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Das Digitale Logbuch
Gesichtserkennung

Bis 2007 musste jeder, der in Peking auf die Toilette musste, sein Klopapier bei sich tragen. Erst seit den Olympischen Spielen 2008 ist das anders. Bis jetzt: Denn wer nun kurz entschlossen ein öffentliches WC besuchen will oder muss und dabei Papier benötigt, muss einen ganz speziellen Test bestehen.

Von Michael Stang | 01.04.2017
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    Eine Rolle Toilettenpapier hängt an einem Toilettenpapierhalter. (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    "Eine Welt, ein Traum", das war der offizielle Olympia-Spruch bei den Spielen von Peking 2008, aber schon ein Jahr zuvor ging für viele dort tatsächlich ein Traum in Erfüllung. Denn bis 2007 musste jeder stets sein eigenes Klopapier bei sich tragen, sollte er unterwegs mal gemusst haben. Jetzt blickt China auf 10 Jahre kostenloses und frei zugängliches Toilettenpapier zurück. Aber, mit dieser Freigiebigkeit ist nun Schluss, jetzt wird rationiert. Denn seit Jahren ärgern sich die Pekinger Behörden über massiven Diebstahl.
    Selbst das Aufstellen von Überwachungskameras an stillen Örtchen half nichts, sondern gab nur Einblicke, wie sich die lokale Bevölkerung in aller Seelenruhe bediente. Ein Besucher rollte zehn Meter Papier ab und nahm es mit nach Hause, manche brachten Taschen zum Transport des freien Papiers mit und eine Frau, so berichtet die Pekinger Global Times, suchte binnen einer halben Stunde dreimal die Toilette auf - aber nicht wegen heftigen Durchfalls, sondern nur zum Langfingern.
    Was tun? Gut zureden half nichts, die Überwachungskameras waren auch rausgeschmissenes Geld und wird noch mehr Geld hinterhergeworfen: Das chinesische Klopapiermanagement wird digitalisiert – und zwar mit Gesichts-Scannern. Mitte März wurden sechs Mustertoiletten aufgestellt, bei denen automatisierte Toilettenpapierspender an den Gesichts-Scanner gekoppelt sind. Wer Klopapier braucht, muss vor dem Toilettengang sein Gesicht digital abtasten lassen. Dafür gibt es exakt 60 Zentimeter Klopapier und man kann in aller Ruhe auf den Lokus gehen, denn für die nächsten neun Minuten ist das frisch gescannte Gesicht für weitere Papierspenden gesperrt.
    Tücken der Technik
    Doch die Tücken der Technik schlugen erbarmungslos zu. Einige Apparate streikten, andere benötigten statt der versprochenen wenigen Sekunden mehr als eine Minute bis zur Papierfreigabe. Wie schmerzhaft jede zusätzliche Sekunde sein kann, kennt jeder, der mal mit voller Blase auf die Erlösung warten musste. Mit welchen Problemen die Software zu kämpfen hat, ist noch nicht bekannt. Möglicherweise ist es das alte Problem vieler Kameras: Grinsende Gesichter können sie kaum automatisch erkennen. Vielleicht gilt das ja auch für arg verkniffene Gesichter vor der Toilettentür, denn entspannte Gesichter gibt es erst wieder nach dem Toilettengang.