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Das duale System am Nil

Bürokauffrau, Hotelfachkraft oder Koch - wer einen dualen Ausbildungsplatz über die deutsch-arabiscche Handelskammer in Kairo bekommt, der hat später gute Berufschancen. Rund 500 Betriebe bieten mittlerweile praxis- und theorieorientierte Lehrgänge an. Mit großem Erfolg für Ausbilder und Azubis.

Von Verena Kemna | 29.06.2012
    Ganze Familien, schwarz verschleierte Frauen und Kinder, umlagern den Eingang zur deutsch-arabischen Handelskammer in der Innenstadt von Kairo. Sie sind hier, weil ihre Töchter und Söhne sich für die Ausbildungslehrgänge des dualen Systems bewerben. Die meisten Schulabgänger sind gerade einmal 15 Jahre alt, viele kommen aus den Dörfern rund um Kairo.

    Direktor Mahmoud Sobh ist zuständig für acht Schulen, die nach dem dualen System ausbilden. Er sitzt in seinem Büro und erklärt, dass etwa 3000 Schülerinnen und Schüler derzeit in der Ausbildung sind. Voraussetzung ist eine erfolgreiche Bewerbung bei der deutsch-arabischen Handelskammer. Erst dann können sich die Jugendlichen bei einem der etwa 500 Partnerunternehmen anmelden. Meistens sind es Automobil- und Bekleidungsfirmen oder Hotels, erklärt Direktor Mahmoud Sobh.

    "Bei den Firmen hat die duale Ausbildung einen hohen Stellenwert. Unsere Auszubildenden sind dort sehr gefragt. Das einzige Problem ist, dass sich viele nach der dreijährigen Ausbildung für ein Studium an der Universität entscheiden."

    Auch Noura Ali denkt darüber nach. Schüchtern sitzt die 17-Jährige im Büro von Direktor Mahmoud Sobh. Nach neun Jahren Schule hat sie vor zwei Jahren mit ihrer Ausbildung als Büroangestellte in der deutsch-arabischen Handelskammer begonnen. Zwei Tage pro Woche besucht Noura Ali eine Berufsschule, dort lernt sie Buchhaltung und Rechnungswesen.

    "An den vier Tagen, die ich hier meine praktische Ausbildung mache, werde ich sehr gut behandelt. Ich kann inzwischen mit dem Computer umgehen. Ich möchte gerne nach meiner Ausbildung weiter hier arbeiten und außerdem eine Universität besuchen."

    Etwa 70 Prozent der Auszubildenden in Ägypten machen nach ihrem Berufsabschluss an einer Hochschule weiter. Die meisten anderen werden von ihren Ausbildungsfirmen Firmen übernommen.

    Wogdy Magdi, Manager einer Bekleidungsfirma mit 650 Angestellten, sucht dringend qualifizierte Fachkräfte.

    "Wir haben allein in den vergangenen drei Jahren 115 Schülerinnen und Schüler über das duale System ausgebildet. Sie sind viel disziplinierter als andere Schulabgänger. Wir wünschen uns noch mehr Auszubildende. Doch die Plätze an den Berufsschulen sind begrenzt, und für neue Schulen ist das ägyptische Bildungsministerium zuständig. "

    Auch Schulleiter Mahmoud Sobh hofft jetzt, nach der Präsidentschaftswahl, auf mehr Ausbildungsplätze an neuen Berufsschulen. Vor der Revolution seien all seine Bemühungen an zu viel Bürokratie und zu wenig Geld gescheitert.
    Ortswechsel - Achmed Hassan läuft durch die Küchenräume im Keller des größten Hotels von Kairo. Er hat durch das duale System Karriere gemacht, sich nach der Ausbildung bis zum Chefkoch hochgearbeitet. So wie Hassan haben in diesem Hotel derzeit 75 Auszubildende eine Lehrstelle bekommen. Sie werden beim Zimmerservice geschult, in der Küche oder als Kellner geschult. Ahmed Hany ist für die Azubis zuständig. Ohne Disziplin und Pünktlichkeit läuft in dem 1200 Bettenhaus nichts, sag Hany:

    "'"Wer diese Ausbildung abgeschlossen hat und eine Stelle hat, verdient mehr als 300 Euro pro Monat. Das ist mehr als ein Steward in diesem Hotel verdient. Sie können Karriere machen und sind sehr professionell. Es ist ein sehr gutes Programm.""

    Achmed Hany hofft ebenfalls, dass die ägyptische Regierung unter dem neuen Präsidenten Mohammed Morsi das Bildungssystem reformiert. Derzeit sind mindestens zwei Millionen Jugendliche ohne Arbeit, viele haben keinerlei Qualifikation.