Nach allerlei Erwägungen zur Apakalyse des Johannes, zur Evolution des Universums, zur Frage, warum gerade an unserem Jahrtausendende die Untergangsvisionen solche Konjunktur haben, kommt Gould zu dem nüchternen Fazit: Die Erde hat schon viele Katastrofen erlebt und überlebt, zum Beispiel die vor 250 Miilionen Jahren, als ein Meteorit nicht nur die Dinosaurier, sondere mit ihnen zugleich 95 Prozent alter wirbellosen Meeresarten auf der Erde vernichtete (so jedenfalls lautet seine Theorie). Da wird es, so Gould, am 31.12. dieses Jahres wohl nur ein paar Betrunkene und Straßenverkehrsopfer mehr geben, ein paar zusätzliche Fernreisen und Feste, sonst nichts. Und außerdem: Was will die Menschheit eigentlich? Mit 200. 000 Jahren ist sie doch relativ jung auf der Erde gegenüber den Bakterien, die schon 3,5 Milliarden Jahre da sind - was soll also die Aufregung über ein mögliches Ende?
Auch bei Jean Delumeau, dem Religionswissenschaftler, überwiegt dieser nüchterne Geist. Delumeau erklärt uns geduldig die religionsgeschichtlichen Hintergründe der Zeitvorsteltung bei Juden, Christen und Islam und erläutert Fragen wie die, warum manche christliche Fundamentalisten in den USA Aids als eine Strafe Gottes ansehen. Auch da ist der Endzeitglaube aktiv!
Erst bei Jean-Claude Carrière, dem Drehbuchschreiber und Gelehrten, wird diese intellektuelle Plauderei ärgerlich Nach dem Stilckmuster zwei rechts, zwei links, hier eine Masche fallenlassen, da eine aufheben, überbieten sich die Fragesteller, die Journalisten, gegenseitig, stellen ihr Wissen zur Schau anstatt den Gedanken konsequent vorwärtszutreiben! So entsteht Beiläufigkeit, auf beiden Seiten! Von Überlegungen aus der modernen Astrophysik, von den Nanosekunden des Teilchenbeschteunigers, kommt Delumeau über das Verschwinden bestimmter grammatikalischer Zeitformen und die schmatzenden Uhren Dalis auf das hinduistische Zeitalter des Kaliyuga zu sprechen, das Zeitalter der Zerstörung. Das alles ist interessant, nur man wird es genauso schnell wieder vergessen, wie man es gelesen hat!
Und auch der Beitrag Umberto Ecos kann das Buch nicht retten: Auch wenn es spannend ist, über das Jahr-2000-Computerproblem zu philosophieren, oder aber den esoterischen Basteisiatz in unserem NewAge-Zeitalter, auch wenn es interessant ist, über moderne Speichermedien, virtuelle Bibliotheken oder eine "Kunst des Vergessens,' zu hören, so kann all dies doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir es hier mit einem äußerst disparaten Sammelsurium einzelner Gedanken zu tun habeni. Die zwar spannend sind, aber eben auch sehr kurzlebig und zerfahren. Eine klarere Gesprcichsführung seitens der befragenden Journalisten hätte hier Schlimmeres verhindern können, doch das Gegenteil ist eingetreten. Das Gespräch zerfasert, vom Hölzchen kommt man aufs Stöckchen in einer losen Plauderei. Fazit also dieses Buches:
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und vier prominente Autoren machen noch lange kein Buch. Und ein nötiges Wort noch zur Übersetzung: Sie ist so holprig und ungelenk, daß es wahrlich keine Freude ist, sie zu lesen. Vieles wird so umständlich ausgedrückt, daß die Eleganz mancher Gedanken völlig verschwindet. Das Verständnis des Buches behindert das sehr. Zudem sollte es besser "Zeit" statt "Das Ende der Zeiten" heißen. Denn von diesem ist nur unter anderem die Rede. Aber schließlich hatte ja schon Augustinus vom Großthema "Zeit" abgeraten, und Leser lockt man besser mit dem Titel "Das Ende der Zeiten"! Denn das soll uns ja schließlich bald bevorstehen!