Archiv


Das Drittmittelwunder von Bonn

Ein schlichter Sechzigerjahrebau. An einigen Stellen der Betonbalkone zeigt sich schon das Stahlgerippe. Die Fassade müsste dringend gestrichen werden, besser noch - saniert. Eigentlich war das Gebäude für eine dreißigjährige Lebensdauer konzipiert. Die dreißig Jahre sind um, aber für ein neues Gebäude fehlt das Geld. Man möchte es kaum glauben, aber so sieht einer der Schauplätze aus, an denen das Drittmittelleben blüht: Der Fachbereich Chemie der Universität Bonn. 2,4 Millionen Euro haben die Forscher im vergangenen Jahr eingeworben. Das Erfolgsrezept: Mehrere Professoren haben sich zu so genannten Sonderforschungsbereichen zusammengetan. Johannes Beck, Professor für anorganische Chemie erklärt:

Von Sandra Schulz |
    Man findet sich zusammen, das ist etwas, worauf die Uni Bonn besonderen Wert legt, mehr als andere Universitäten. Die Professoren sind durchaus bereit, zusammenzuarbeiten, ihre Expertise zusammenzulegen. Es sind Drittmittelprojekte, bei denen mehrere Professoren ganze Konsortien bilden und unter einem gemeinsamen Thema forschen, die zusammenarbeiten untereinander Fachwissen austauschen.

    Weil sie auf die Synergieeffekte setzt, macht es die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die DFG, den Wissenschaftlern in Sonderforschungsbereichen in einigen Punkten etwas einfacher. Ein Privileg ist zum Beispiel die Laufzeit. Bis zu zwölf Jahre können solche Projekte laufen. In anderen ist nach spätestens vier Jahren Schluss. Auch sind die Hürden für denjenigen niedriger, der sein Projekt verlängern will, als für denjenigen, der zum ersten Mal einen Antrag durchboxt.

    Aber nicht nur der Gemeinschaftsgedanke macht die Wissenschaftler der Universität Bonn stark, sondern auch der schnöde Mammon. Jedem Forscher, der Drittmittel einwirbt, winkt der so genannte Kanzlerbonus. Andreas Archut, Pressesprecher der Uni Bonn, erklärt:

    Das System, das wir erfunden haben, funktioniert so: Sie haben als Forscher 100.000 Euro eingeworben, dann kriegen sie von der Universität automatisch 5 % drauf, also 5000 Euro drauf. Das ist natürlich willkommenes Geld, es gibt immer unvorhergesehene Ausgaben, die könnten Sie dann sehr leicht aus diesem Betrag heraus bezahlen. Es geht dabei nicht bloß ums Geld, sondern es geht auch um die Anerkennung. Nicht nur zu sagen, das Forschung wichtig ist, sondern hier auch guten Willen zu zeigen. Das kommt bei unseren Wissenschaftlern gut an. Machen wir uns nichts vor, auch an der Uni sind die Gelder knapp. Da ist jeder Euro willkommen.

    Außerdem veranstaltet die Uni alle zwei Jahre einen Wettbewerb, Millionenrennen genannt. Die Idee: Besonders Erfolg versprechende Projekte sollen sich schon vor ihrer DFG-Bewerbung eine Finanzspritze setzen lassen können. Dabei werden Prämien von insgesamt einer Million ausgeschüttet.

    Kanzlerbonus und Millionenrennen - damit macht die Universität Bonn einen großen Schritt hin zur Bezahlung nach Leistung. Denn zumindest ein Teil der Gelder fließt nur noch in die Institutskasse, wenn vorzeigbare Erfolge auf dem Tisch liegen. Für Johannes Beck ist seine Uni damit auf dem richtigen Weg.

    Das ist ein ganz wunderbares Instrumentarium eine ganz segensreiche Idee, die sich der Kanzler und Rektor haben einfallen lassen, dass sie einen Teil des vom Land zur Verfügung gestellten Geldes nicht pauschal auszahlen, sondern dass sie das zu einem Steuerinstrumentarium machen, damit Drittmitteleinwerbungen noch zusätzlich honorieren. Wenn Sie bedenken: Mann wirbt eine Million ein und bekommt noch 50.000 Euro dazu. Das ist ein ordentlicher Batzen Geld, mit dem man viel machen kann.

    Die Formel für wissenschaftlichen Erfolg scheint einfach zu sein: Wer erfolgreich Drittmittel einwirbt, ist auch ein guter Wissenschaftler. Die Rechnung geht aber nicht immer auf, denn vor die Drittmittel haben die Götter die Bürokratie gesetzt. Und die Verfahren, in denen die Forscher sich um Gelder bewerben, sind aufwändig und kosten viel Zeit. Und unkonventionelle Projekte haben es häufig schwerer als bodenständige. Trotzdem: Professor Beck hält es mit dem Auswahlverfahren so ähnlich, wie Winston Churchill es mit der Demokratie: Das System ist das schlechteste, abgesehen von denen, die wir schon hatten. Die Auswahl sei hart, aber in den meisten Fällen fair:

    Sie müssen zeigen, dass Sie wissenschaftlich erfolgreich waren. Dass Sie Doktorarbeiten betreut haben etc. Master of Science Thesis, also auch Lehre gemacht haben. Das müssen Sie alles belegen...
    Dann bekommen Sie eine Rückmeldung: Wir bedanken uns... Das ist immer eine Aufforderung, neue Gelder zu beantragen. Das heißt also, die Drittmittelgeldreise kann weitergehen. Wenn Sie negativ abgeschnitten haben und es kein erfolgreiches Projekt war, dann ist unter Umständen für Sie die ganze Forschungsrichtung gestorben. Das ist unter Umständen wie eine kalte Dusche, die einen Forscher treffen kann, wenn sein Projekt als nicht erfolgreich angesehen wird.