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Das Echo der Schöpfung

Physik. - Die höchste Auszeichnung, die sich Physiker erhoffen können, ging in diesem Jahr an die Disziplin der Astrophysik. Die US-Amerikaner George Smoot und John Mather erhalten die Ehrung für ihre Analyse des Nachglimmens des Urknalls.

Ralf Krauter im Gespräch mit Dirk Lorenzen |
    "Als wir die Daten analysierten, waren wir begeistert. Ich kann mich erinnern, dass ich eines Abends nach hause ging und die ganze Nacht nicht schlafen konnte, weil ich davon überzeugt war, dass sie die Keimzelle des Universums gefunden hatten."

    Der 61 jährige US Forscher George Smoot
    hat als Kind am liebsten Science Fiction-Romane gelesen und wollte als Junge eigentlich mal Footballspieler werden. Nach der Highschool hat er sich aber doch für das Physikstudium am MIT entschieden. Dass diese Entscheidung richtig war, dürfte ihm allerspätestens heute früh klar geworden sein, als ihn um 3:00 Uhr amerikanischer Ortszeit ein Anruf aus Stockholm aus dem Bett warf. George Smoot hat heute gemeinsam mit seinem Kollegen und Landsmann John Mather den Physiknobelpreis erhalten und zwar für ihre Analyse des Nachglimmens des Urknalls.

    George Smoot ist Professor an der Universität von Kalifornien in Berkeley, John Mather arbeitet am Goddard Space Flight Center der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Die begehrte Auszeichnung aus Schweden bekommen die beiden für die Planung und Durchführung der Satellitenmission COBE (Cosmic Background Explorer).

    Die Anträge für das wissenschaftliche Mammutprojekt, an dem insgesamt über 1000 Forscher beteiligt waren, wurden bereits 1974 eingereicht, erklärte George Smoot. 1989 startete der Forschungssatellit COBE ins All. Die Verkündung der ersten Ergebnisse 1992 auf einer wissenschaftlichen Konferenz wurden mit Standing Ovations gefeiert, denn sie waren eine Sensation: eine klare experimentelle Bestätigung des Urknalls, an der heute kaum noch jemand zweifelt.

    Ralf Krauter: Herr Lorenzen, über George Smoot haben wir schon einiges gehört. Sie haben Herrn Mather, den zweiten im Bunde, kürzlich bei einer Konferenz in Prag getroffen. Was ist das denn für einer?

    Dirk Lorenzen: George Smoot wirkt wie ein Lausbub, der sagt: "jetzt will ich einmal etwas im Kosmos sehen", also immer noch ganz aktiv mit dabei. Er hat da ja auch schon einen Preis in Prag bekommen und greift jetzt richtig ab, er ist ja auch noch aktiv dabei. Er hat eine wirklich wissenschaftliche Geschichte, wenn wir so wollen, er hat seine erste Beobachtung im zarten Alter von acht Jahren gemacht und er sagt ganz stolz: "es war ein Kaufhaus-Teleskop". Damit hat er sich den Mars angeguckt. Mittlerweile aber guckt er viel weiter hinaus, seine Technik ist auch etwas besser geworden.

    Krauter: Dass die beiden den Preis irgendwann bekommen würden, war eigentlich klar. Seit zehn Jahren standen die auf allen Nominierungen und Vorschlagslisten für den Physiknobelpreis?

    Lorenzen: Das kann man sagen. Es ist eine unglaublich überragende Entdeckung, die ihm da gelungen ist. Es war vollkommen klar, dass das einmal zu diesem Preis führen würde. Jetzt ist ihm dieser andere Preis schon zuvorgekommen, aber was John Mather immer sehr betont, was er in Prag auch in dem Gespräch gesagt hat: es ist eine Teamarbeit, man greift dann die zwei Hauptwissenschaftler dieses Satelliten heraus, die die entscheidenden Instrumente gebaut haben, mit denen diese Beobachtungen möglich waren, aber tatsächlich ist es natürlich eine Riesengruppe von über 1000 Leuten, wenn man Doktoranden und so weiter mitzählt. Also es ist ein großes Astronomen-Team, eigentlich kann man sagen, die Kosmologie insgesamt hat diesen Preis bekommen, denn die Beobachtungen von COBE haben praktisch aus der Philosophie, aus der reinen Spekulation, wirklich eine harte Wissenschaft gemacht. Und das ist das große Verdienst von COBE. Die Astronomie, die Kosmologie, ist seit 1992 eine ganz andere.

    Krauter: Was genau sollte denn COBE eigentlich messen?

    Lorenzen: COBE sollte hinaus schauen in diesen Nachhall des Urknalls, diese völlig gleichmäßige Strahlung, die ja schon 1964 entdeckt worden war. Und allein für diese Entdeckung hat es auch schon einen Nobelpreis gegeben. Dann war aber immer noch für die Astronomen die große Frage, wieso ist das Universum heute so hochkompliziert und hochkomplex aufgebaut mit Galaxienhaufen, großen Strukturen? Wenn es heute so ist, wieso war dann diese Hintergrundstrahlung so vollkommen gleichmäßig? Und man hat gesagt, da muss man genau hinschauen, da müssen irgendwo schon diese Keimzellen, die Urzellen in dieser Hintergrundstrahlung zu sehen sein, aus denen dann tatsächlich die Galaxien geworden sind. Das genau sollte COBE eben untersuchen, erst einmal sich wirklich diesen Nachhall ansehen, schauen, passt diese Temperatur wirklich zu diesem sich ausdehnenden Universum, also passt es praktisch zum Urknall, und sieht man dann noch schön diese Flecken da drin. Und für diese beiden Beobachtungen gab es heute für die beiden Wissenschaftler George Smoot und John Mather den Nobelpreis.

