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Das Digitale Logbuch: Babyphone

    Neulich beim Mexikaner: Die erste laue Frühlingsnacht verführt zum draußen - Sitzen - und nicht nur dazu: Mir gegenüber speist ein äußerst glückliches Paar: "Endlich mal einen Abend allein genießen - ohne Baby", freuen sich die beiden: "Bislang hat's nur bis zum Wienerwald an der Ecke gereicht, dank Babyphone - aber jetzt: Jetzt haben wir ein neues Telefon: "Sollte zu Hause das Baby schreien," tönt der stolze Vater und zeigt mir sein Handy - "wählt der Apparat direkt dieses Handy an - beim ersten ungewöhnlichen Geräusch schon". - "Bei Babyalarm können wir ja reinhören, ob wirklich was Ernsthaftes passiert ist - und falls das Baby weint, läuft einer von uns beiden eben nach Hause - es sind ja nur 10 Minuten..." So ein Anruf wäre zwar ein bisschen teurer als ein Babyphone, dafür aber immer noch besser, als ein Babysitter.

    Kaum stehen die Nachos auf dem Tisch, klingelt das Handy: Gespannte Stille im Lokal. Endlich freuen sich die Gäste über die erlösende Nachricht: "Es ist nichts - Baby hat im Traum nur gesprochen." Hauptgericht: Handy klingelt, Baby weint - Vater läuft eben mal schnell nach Hause - Handy klingelt - Mutter läuft ein paar Meter weit weg, wegen der lauten Musik im Lokal und der Gäste, denen es inzwischen egal ist, ob das Baby weint, oder träumt. Solche elektronisch vernetzten Eltern tun wenigstens was für ihre Gesundheit: Mehrfaches nach-Hause-und-zurück-Joggen garantiert ihnen kulinarische Genüsse, folgenlos für den eigenen Waschbrettbauch, wenngleich auch die Telefonrechnung etwas höher sein dürfte...

    Deren Telefonrechnung dürfte aber kaum vergleichbar sein mit der, die meine Freunde aus Zehlendorf erwartet: Die kehren heute aus Mallorca zurück und riefen mich vorletzte Woche schon an, ich solle doch dringend mal zu ihrem Häuschen fahren, um nachzusehen, ob da jemand einbricht: Dauernd würde der akustische Babysitter ihr Handy anrufen und sie würden ganz genau hören, dass da jemand ihren Safe knackt. Gebohrt und gemeißelt wurde dort tatsächlich - aber vor der Haustür in einer riesigen Baugrube. Keiner der Bauarbeiter dort ahnte, dass jeder Hammerschlag gleich mehrere Telefonprovider beglückt. Handwerk hat eben doch noch goldenen Boden.

    [Quelle: Wolfgang Noelke]