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Das Ende einer Ära

Morgen soll Wolfgang Niersbach zum Nachfolger von DFB-Präsident Theo Zwanziger gewählt werden. Der stand für soziales Engagement - und viele Kontroversen. Niersbach soll den DFB in ruhigeres Fahrwasser führen. Doch Kritiker fürchten eine weitere Kommerzialisierung des Fußballs.

Von Moritz Küpper |
    Gestern Abend, Bremer Weserstadion: Das Länderspiel zwischen Deutschland und Frankreich ist das letzte in der Amtszeit von DFB-Präsident Theo Zwanziger. Noch vor dem Anpfiff, am Nachmittag, verabschiedet sich Zwanziger bei Kaffee und Kuchen von den Nationalspielern:

    "Alles hat seine Zeit, alles geht irgendwann mal zu Ende. Und das das haben wir uns so vorgestellt, aber ich werde ja weiter bei dieser Nationalmannschaft sein und werde die Daumen halten und hoffen, dass alles gut geht."

    Denn mit dem Abpfiff in Bremen, aber vor allem morgen auf einem außerordentlichen DFB-Bundestag in Frankfurt, endet die Ära Zwanziger. Der Deutsche Fußball-Bund, der größte Sportfachverband der Welt, bekommt einen neuen Präsidenten: Wolfgang Niersbach. Und mit ihm bekommt eine mächtige Institution, einen neuen mächtigen Mann: Denn der DFB repräsentiert insgesamt 6,7 Millionen Mitglieder. Das Länderspiel gestern vor 38.000 Zuschauern im Weser-Stadion und elf Millionen Menschen vor den Bildschirmen, verdeutlicht: Fußball, der Lieblingssport der Deutschen, ist immer auch Rampenlicht. Und Rampenlicht bedeutet Einfluss.

    Mit dem Machtwechsel endet nicht nur die Ära Zwanziger. Sein Nachfolger, der bisherige DFB-Generalsekretär Niersbach, wird nicht einfach nur der elfte Präsident in der 112-jährigen Geschichte des Verbandes. Wolfgang Niersbach schürt die Hoffnung, dass der DFB nach kontroversen Jahren wieder in ruhigeres Fahrwasser geführt wird. Denn der heute 66-jährige Zwanziger stand zwar wie kein DFB-Präsident vor ihm für soziales Engagement. Genauso polarisierte er aber auch.

    "Am Schluss lautet die Überschrift: Theo gegen den Rest der Welt. Theo war ganz alleine an der Spitze und ziemlich selbstverliebt und mit sich selbst beschäftigt und hat gar nicht mehr gemerkt, dass er auch noch DFB-Präsident ist. Am Anfang seiner Amtszeit hat er aber ziemlich weitreichende Reformen angestoßen und auch durchgesetzt im Deutschen Fußball-Bund, die den deutschen Fußball lange prägen werden, und deswegen denke ich, dass die Überschrift der ersten Jahre lauten wird: Der Fußball kehrt zurück in die Mitte der Gesellschaft."

    Robert Ide leitet seit einigen Jahren die Sportredaktion des Berliner "Tagesspiegels". Er hat Zwanziger seit dessen Amtsübernahme – 2004 als Doppelspitze mit Gerhard Mayer-Vorfelder, ab 2006 dann alleine – oft begleitet, viele Gespräche und Interviews geführt. Ide kennt Zwanzigers Ansinnen, den Deutschen Fußball-Bund gesellschaftlich zu öffnen:

    "Eine erste große Leistung war die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im DFB. Die war – gerade unter Gerhard Mayer-Vorfelder – liegengeblieben, liegengelassen worden. Und Theo Zwanziger hat das sehr gut angepackt, auch durch einen persönlichen Hintergrund: Er hat seinen Vater nie kennengelernt, der ist in der Schlacht um Berlin gestorben. Und Theo Zwanziger wurde erst kurz nach Kriegsende überhaupt geboren. Daraus ist eine gewisse Art Antifaschismus, persönlicher Antifaschismus bei Theo Zwanziger erwachsen. Und der war sehr wichtig, auch im Kampf gegen rechtsradikale Fans und auch gegen Gewalt auf Fanplätzen, die politisch motiviert oder verbrämt ist. Und da hat er eine sehr große und wichtige und bleibende Leistung für den DFB vollbracht."

