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Das Donau-Dilemma

Die Donau soll für die Schifffahrt ausgebaut werden - vor acht Jahren hat der Bundestag eine relativ umweltverträgliche Variante dafür beschlossen. Bayern plädiert dagegen für einen weitergehenden Ausbau mit Staustufe und Wasserkraftwerk. Eine ökologische Kartierung der Artenvielfalt soll nun die Entscheidung erleichtern.

Von Susanne Lettenbauer | 21.12.2010
    "Ja, das ist ein Silberreiher jetzt da hinten, der ist also seltener."

    Georg Kestel läuft einen schmalen Pfad entlang. In einem Tümpel schwimmen Enten, ein Silberreiher wartet auf seine Fischmahlzeit. Über 100 verschiedene Brutvogelarten nisten in den Donauauen zwischen Straubing und Vilshofen, sagt der Vorsitzende der Deggendorfer Kreisgruppe des Bund Naturschutz Bayern. Das weißsternige Blaukehlchen, der Halsbandschnäpper, der große Brachvogel. Auf dem schlammigen Weg tummeln sich die Schnecken:

    "Das ist wirklich ein absolutes Highlight in diesem Gebiet. Wir haben über 140 verschiedene Muschel- und Schneckenarten, also von Mollusken. Die Hälfte lebt an Land, die andere Hälfte im Wasser. Die allermeisten sind abhängig von der Auwalddynamik, also von schwankenden Grundwasserzuständen oder von fließenden Flüssen."

    Mit Klemmbrett, Kescher und Sammeltüten ziehen derzeit über 90 Kartierer durch die Donauauen zwischen Straubing und Vilshofen. Bis Juni 2011 wird auf fast 200 Quadratkilometern die Artenvielfalt an Bayerns größtem Fluss kartiert. Der Grund: Die Donau soll hier für Schiffe mit einem Tiefgang von 2,5 Metern und für dreilagigen Containerverkehr ausgebaut werden. Statt aktuell acht Millionen Tonnen sollen rund 19 Millionen Tonnen verschifft werden. Theoretisch. Derzeit zieht im Schnitt jede Stunde ein Schiff vorbei. Die örtliche Wirtschaft nutzt lieber die Straße und Schiene. Für Containerverkehr fehlen die Häfen, ein Güterverkehrskonzept liegt nicht vor.

    Natürlich befürworten der Bund Naturschutz Bayern gemeinsam mit der eigens gegründeten Monitoringgruppe aus Vertretern der Wirtschaft, der Umweltverbände und Bürgerinitiativen eine ökologische Kartierung, sagt Georg Kestel, nur sei der Zeitraum viel zu knapp bemessen:

    "Wir hatten heuer zum Beispiel keine richtigen Niedrigwasserphasen mit einer Ausnahme im Frühjahr, das heißt bestimmte Vegetationsgesellschaften wie die Schlammlingsfluren sind heuer nicht wirklich aufgetreten. Wie geht man damit um? Also sagt man, die gibt es nicht? Oder bezieht man die anders in die Untersuchung ein?"

    Auch beim Landesfischereiverband Bayern häufen sich die kritischen Stimmen. Der Referent für Artenschutz, Johannes Schnell, untersucht regelmäßig den aktuellen Bestand an 55 verschiedenen Donauarten, darunter von seltenen Fischen wie dem Schretzer, dem Streber, der Rußnase oder dem Singel:

    "Es ist im Zuge der Monitoringgruppe auch leider Gottes in letzter Zeit so gewesen, dass bestimmte Untersuchungen und Untersuchungsansätze, die der Monitoringgruppe vorgestellt wurden, nach Rücksprache mit Fachleuten als nicht ausreichend erachtet wurden."

    Die vom Bundesverkehrsministerium mit der Untersuchung beauftragte Rhein-Main-Donau-Wasserstraßen GmbH, kurz RMD, eine Tochter der EON AG, sei an einer gründlichen Kartierung nicht interessiert lautet der Vorwurf, denn: sie als Konzessionsinhaberin für Kraftwerke an der Donau favorisiere von vornherein nicht die umweltverträgliche sogenannte Variante A, sondern die umstrittene Variante C 280 - ein millionenschwerer Ausbau mit Staustufe und möglichem Wasserkraftwerk, der Bau läge in den Händen der RMD - ein massiver Widerspruch zum europäischen Vergaberecht, so Landesfischereipräsident Eberhard Röse.

    "Es drängt sich immer mehr der Verdacht auf, dass die ganzen Untersuchungen in Richtung Variante C laufen und dass es eine Variantenunabhängigkeit gar nicht gibt. Zumal, das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen, es kurios anmutet, dass kein Neutraler die Untersuchung vornimmt."

    Der Geschäftsführer der RMD Wasserstraßen AG, Christoph Schmidt, kontert:

    "Also wir verdienen daran nichts, wie hinterher ausgebaut wird. Mit den ökologischen Untersuchungen verbinden wir weder Hoffnungen, Erwartungen oder Befürchtungen, sondern wir gehen davon aus, dass wir eine Klarheit für die weitere Planung bekommen."

    33 Millionen Euro kostet die Kartierung den Freistaat, den Bund und die EU. Obwohl vor acht Jahren 2002 nahezu einstimmig und endgültig die umweltverträgliche Variante A vom Bundestag beschlossen worden war. Somit dürfte der Bundesverkehrsminister keinen einzigen Euro mehr für eine andere Variante ausgeben, beschwert sich Naturschützer Georg Kestel.

    Falls nach der ökologischen Kartierung immer noch der Donauausbau mit Staustufe durchgesetzt werden soll, behalten sich die Naturschutzverbände rechtliche Schritte gegen die Ausbaupläne vor.