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Das einzige Papstgrab nördlich der Alpen

Der Bamberger Dom gehört zu den großen deutschen Kaiser- und Reichsdomen und zählt architektonisch und kunsthistorisch zu den bedeutendsten Denkmälern Europas. Er versteht sich jedoch nicht als Museum, die Steine atmen 1000 Jahre gelebten Glauben.

Von Matthias Gierth | 07.05.2012
    "Im Jahr der göttlichen Fleischwerdung 1012 veranlasste der christlichste König Heinrich II. am Ort Bamberg, den er zuvor auf Eingebung Gottes zum Bistum erhoben und mit aller irdischen Fülle überreich ausgestattet hatte, die Kirchweihe. Dieser wohnte er selbst bei mit allen, die er herbeirufen konnte. Deshalb wurde am 6. Mai die Weihe von 45 Bischöfen nach dieser Ordnung gefeiert."

    Schreibt Bischof Thietmar von Merseburg, Augenzeuge und wichtigster Geschichtsschreiber jener Zeit, in seiner Chronik über die Bamberger Domweihe im Jahr 1012.

    Am 6. Mai des Jahres 1007 hatte Heinrich nach schwierigen Verhandlungen mit dem deutschen Episkopat die ersten beiden Urkunden für die Bamberger Kirche ausgestellt und ihr so den Besitz in der unmittelbaren Umgebung gesichert. Seitdem wies der König seinem neu gegründeten Bistum Güter und Rechte, Bücher und Schatzkunst in Fülle zu.

    Der Weihetag des Bamberger Domes selbst, der 6. Mai 1012, ist kein Sonntag.

    "Das war ein Dienstag. Man fragt sich, warum man auf einen Wochentag dieses Fest gelegt hat. Es ist einfach zu erklären. Es ist der Geburtstag von Heinrich II. gewesen. Und dadurch wird deutlich, dass dieser Bau sein Herzensanliegen, sein Lebensprojekt gewesen ist."

    Sagt Norbert Jung. Der Kirchenhistoriker ist der Summus Custos des Bamberger Doms. Als Domkapitular vertritt er das Metropolitankapitel, das heute Eigentümer des Domes ist, nach außen. Der Dom, den Norbert Jung "bewacht", findet sich, hoch aufragend über der heutigen fränkischen Barockstadt Bamberg, genau an jener Stelle, an der schon im 7. Jahrhundert eine große Burganlage lag. Kaiser Otto II. schenkte die Burg 973 an den Baiernherzog Heinrich den Zänker. Im gleichen Jahr wird in Bad Abbach dessen Sohn Heinrich geboren, der Bamberg zu seinem Lieblingsort erwählt. Als Heinrich später Kunigunde aus dem Hause Luxemburg ehelicht, vermacht er die Burg seiner Braut als Geschenk.

    In nur acht Jahren Bauzeit entsteht der Dom, gestiftet von Heinrich und Kunigunde, zu ihrem eigenen immerwährenden Gedächtnis.

    Am 13. Juli 1024 war Heinrich in seiner Pfalz in Grone in Sachsen kinderlos gestorben. In seinem Bamberger Dom bettete man ihn zur letzten Ruhe. Fortan regierte mit den Saliern ein neues Geschlecht die deutschen Lande: keine guten Zeiten für Bamberg! Denn der Schwerpunkt des Reiches verlagert sich an den Rhein, die reiche Güterausstattung Bambergs weckt Begehrlichkeiten. Dass das Bistum dennoch überlebt, liegt neben dem später heiliggesprochenen Kaiserehepaar an jenem Mann, der im Dezember 1040 zum zweiten Bischof Bambergs geweiht wird und ab 1046 als erster deutscher Reformpapst in die Kirchengeschichte eingehen sollte: Suidger, später Papst Clemens II. Dazu Norbert Jung:

    "Er regierte etwa neun Monate die Kirche. Er ist gleichzeitig auch Bischof von Bamberg geblieben. Er ist auch offensichtlich sehr ungern aus Bamberg weggegangen, wie wir aus autobiografischen Anklängen in seinen Urkunden erschließen können. Und er hat offenbar gewünscht, hier in Bamberg begraben zu werden, weil er tatsächlich zwar zunächst an seinem Sterbeort begraben wurde, aber dann nach Bamberg überführt wurde."

    So kommt es, dass der Bamberger Dom bis heute das einzige Papstgrab nördlich der Alpen beherbergt. Wie sehr Clemens II. an seinem Bistum Bamberg hing, hat er noch wenige Tage vor seinem plötzlichen Tod in einem Brief festgehalten

    "Des Großen Gottes Wink hat Dich, Seine geliebteste Tochter Bamberg, Uns als rechtmäßige Braut angetraut. Der edle Kaiser Heinrich hat Dich gegründet, Dich errichtet, Dich hoch erhoben. Auf seine Bitte haben Dich unsere Vorgänger gegen jede frevlerische Hand mit der unüberwindlichen Mauer des apostolischen Schutzes umgeben. Wir begehren das gleiche zu tun, damit du allzeit gesichert und ruhig bleibst."

    Doch so sicher und ruhig, wie Clemens es seiner Kirche wünscht, kommt es nicht.