    Theo Zwanziger stieß zahlreiche gesellschaftliche Projekte an. Er erwies sich als ein großer Förderer des Frauenfußballs, initiierte den Julius-Hirsch-Preis für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit und widmete sich Projekten im Kampf gegen Homophobie oder für Integration. Sein Leitmotiv war: Der Fußball sollte helfen, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das galt auch im November 2008, bei der umstrittenen Trauerfeier für den Nationaltorhüter Robert Enke, der sich das Leben genommen hatte. Die ARD übertrug live, im Niedersachsenstadion in Hannover saßen 35.000 Menschen, als Zwanziger sprach:

    "Wir sind gekommen, um Abschied zu nehmen von Robert Enke. Die Bilder dieser Woche, dieser Tage stehen vor unseren Augen. Vor Euren – und auch vor meinen … "

    Zwanziger sprach frei, er fand bewegende Worte. Es wurde der öffentlichkeitswirksamste Auftritt eines DFB-Präsidenten überhaupt. Von Anfang an wurde er immer wieder von Applaus unterbrochen:

    "Am nächsten Tag, die Gespräche mit unseren Nationalspielern. Wie geht es weiter? Was können wir tun? Jungs, ich bin stolz auf Euch."

    Obwohl die öffentliche Trauerfeier auch Kritiker fand, in einem waren sich alle einig. Sportjournalist Ide:

    "Der Höhepunkt seiner Amtszeit war die Rede nach dem Selbstmord von Robert Enke. Da war er so eine Art Onkel der Nation, der sozusagen Trost gespendet hat und gleichzeitig etwas gesagt hat, was viele fühlten, auch weit über den Fußball hinaus. Die ganze Nation hat in diesem Moment Anteil genommen, und in diesem Moment war er wirklich ein sehr wichtiger Mensch in Deutschland und vielleicht war genau dieses Gefühl, dass das auch gemerkt hat, schon der Auslöser dafür, dass er danach sich immer mehr selbstbespiegelt hat und auch leider selbst überhöht hat und damit auch seinem Amt nicht genutzt hat, zuweilen sogar geschadet hat."

    Denn durch seine Sehnsucht nach Öffentlichkeit drängte sich Zwanziger immer wieder ins Rampenlicht. Knapp zwei Jahre später wurde die Nation erneut Zeuge einer ähnlichen Rede:

    "Ja, liebe Petra, liebe Mädels. Das ist ein schrecklicher Tag, der uns erschüttert"

    "Im Abseits" hieß der Tatort, den die ARD im Juni 2011 ausstrahlte. Zwanziger spielte sich darin selbst – und sprach auf der Trauerfeier einer ermordeten Nationalspielerin:

    "Sie lebt nicht mehr. Als uns diese Nachricht erreichte, waren wir geschockt."

    Solche peinlichen Auftritte veränderten die Wahrnehmung Zwanzigers in der Öffentlichkeit. Aus dem sozial engagierten DFB-Präsidenten wurde der selbstverliebte Fußball-Funktionär. Auch befördert durch negative Schlagzeilen: In seine Amtszeit fiel die Affäre um verschobene Spiele des Schiedsrichters Robert Hoyzer, ein langes Hin und Her um die letztlich erfolgreiche Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw und die Aufarbeitung des Verhältnisses des Schiedsrichter-Obmanns Manfred Amerell mit dem jungen Referee Michael Kempter.

    Dabei hatte sich Zwanziger frühzeitig auf die Seite von Kempter geschlagen – und Amerell damit vorverurteilt. Die Folge: Eine juristische Schlammschlacht, in deren Zuge auch eine fast schon systemhafte Steuerhinterziehung bei deutschen Schiedsrichtern publik wurde. Endgültig kippte die öffentliche Meinung nach dem Selbstmordversuch des Schiedsrichters Babak Rafati vor einem Bundesliga-Spiel in Köln Ende letzten Jahres. Am frühen Abend präsentierte sich Zwanziger dort auf einer Pressekonferenz. Obwohl Rafatis Zustand noch unklar war, schilderte er seine Unterredung mit Rafatis Assistenten in aller Öffentlichkeit:

    "Was sie dort vorgefunden haben, haben sie mir geschildert. Da würde ich sie bitten, mir Einzelheiten zu ersparen. Richtig ist, dass er in der Badewanne lag. Und es natürlich auch viel Blut zu sehen gab."

