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Das Digitale Logbuch: Online-Beichte

    Von Maximilian Schönherr

    Zu www.beichte.de konnte man schon 1994 hinsurfen, um zu beichten. Man suchte aus einem Pulldown-Menü die passenden Sünden zusammen und ließ sich vom Computer dann Buße aufbrummen. Zwischen einem und Tausend Ave Marias oder Vater Unsers. Bald reichten die Sünden nicht mehr, jeder Beichtwillige konnte die Seite mit eigenen Sünden bereichern. Und als auch dann noch Klagen reuiger Christen kamen: Meine Sünde ist nicht dabei! fing beichte.de an, Sünden selbst zu generieren. Sie wurde zum Beichtautomaten, der sich innerhalb weniger Wochen Zigtausende von Sünden erfand, etwa: Ich habe meinen Goldfisch in einem Sushiladen verkauft, um mir eine Frau zu nehmen.

    Das gefiel Fernsehsendern und Zeitungsredaktionen, die den Programmierer von beichte.de, Hartmut Landwehr, einen freundlichen Rockmusiker aus Haan bei Düsseldorf, einluden und einluden. Alle lachten, weil jeder über so etwas gerne lacht. Einige katholische Priester meckerten, hörten aber auf damit, nachdem Hartmut Landwehr einen so genannten Disclaimer auf beichte.de pflanzte. Der besagt: Wir treten hier nicht in Konkurrenz mit der Kirche, wir wollen auch die Beichte nicht ersetzen, wir bieten nur Beichthilfe mit modernen Mitteln. Alles klar.

    Bis dann dieser Anruf von Nordrhein Westfalens höchstem Datenschützer kam: Wenn so viele Leute zu Ihnen kommen, um zu beichten, fragte er, entstehen da nicht riesige persönliche Datenmengen? Stimmt, da entstehen riesige anonyme Datenmengen, erwiderte Hartmut Landwehr. Was machen Sie mit diesen Datenmengen? Sammeln Sie die etwa? Die liegen halt auf meiner Festplatte. Werten Sie die aus? Machen Sie eine Sündenstatistik? Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Sollte ich das tun? fragte Hartmut Landwehr. Das wäre ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, drohte der Datenschutzbeauftragte.

    Worauf Hartmut Landwehr, der in friedlichem Einklang mit der Welt leben möchte, in sich ging, das Sündenmenü abschaltete und dem Datenschützer schrieb, er habe nun alle Sünden in den Himmel geschickt. Beichten auf beichte.de macht nun keinen Spaß mehr.