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Das Digitale Logbuch: Der Kettenbrief-Methusalem

Eigentlich ist das Internet ja von Grund auf schnelllebig. Kaum hat sich eine Nachricht wie ein digitales Lauffeuer über den Globus verbreitet – da folgt auch schon die nächste. Doch manche Information vermag sich überraschend lange im wuchernden Daten-Dschungel zu halten. Und das gilt vor allem für – Gerüchte.

Von Frank Grotelüschen | 04.04.2009
    Ein Beispiel: Immer wieder bekommt die französische Champagner-Kellerei "Veuve Clicquot" elektronische Post von Menschen, die gutgläubig nach einer kostenlosen Flasche des teuren Tropfens fragen. Die Leute sind auf einen üblen Scherz im Internet reingefallen – einen Kettenbrief per E-Mail. Dieser versprach ihnen eine Buddel Edelschampus, wenn sie den Kettenbrief an zehn Freunde und Bekannte weiterschicken.

    Der Clou an der Geschichte: Der Kettenbrief wurde bereits im Jahre 2000 losgetreten, kursiert aber weiterhin fröhlich im Word Wide Web. Und obwohl Veuve Clicquot auf seiner Homepage ausdrücklich vor der Falschmeldung warnt, erhält das Unternehmen immer noch täglich E-Mails mit der Frage: Wo bleibt meine Gratisflasche Champagner?

    Also: Wie zum Teufel kann sich ein Gerücht wie dieses jahrelang im Internet halten? Offenbar eine grundlegende Frage der Informationstheorie, denn sie rief die akademische Elite auf den Plan. Esteban Moro Egido, so heißt der junge Physikprofessor der Universität Madrid, nahm sich der Champagner-Affäre mit wissenschaftlicher Akribie an.

    Unlängst nun präsentierte der Gute sein Ergebnis – ein hoch interessantes mathematisches Modell. Demnach ist es vor allem das E-Mail-Verhalten einiger weniger Zeitgenossen, das für die überlange Haltbarkeit von Gerüchten verantwortlich ist. Die meisten von uns beantworten ihr Mails heutzutage ziemlich flott – entweder sofort oder wenigstens nach einem Tag. Aber es gibt auch Leute – wer kennst sie nicht -, die erst nach Wochen oder gar Monaten auf eine Mail reagieren. Und genau diese Internet-Bummler sind es, die ein Gerücht, das eigentlich schon halb vergessen war, durch ihre Trantütigkeit immer wieder neu zum Leben erwecken, sagt der Physikprofessor aus Madrid.

    Und wenn man seine Theorie mal logisch weiterdenkt, liegt die Folge auf der Hand: Liebe Leute, wenn ihr schon auf einen Internet-Kettenbrief reinfallen müsst, leitet ihn doch wenigstens zügig weiter! Dann nämlich ist der Spuk schon nach ein paar Wochen vorbei – und nicht erst nach ein paar Jahren.