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Das Ende der Party?

Internet.- In San Francisco ist in dieser Woche die Web 2.0 Expo zu Ende gegangen. Der Wissenschaftsjournalist Marcus Schuler erzählt im Interview mit Manfred Kloiber, ob sich die Reise nach Kalifornien gelohnt hat.

    Manfred Kloiber: In San Francisco ging am Donnerstag die Web 2.0 Expo zu Ende – eine der großen Internet-Konferenzen des Silicon Valley. Hauptorganisator ist der O’Reilly Verlag, dessen Chef, Tim O’Reilly, als Erfinder des Begriffs Web 2.0 gilt. Das Thema in diesem Jahr: The Power of Plattforms – die Macht der Plattformen. Vertreter vieler wichtiger Internetunternehmen wie Facebook, Foursquare, Skype und Flickr hielten Vorträge. Marcus Schuler, Sie haben die Web 2.0 Expo in den vergangenen Tage besucht. Wie war ihr Eindruck?

    Marcus Schuler: Ich war bereits das zweite Mal vor Ort, im Moscone West, dem großen Kongresszentrum in Downtown San Francisco. Und ich muss ehrlich sagen: Ich war in diesem Jahr ein wenig enttäuscht. Ich habe mit vielen Leuten vor Ort gesprochen und die bestätigten meinen Eindruck: Die Zahl der Besucher der dreitägigen Konferenz ist deutlich zurückgegangen.

    Kloiber: Und woran liegt das?

    Schuler: Obwohl die Konjunktur auch in den USA wieder angesprungen ist, und die Investoren wieder Risikokapital in neue Start-Ups stecken, scheint dennoch eine große Reserviertheit vorzuherrschen. Zum anderen glaube ich, ist der Begriff Web 2.0 einfach durch. Will sagen: Web 2.0 ist Normalität. Wir nutzen Mobiltelefone heute nicht nur zum Telefonieren, sondern haben darauf auch Twitter, Foursquare oder andere Apps installiert. Für viele Menschen ist ein Facebook-Konto mittlerweile völlig normal. Web 2.0 ist angekommen im Alltag. Und dadurch unterscheidet sich diese Konferenz kaum noch von den vielen anderen Events, die wöchentlich in der Bay Area stattfinden. Vor wenigen Wochen erst die Entwicklerkonferenz F8 von Facebook, die Chirp-Konferenz von Twitter. Der Markt ist schlicht übersättigt.

    Kloiber: Trotzdem kommen wir auf die Konferenz zurück. Gab es ein beherrschendes Thema?

    Schuler: Tim O’Reilly, Mitorganisator der Konferenz und graue Eminenz im Silicon Valley, fasst die wichtigsten Trends eigentlich immer gut zusammen. Und das lässt sich vielleicht auf diese Formel herunterbrechen: Facebook macht vieles gut und richtig, es stiftet Mehrwert, während Apple der Erfolg dank iPad und iPhone langsam zu Kopfe steigt und es sich zu stark hinter proprietären Systemmauern verschanzt. Massiv und deutlich die Kritik an Google – ungewöhnlich deutlich: Google müsse nämlich aufpassen, dass es seine verschiedenen Dienste und Plattformen nicht weiter an seinen Benutzern vorbei entwickelt: Dem Echtzeitdienst Google Buzz und Twitter-Konkurrenten ist schon nach wenigen Wochen die Puste ausgegangen. Ich habe Tim O’Reilly auch darauf nochmals angesprochen:

    O-Ton Tim O’Reilly: Der gesamte Wert von Google bestand ja ursprünglich darin, dass sie den Datenverkehr im Netz weiterleiten. Jetzt versuchen sie diesen wieder auf sich zu lenken. Das verändert den Gedanken des Internets. Diese Strategie könnte zur Rutschpartie werden. Facebook dagegen, ein sehr wichtiger Player, versucht, Werthaltigkeit für andere Internetseiten zu erzeugen, indem es Verbindungen zwischen ihnen herstellt. Wenn ich an Googles Stelle wäre, würde ich mir Sorgen machen: Für Google geht es nach unten, während sich Facebook auf dem Weg nach oben befindet.

    Kloiber: Das derzeitige Thema "Lokalisierungsdienste" dürfte auch wieder eine Rolle gespielt haben, oder?

    Schuler: Ja, vor allem die Frage, wann Facebook endlich seinen eigenen Lokalisierungsdienst startet. Dann dürfte es nämlich Foursqaure und Gowalla, das sind die beiden Platzhirsche auf diesem Gebiet, an den Kragen gehen. Vielleicht wird ja aber auch einer der beiden Dienste demnächst geschluckt werden.

    Kloiber: Und Skype ist auch in Erscheinung getreten?

    Schuler: Im vergangenen Herbst hat Ebay 61 Prozent seiner Anteile an Skype an eine Investmentgesellschaft verkauft. Jetzt tritt man bei dem Internet-Telefonie-Anbieter wieder etwas offensiver auf. Skype hat mehr als 500 Millionen Nutzer weltweit. Grund genug also für den Skype-Chefstrategen Christopher Dean Ausbaupläne zu schmieden:

    O-Ton Christopher Dean: Wir schauen uns natürlich die sozialen Netzwerke sehr genau an. Wenn man an das Skype Adressbuch denkt, dann sind dort 560 Millionen Kontakte registriert. Das ist natürlich eine unglaublich große Gemeinschaft. Wir wollen es unseren Kunden noch leichter machen, untereinander zu agieren, Kontakte zu finden. Soziale Netzwerke sind deshalb bei Skype ein sehr, sehr wichtiges Thema.

    Kloiber: Herr Schuler, welche neuen Start-Ups oder innovativen Ideen haben Sie gesehen?

    Schuler: Beeindruckt hat mich die Vorführung eines französischen Unternehmens: Parrot heißt es. Es kommt aus Paris und sie haben eine Drone entwickelt. Ein Fluggerät, eine Art Hubschrauber, mit vier Propellern, Durchmesser, rund 30 Zentimeter. Es lässt sich per iPhone via WLAN steuern. Auf das iPhone wird ein Videobild der Drone in Echtzeit übertragen, was die Steuerung natürlich vereinfacht. Positiv aufgefallen sind bei der Web 2.0 Expo auch zwei andere Start-Ups, ebenfalls aus Frankreich: Mit Pearltrees kann man Dinge, die man im Web findet, besser kategorisieren und mit anderen teilen. Und Stupeflix ist ein beeindruckender Dienst, mit dem sich aus statischen Grafiken und Fotos schnell und professionell Videos erstellen lassen.

    Kloiber: Marcus Schuler war das über die Web 2.0 Expo diese Woche in San Francisco. Vielen Dank.