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Das Ende der Rotröcke als Kulturschock

Gehören alte Rituale, auch wenn sie grausam sind, zur Kultur und gehören deshalb geschützt, wie das Singvogelschießen in Italien oder der Stierkampf in Spanien? In England tobt seit Jahren ein Streit darüber, ob die Jahrhunderte alte Tradition der Hetzjagd mit Hunden auf Füchse weiterhin erlaubt sein soll. Nein, entschied gestern abend nach fünfstündiger heftiger Debatte das britische Parlament, mit dem ''barbarischen Blutsport'' müsse Schluss sein. Das Gesetz zum Fuchsjagdverbot wird jetzt ausgearbeitet und dann dem konservativ geprägten Oberhaus vorgelegt, wo es wiederum abgelehnt werden könnte, wobei es die Regierung dennoch durchzusetzen in der Lage wäre. In der Diskussion um die Fuchsjagd, also Reiter auf Pferd mit kläffendem Hunderudel hinter Fuchs, geht es nicht nur um Tierschutzbedenken.

Jürgen Krönig im Gespräch |
    Schmitz: Welche Bedeutung hat sie in der englischen Gesellschaftskultur?

    Krönig: Es ist schon so, dass es natürlich für die Parlamentarier - jedenfalls ist das ihr öffentliches Argument - darum geht, einem unwürdigen, unzivilisierten Treiben, einer Tierquälerei ein Ende zu bereiten. Dass man aus Amüsement hinter einem Fuchs her jagt, der von der Meute dann zerrissen wird, finden die Gegner der Fuchsjagd unwürdig, quälerisch, grausam, und deshalb muss es verboten werden. Aber Sie haben völlig Recht, es geht um mehr. Dahinter tun sich Abgründe auf, muss man sagen. Die Befürworter übrigens erwiderten in all diesen jahrelangen Debatten den Gegnern der Jagd, dass die Jagd für sie ist, wie es eine Baronin gesagt hat, die übrigens der Labour-Partei angehört, "die Jagd ist unsere Musik, Poesie und Kunst, hier gewinnen wir die besten Freunde, die Jagd ist a way of life, also eine Art zu leben und deshalb Teil unseres Lebens." Das sind die beiden Pole, die aufeinanderprallen, und Sie haben Recht, hinter der Frage, ob es grausam ist, den Fuchs von Hunden zerreißen zu lassen, oder ist es besser, ihn nur zu schießen oder vielleicht mit Schlingen zu fangen, was die Gegner der Fuchsjagd vorschlagen, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Dahinter tun sich Abgründe auf.

    Schmitz: Ist denn die Fuchsjagd heute noch auch ein fester Bestandteil in der ländlichen Bevölkerung, auf dem Land?

    Krönig: Oh, sehr wohl, und zwar reiten dort nicht nur die Adeligen mit roten Fräcken und weißen Hosen und in schwarzen Schaftstiefeln, sondern da ist oft das ganze Dorf dabei, als Treiber oder auch als Mitreiter. Es ist längst nicht nur ein Sport der feinen Pinkel, der Aristokraten, die hoch zu Ross reiten und auf das Volk da unten, das zu Fuß läuft, herabschauen. So stellen sich das städtische Labor-Abgeordnete, Traditionalisten, Gewerkschaftler vor, für die das eine Art Klassenkampfersatz ist. Nein, es ist ein Teil des Lebens in ländlichen Gesellschaften, weshalb bei den verschiedenen gewalttätigen Demonstrationen der Countryside-Alliance vor ein paar Jahren über 500.000 Menschen protestierend nach London kamen - so viele hat es nie gegeben bis zum Irak-Krieg -, um gegen das Verbot der Fuchsjagd zu protestieren.

    Schmitz: Wer ist diese Countryside-Alliance?

    Krönig: Das ist ein Zusammenschluss von Farmern, von verschiedensten Organisationen, die mit dem Land zu tun haben, auch von Aristokraten, von Jagdbefürwortern verschiedenster Couleur. Die haben sich einfach zusammengeschlossen zu einem losen Verbund, der übrigens jetzt gewaltige Demonstrationen im ganzen Land aufrufen wird und letztendlich auch zum Ungehorsam gegen das Gesetz, das sie als ein zutiefst ungerechtes Gesetz bezeichnen.

    Schmitz: Sie sagten eingangs, dass sich in dieser Diskussion Abgründe auftun. Das heißt, über die Fuchsjagd wird auch aus ideologischen Positionen gestritten, Adel gegen Arbeiter und umgekehrt?

    Krönig: Völlig richtig. Es ist ein Konflikt erstens Stadt vs. Land. Die sentimentale städtische Mehrheit, die der ländlichen Minderheit, die seit Jahrhunderten den Fuchs jagt, plötzlich das verbieten will. Zweitens ist es eine Art Klassenkampfersatz, ein postmodernes Stück Politik, denn die Labour-Hinterbänkler hätten früher gerne die Reichen geschröpft mit hohen Steuern, enteignet. Das alles ist passé in der postideologischen Politik des 21. Jahrhunderts. New Labour, neue Mitte, da macht man so etwas nicht mehr. Also bleibt nur als Ersatz, denen das Vergnügen zu nehmen, nämlich die Fuchsjagd, ein Symbol. Insofern ist es Totempolitik, Ersatzbefriedigung für den Klassenkampf, der nicht mehr da ist. Und es ist eine dritte Ebene da. Es ist die Ebene der politischen Korrektheit da. Prinz Charles hat in einem Brief vor einiger Zeit an Minister sich beschwert über die Absicht, die Fuchsjagd, die er selbst übrigens gerne betreibt, zu verhindern, und da hat er einen farbigen Lord auf Lebenszeit zitiert, der gesagt hat, handelte es sich bei der Fuchsjagd um das Gewohnheitsrecht einer ethnischen Minorität in Großbritannien, würde kein Mensch es wagen, an ein Verbot zu denken. Und ich glaube, er hat nicht ganz Unrecht. Man könnte sich doch fragen, die Hinterbänkler der Labour-Partei gehören selbst zu den Sportanglern. Warum wird denn dieser Sport, der auch grausam ist, nicht verboten, wenn man Fische zum Zählen aus dem Wasser holt? Warum wird die Halal-Schlachtmethode, wo die Tiere ja sowohl von jüdischen als auch von arabischen Briten nur so geschlachtet gegessen werden.

    Schmitz: Charles soll auch gesagt haben, dass er bei einem Verbot auswandern werden, den Rest seines Lebens Ski fahren wolle.

    Krönig: Wenn er das gesagt hat, dann sicherlich als einen etwas zynischen Scherz, denn es ist Unsinn und sozusagen nur ein Mediengerücht. Aber richtig ist, dass er Verständnis hat für die Proteste des Landes gegen die Diktatur der Tugendmehrheit, die aus der Stadt kommt und keine Ahnung hat, was dem Fuchs blüht. Wenn er nicht mehr mit Hunden gejagt werden darf, dann wird er nämlich vergiftet werden oder erschossen werden, das heißt oft nur verwundet, dann irgendwo langsam dahin sterbend. Also die Grausamkeit selbst ist ja nicht zu Ende durch diesen Ersatzakt des Verbotes der Fuchsjagd mit Pferden und Hunden.

    Schmitz: Vielen Dank für das Gespräch.

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