Archiv


Das Digitale Logbuch: Post-Cool

Vor vier Jahren schrieb der Amerikaner Jeffrey Veen aus Frust einen Bestseller. Das Buch trug den Titel "The Art & Science of Webdesign" und richtete sich an jeden, der "mal ins Web reingeschaut und gefragt hat: Warum?, statt Wie?" Damit legte Veen seinen Expertenfinger in viele Wunden, darunter etwa von Grafikern, die damals nur scharf drauf waren, eine Webseite zusammen zu frickeln und fragten: "Wie mache ich das?", anstatt darüber nachzudenken, warum sie das machen.

Von Maximilian Schönherr |
    In "The Art & Science of Webdesign" vergleicht Jeffrey Veen Webseiten mit Viehtransporten. Er hat als Schüler LKW, in denen Kühe transportiert wurden, mit einem Wasserschlauch gereinigt und kam sich später genauso vor, als er die Webseiten von Kunden erst einmal entmüllen und neu aufbauen musste. In einem Nebensatz dieses vier Jahre alten Werks steht der Ausdruck, das Web sei "Post-Cool", also zu deutsch: war mal cool, ist aber darüber hinweg und jetzt zu was ganz Normalem geworden. Etwa wie der Staubsauger - oder vielleicht etwas aktueller - der geregelte Abgaskatalysator.

    Tolles Buch, was den Web-Hype schon 2001 zu Grabe trug und aufs Niveau eines Viehtransporters stellte. Überhaupt hat Jeffrey Veen auf 250 Seiten alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt. So was ist immer blöd für die zu spät Erwachten, die gern 2005 ein Buch über Webdesign schreiben wollen und wissen, das hat einer schon alles viel besser und kompakter gesagt als ich auf meinen erbärmlichen 450 Seiten. Die meisten dieser Trittbrettschreiber sagen - wie alle Diebe - natürlich nicht, wo sie geklaut haben. Umso erstaunlicher ist es, dass jetzt ein weiterer, völlig überflüssiger Schmöker über die Grundlagen des Webdesigns auf den Markt kommt, der bereits in seinem Vorwort Jeffrey Veen zitiert. Aber, und damit ist die Welt doch gleich wieder in Ordnung, nicht als Autor des viel besseren Buchs, sondern als irgendeinen amerikanischen Webdesigner.

    Und warum erwähnt der Schmarotzer ihn überhaupt? Um sich mit dessen coolem "Post-Cool"-Spruch zu schmücken - so als hätte Jeffrey Veen gerade erst jetzt gesagt, das Web sei soeben in diesem Moment "Post-Cool" geworden. Damit man den Aufguss guten Gewissens noch kaufen kann, bevor es dann richtig "Post-Cool" wird.