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Das Digitale Logbuch: Tanzbein

Japan befürchtet den Verlust einer wenig beachteten Kulturnische, die Rede ist von Volkstümlichen Tänzen. Wo einst noch nach traditioneller Manier regelmäßig das Tanzbein geschwungen wurde, interessiert sich die Jugend von heute anscheinend nicht mehr für solches Brauchtum. Nur so ist es zu erklären, dass emsig nach Methoden geforscht wird, die alten Tänze zu bewahren.

Von Michael Stang |
    Im technologisierten Japan reichen einfache Videos, schriftliche Anleitungen oder Zeichnungen längst nicht mehr den heutigen Ansprüchen, da muss es schon etwas mehr sein. Eine neue Lösung präsentierten jetzt Techniker der Universität Tokio: einen Tanzroboter. HRP-2 heißt der blecherne Fred Astaire, der die Volkstänze vor dem Aussterben bewahren soll. Sie haben Videoaufnahmen der Tanzschritte professioneller Vortänzer in eine Steuersequenz übertragen und lehrten den Blechtänzer fleißig als erstes den japanischen Tanz Aizui-Bandaisan. Da auch bei Robotern noch kein Meister vom Himmel gefallen ist, sei trotz anfänglicher Erfolge noch Luft nach oben, ließen die Erbauer mitteilen. Während HRP-2 die Bewegungen des Oberkörpers und der Arme mittlerweile vorbildlich kopiert, hat er noch mit koordinierten Beinbewegungen zu kämpfen.

    Aber wer will ihm das verdenken? Wahrscheinlich dürfte er seinen Technikern mittlerweile so richtig ans Herz gewachsen sein. Die Motivation der Erfinder und Konstrukteure hat sicherlich nicht nur in der Angst vor dem Verlust von Omas Lieblingstanz gelegen. Wenn man sich auf großen Familienfeiern und Hochzeiten die entgeisterten Gesichtszüge der männlichen Verwandtschaft anschaut, wenn übermütige Tanten zum Tanz auffordern, liegt es auf der Hand, dass diese Japaner eine wirklich brillante Idee gehabt haben. Vielleicht kann HRP-2 ja auch bald Walzer, Lambada und Bärchentanz lernen. Er könnte dann mit den gealterten Cousinen, die man schon als Kind nicht leiden konnte, eine heiße Sohle aufs Parkett legen, während man entspannt sitzen bleiben kann. Manchmal sind die japanischen Ingenieure eben doch die großen Visionäre unserer Zeit.