    In der Osternacht 1081 brennt der Bamberger Dom. 100 Jahre später eine wahre Feuersbrunst, die Schäden sind verheerend, weite Teile der Kathedrale sind zerstört. Norbert Jung:

    "Man hat sich dann um die Jahrhundertwende um 1200 entschlossen, einen Neubau zu errichten, der zwar von seiner Anlage her an den alten Dom erinnert, aber doch größer ist. Und deswegen wurde sukzessive der alte Dom abgerissen."

    Begonnen wird der neue Dom kurz vor dem Jahr 1200 im Osten, beendet 1237 im Westen der Kathedrale. Wiederum am 6. Mai wird die jetzt dreischiffige Basilika geweiht.

    Doch der Dom ist nicht nur ein Haus, dessen Steine 1000 Jahre Kunst- und Kirchengeschichte atmen. Er ist auch eine immerwährende Baustelle. Ulrich Först leitet die Bamberger Dombauhütte. Die größte Herausforderung seines Teams: die einst zum Bau verwendeten Materialien.

    "Ein großes Problem sind die rostenden Eisen, die damals eingebaut wurden, womit die statisch wichtigen Teile auch miteinander verdübelt sind, die rosten jetzt so langsam vor sich hin. Und so ein Eisen kann eine ganz schöne Sprengwirkung erzeugen und so kann es vorkommen, dass Steine regelrecht in der Mitte durch dieses rostende Eisen, wo der Dübel dann eben steckt, dann regelrecht auseinander gesprengt werden."

    In den noch ganz von der Romanik geprägten Osttürmen befindet sich das Geläut des Doms. Sie liegen auf der Stadt zugewandten Seite. 5200 Kilogramm ist die Heinrichsglocke schwer und damit eine der vier schwersten Glocken des 14. Jahrhunderts. Soll sie zusammen mit der 3600 Kilogramm schweren Kunigundenglocke erklingen, braucht Domkirchner Thomas Werb heute natürlich nur auf einen Knopf zu drücken. Doch in den Turmaufgängen sind noch die faustgroßen Aussparungen und Decken und Treppen zu sehen, durch die die Seile von den Glocken jahrhundertelang nach unten hingen. Oben an der Glocke geht es zugig zu.

    "Hier sind wir bei der Kunigundeglocke. Sie ist die älteste Glocke im Bamberger Dom. Sie wurde in der Zeit zwischen 1185 und 1189 gegossen. Sie wird geläutet am Donnerstagabend nach dem Angelusgebet zur Ölbergstunde und läutet auch mit vor den Pontifikalämtern."

    Aus "Die Stadt in der Wüste" von Antoine de Saint-Exupéry:

    "Denn wenn die Kathedrale aus einer bestimmten Anordnung der Steine besteht, die sich alle gleichen, jedoch aufgrund von Kraftlinien verteilt sind, deren Gefüge den Geist anspricht, so gibt es auch ein Zeremoniell der Steine. Und die Kathedrale ist mehr oder weniger schön. Wenn du also aus meiner Kathedrale verschönt, geheiligt oder von einer unsichtbaren Speise genährt hervorgingst, würde ich mir sagen: Hier ist eine schöne Kathedrale für Menschen."

    Eine schöne Kathedrale für Menschen. Ist es dieses Empfinden, das die mehr als eine Million Besucher jährlich in den Bamberger Dom treibt? Viele von ihnen kommen als kunstsinnige Touristen, die Handykameras gezückt. Aber hier Ruhe und spirituelle Einkehr suchen?

    Dass der Dom Gotteshaus bleiben kann, aber auch jene nicht abweist, die allem voran aus kunsthistorischen Gründen nach Bamberg kommen, fällt in den Zuständigkeitsbereich von Wolfgang Reddig. Reddig ist der Kurator der Sonderausstellung "Dem Himmel entgegen", die jetzt zum Weihejubiläum läuft. Die Würde des Ortes zu wahren und trotzdem die Kunstschätze einem breiten Publikum zugänglich zu machen, Reddig hält es für möglich:

    "Zum einen, in dem man die Chancen nutzt, zusätzlich zur Kathedrale dem Bedürfnis entgegenzukommen mit einem Museum, was in unmittelbarem Umkreis des Domes ist. Dort die Geschichte nachzuzeichnen, dort Stücke zu präsentieren, die diese Geschichte belegen. Der Dom an sich bleibt Kirchenraum – immer. Nur, das was an Kunstschätzen sich über die Jahrhunderte angesammelt hat, ist sinnvollerweise in einem Museum untergebracht und gehört nicht dorthin, wo der Gottesdienst gefeiert wird."

    Der 6. Mai 2012. Bambergs Erzbischof Ludwig Schick empfindet ein gerütteltes Maß Respekt:

    "Das ist auch Gänsehautgefühl. Auf der einen Seite Gänsehaut, in so einer langen Tradition zu stehen. Und die andere Seite des Gänsehautgefühls ist natürlich, wenn man in so einer langen Tradition steht, hat man natürlich Verantwortung für die Zukunft. Und dann kommt so die Frage: Machst du es richtig?"

    Nicht viel anders hat das einst Suitger, Clemens II., am Ende seines Briefes an die geliebte Kirche von Bamberg formuliert:

    "In Gott, so wünschen Wir, Du süßeste Braut, wachse zu allen Zeiten, erstarke und gedeihe. Lebe wohl!"