    Krauter: Ein Blick in die Kinderstube des Universums sozusagen. Wie sah denn dieses Instrument eigentlich aus, das diese Einblicke überhaupt möglich gemacht hat?

    Lorenzen: Das war ein Satellit, der in gut 900 Kilometer um die Erde kreist. Da gab es verschiedenen Horn-Antennen, die diese ganz schwache Infrarot-Strahlung erfassten. Damals, kurz nach dem Urknall, war diese Wolke 3000 Grad Celsius heiß. Mittlerweile, durch die Ausdehnung des Weltalls, ist die furchtbar kalt, minus 270 Grad Celsius, nur noch knapp drei Grad über dem absoluten Nullpunkt. Das heißt, man brauchte ganz besondere Technik, um dort wirklich hinzugucken. Die hatte man für COBE entwickelt. Das, so sagten beide auch, ist besonders schwierig gewesen, man musste wirklich technologisch auch neue Schritte gehen, um nach diesen minimalen Schwankungen in der Hintergrundstrahlung, in dieser Temperatur zu suchen. Die kleinen Schwankungen, nach denen man gesucht hat, bewegen sich im Bereich von Hunderttausendstel von Grad. Das ist aber beiden gelungen und das ist eben für die Kosmologen eine ganz wichtige Entscheidung. Stephen Hawking, der große Physiker, hat ja gesagt, es sei die wichtigste Entdeckung dieses Jahrhunderts, wenn nicht aller Zeiten.

    Krauter: Dunkle Energie und Dunkle Materie, das sind derzeit die beiden großen Rätsel der Kosmologie. Welche weiteren Experimente könnten dazu Klarheit schaffen?

    Lorenzen: Die Astronomen müssen vor allem weit hinaus gucken und müssen noch viel mehr beobachten als man mit COBE oder jetzt mit WMAP gemacht hat. Und der eine der beiden Laureaten von heute, John Mather, ist mitten dabei, das nächste ganz große Projekt zu planen. Das ist der Chefwissenschaftler des so genannten James Webb-Teleskops. Das wird der Nachfolger des legendären Hubble-Teleskops und damit will Mather ab dem Jahr 2013 die allerersten Sterne und Galaxien im All anschauen. Dann will er praktisch die Strukturen sich ansehen, die sich aus diesen ersten minimalen Schwankungen in der Hintergrundstrahlung entwickelt haben. John Mather sagt, ein Forscher muss sehen, was dort passiert, nur das Nachdenken alleine bringt nichts, man braucht immer neue Instrumente, um dort zu suchen.

    Krauter: Auch die Europäer wollen selbst ja genauer hinschauen. Es gibt einen Projekt, den Planck-Satelliten. Er soll 2008 starten. Was ist davon zu erwarten?

    Lorenzen: Planck wird praktisch so eine Art Super-COBE oder so eine Art Super-WMAP, er soll das alles noch viel besser machen. Wenn wir das einmal vergleichen wollen mit COBE, dann wird Planck etwa zehnmal empfindlicher sein, man wird dort noch Schwankungen in den Temperaturen von Millionstel Graden finden. Und vor allem wird man fünfzig mal scharfer schauen: COBE hat das Weltall praktisch wie durch Milchglas gesehen, nur ganz grobe Flecken irgendwo. Planck wird wirklich in die Details gehen, und dann hofft man, wenn die Astronomen dann genau sehen, welche Form haben diese Schwankungen in der Temperaturen, dass man etwas lernen kann über diese ersten 300.000 Jahre, was damals passiert ist. Denn für die Astronomen ist diese Hintergrundstrahlung so ein bisschen Freude und Leid zugleich. Man hat jetzt einen schönen Nobelpreis bekommen, aber es ist auch der letzte Vorhang, man kann nicht dahinter schauen, man kann nicht noch näher an den Urknall heran schauen, weil damals das Universum noch unsichtbar war. Man muss also versuchen, indirekte Schlüsse zu ziehen, und das wird man mit Planck wohl können.

    Krauter: Dieser schöne Preis jetzt ist ja auch ein Erfolg für die NASA, weil sie die Hoheit über die Mission hatte. Was bedeutet das denn konkret für die Zukunft der NASA?

    Lorenzen: Die NASA kann diesen Preis sehr gut gebrauchen, denn die Wissenschaftler bei der NASA haben eine sehr schwere Zeit, weil alles zur bemannten Raumfahrt drängt. Der Nachfolger des Shuttle muss entwickelt werden und wo kommt das Geld her, unter anderem aus dem NASA-Wissenschaftshaushalt, der um zwei Milliarden zusammengestrichen worden ist von Präsident Bush. Das heißt, hier hofft man jetzt sicherlich, und man wird es mit Sicherheit instrumentalisieren, um zu sagen: "wir haben erstklassige Wissenschaft, wir müssen da weitermachen!" Und selbst John Mather hat mir noch in Prag gesagt, rein technologisch sei man mit diesem Hubble-Nachfolger, mit diesem James-Webb-Teleskop, eigentlich wunderbar unterwegs, das könnte problemlos 2013 starten, wenn denn wirklich die Finanzierung so bleibt. Die NASA-Wissenschaftler werden sicherlich schauen, dass sie sich da gut positionieren gegen die anderen, dass sie sagen: "wir brauchen unser Geld", und dass sie möglicherweise hoffen, dass auch die Streichungen vielleicht wieder rückgängig gemacht werden.