kultur weg. Zugleich ist sie in diesen ganzen Kürzungsszenarien mit 15 Prozent belastet. Darin sehen Sie schon eine gewisse Asymmetrie, ein Missverhältnis, und das erklärt sich sicher auch aus dem relativ kulturfernen Agieren des Bürgermeisters und vielleicht noch mehr aus dem Interesse des Oberbürgermeisters, das immer wieder zumindest zu beobachten ist, die schwarz-grüne Koalition, die ja zur Kultur eigentlich relativ vernünftige Vereinbarungen getroffen hat beziehungsweise in ein Koalitionspapier gegossen hat, zu torpedieren, und dass das öffentlich, und zwar auf dem Rücken der Kultur ausgetragen wird, zeigt, wie weit es mit dem kulturellen Stellenwert in Köln gekommen ist.

    Koldehoff: Wenn Sie vom kulturfernen Agieren des Oberbürgermeisters in Köln sprechen, dann ist das wahrscheinlich sehr diplomatisch ausgedrückt, wenn man daran erinnert, wie die bereits nominierte Opernintendantin dann öffentlich düpiert und brüskiert würde, indem man ihr den Vertrag quasi wieder aus den Händen gerissen hat. Welche Rolle spielt denn in Köln überhaupt die Kulturdezernentin noch? Spielt die noch eine Rolle oder ist das die nächste Sparmaßnahme? Wird Köln über kurz oder lang auf eine Kulturdezernentin verzichten können, weil sie in den Debatten der letzten Monate ohnehin nicht mehr zum Zuge kommt?

    Rossmann: Die Kulturdezernentin ist in einer sehr schwierigen Situation, weil sie offensichtlich einen Oberbürgermeister hat, der sich dauernd in ihre Belange einmischt, ohne eine Kompetenz dafür zu haben. Die Kulturdezernentin hat es auch deswegen schwer, weil sie parteilos ist, weil sie auf einem SPD-Ticket in diese Position gelangt ist und sozusagen über keine Hausmacht verfügt und dauernd mit ansehen muss, wie in ihr Ressort hineinregiert wird, und sich natürlich die Frage stellen muss, wie weit kann ich das und wie lange kann ich das eigentlich noch mitmachen?

    Koldehoff: Vielen Dank für das Gespräch.

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