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Das dritte Ohr

Zu Zeiten der Anschläge der Rote Armee Fraktion knackste es mitunter auch in den Telefonaten Unbescholtener, wenn die Polizei mithörte. In Zeiten von ISDN geschieht dies zwar lautlos, aber wesentlich öfter als früher, denn Telefonüberwachungen nehmen stark zu.

Von Claudia Sanders |
    Der Griff zum Telefonhörer bedeutet noch lange nicht, dass jetzt ein trautes Zwiegespräch möglich ist. Denn von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Telefonüberwachungen. Im vergangenen Jahr gab es fast 30.000 Anordnungen, dass Telefonate belauscht werden dürfen. Ein Jahr zuvor zeigten sich die Strafverfolgungsbehörden noch etwas zurückhaltender, wenn es um die Telefonüberwachungen ging: damals gab es gut 5.000 Anordnungen weniger. Und zum Vergleich: Im Jahr 1995 wurde nur rund 4.700 Mal von staatlicher Seite aus mitgelauscht. Wobei man der Vollständigkeit halber erwähnen muss, dass es heute weitaus mehr Telefone und besonders Handys gibt als Mitte der Neunziger Jahre. Aber dennoch: Innerhalb eines Jahrzehnts, ist das ein Anstieg um fast 500 Prozent

    "Für mich kam diese neue Statistik nicht wirklich überraschend, denn auch schon in den vergangenen Jahren hat es ja einen erheblichen Anstieg der Telefonüberwachungen gegeben. Untersuchungen belegen, dass die Überwachungsmaßnahmen in bestimmten Bereichen zum Beispiel in der Drogenkriminalität zu Standardmaßnahmen geworden sind."

    Meint der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar. In der Strafprozessordnung ist genau geregelt, wann Polizisten mithören dürfen. Ursprünglich sollte das nur bei schweren Straftaten wie Mord, Totschlag oder Geiselnahmen der Fall sein. Doch im Laufe der Jahre ist der so genannte Straftatenkatalog stark erweitert worden. Wer gegen das Ausländergesetz verstößt, kann ebenso abgehört werden wie der Drogenabhängige. Das wäre unverhältnismäßig, moniert Peter Schaar, da schließlich auch viele Unbeteiligte von solchen Telefonabhöraktionen betroffen seien. Und das Mithören von Telefongesprächen sei immerhin ein tiefer Einschnitt in die Bürgerrechte. Schließlich ist das Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis in Artikel 10 des Grundgesetzes verankert:

    "Das legt den Schluss nahe, dass doch in vielen Fällen nicht mit ausreichender Intensität geprüft wird, ob noch andere Maßnahmen, die weniger tief in die Privatsphäre eingreifen zur Verfügung stehen und insoweit auch zum Ergebnis führen könnten, zur Aufklärung von bestimmten Straftaten."

    Eine Telefonüberwachung ist relativ wenig aufwändig – liegt ein richterlicher Beschluss vor, genügt ein Anruf beim zuständigen Telekommunikationsanbieter und die Daten landen auf der Polizeiwache. Und der Wunsch der Sicherheitsdienste, dass man von der Telefonüberwachung noch mehr Gebrauch machen wolle, findet in der Politik durchaus Gehör. So möchte beispielsweise Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) angesichts der Terrorismusgefahr den Straftatkatalog zum Telefonabhören noch einmal gründlich erweitern. Das sind Pläne, von denen der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, allerdings wenig hält. Im Gegenteil:

    "Hier bin ich für eine Überarbeitung dieses Katalogs mit dem Ziel, wirklich nur die schweren Straftaten in einem solchen Katalog zu belassen."

    Doch tatsächlich würde es wenig Begeisterung bei den Sicherheitsbehörden auslösen, wenn sie weniger Telefone überwachen dürften. Denn so können sie nicht nur die Inhalte nach verfolgen, sondern bei Handybenutzern auch noch feststellen, wo sich die gerade aufhalten. Auf europäischer Ebene ist ohnehin geplant, dass die so genannten Verbindungsdaten nicht nur sechs Monate, sondern wenigstens ein Jahr gespeichert werden sollten. Dabei wird zwar nicht gespeichert, was gesprochen wird, alles andere jedoch liegt dann auf Vorrat für die Polizei bereit, etwa wer, wann mit wem telefoniert hat.

    "Also ich weiß, dass es im politischen Raum eine ganze Anzahl von Politikern gibt, die das unterstützen. Aber ich sehe natürlich auch, dass es gegenläufige Äußerungen gibt, und im Augenblick sieht es so aus, als würden diejenigen, die die restriktivere Position vertreten, also die für eine Einschränkung eintreten, in der Minderheit seien, aber ich hoffe, dass das gute Argument sich hier durchsetzt."