    Kritik an solchen, an seinen Auftritten nahm Zwanziger immer persönlich – und schlug auf seine Art zurück, wie Robert Ide vom "Tagesspiegel" berichtet:

    "Je mehr die Kritik einsetzte in den seriösen Zeitungen an seiner Amtsführung, desto mehr zog er sich zurück, und das war auch bei mir persönlich der Fall. Irgendwann hat er auch nur noch auf Pressekonferenzen Fragen von mir beantworten wollen. Zu Interviews kam es in den letzten Jahren nicht mehr."

    Fast schon symbolisch war da seine Rücktrittserklärung am zweiten Dezember letzten Jahres via Boulevardzeitung. Viele seiner Mitstreiter im Fußball informierte er erst im Anschluss. Es war sein Geltungsdrang, der Zwanziger stolpern ließ. Doch es war auch dieser Geltungsdrang, der – Ironie der Geschichte – Antrieb für seine DFB-Karriere war, wie ein Besuch in seiner Heimat zeigt. Altendiez in Rheinland-Pfalz. Hier, im Westerwald wurde Theo Zwanziger 1945 geboren, ging zur Grundschule, und hier startete er auch seine Karriere als Fußball-Funktionär beim VfL Altendiez. Auch als DFB-Präsident vergaß er seine Wurzeln nie: Im September 2011 trat in Altendiez eine Delegation der Nationalmannschaft auf. Getreu Zwanzigers Motto: Tue Gutes – und sprich darüber. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff:

    "Ja, das schätzt er, das schätzt er auf jeden Fall. Aber wir machen das gerne. Ich meine, er hat auch viel für den DFB und auch für uns gerade in der Nationalmannschaft gemacht. Und, wenn man dann so einem kleineren Verein mal ein Geschenk machen kann, ist das ganz schön."

    Was Bierhoff dabei verschwiegen hat: Das Verhältnis der Nationalmannschaft zum Präsidenten war gestört. Noch nie hatte sich das Team innerhalb des Verbandes so abgenabelt wie unter Zwanziger, hatte sogar einen eigenen Pressesprecher. Doch beide Seiten arrangierten sich.

    Knapp 300 Meter vom Sportplatz Lahnblick entfernt liegt das Haus von Klaus Hermann Wilbert. Der Präsident des VfL Altendiez kennt Zwanziger aus Kindertagen. Er hat miterlebt, wie dieser nach einer Ehrenrunde in der Schule eine Ausbildung zum Finanzbeamten abgeschlossen hat – als einer der Besten in Rheinland-Pfalz. Wilbert weiß, dass Theo Zwanziger – einst Mitbegründer der CDU in Altendiez – immer ehrgeizig war und Karriere machen wollte:

    "Er wäre Landesminister geworden, wenn der damalige Ministerpräsident ihm die Funktion Finanzminister oder Innenminister angeboten hätte. Man hat ihm angeboten, Kultusminister in Rheinland-Pfalz zu werden. Das wollte er nicht werden, das war nicht sein Ding. Wenn Bernhard Vogel Theo Zwanziger einen der beiden anderen Ministerposten angeboten hätte, wäre er vielleicht auch Landesminister geworden."

    Nach einer Intrige, bei der Zwanziger nicht unbeteiligt gewesen sein soll, musste Vogel 1988 gehen. Doch eine politische Karriere war für Zwanziger, der von 1985 bis 1987 im Landtag saß und danach Regierungspräsident von Koblenz war, mit dem Verlust der CDU-Mehrheit 1991 vorbei. Stattdessen suchte und fand er sein Glück im Fußball. Das Trostpflaster für die verpasste Politikerkarriere.

    Sporthochschule Hennef im Rheinland: Ende Januar diskutieren hier Vertreter aus Sport, Politik und Wissenschaft. Thema: "Vor dem Ball sind alle gleich – Sexuelle Identität im Fußball". Solche Termine kamen erst in der Ära Zwanziger auf die Tagesordnung des DFB. Nun sitzt er vorne, in einer Diskussionsrunde und wirkt müde. Wenige Tage vorher hat Philipp Lahm, Kapitän der Nationalmannschaft, ein Zeitungsinterview gegeben: Er könne keinem Spieler raten, sich als homosexuell zu outen, lautete die Botschaft. Lahms Aussage wird kontrovers diskutiert. Tenor: So was sei Gift im Kampf gegen Homophobie. Es ist Zwanzigers Verdienst, dass sich Nationalspieler auch mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Dafür ist ihm Christine Lüders, die Leiterin der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes dankbar:

    "Er hat es im Frauenfußball deutlich gemacht, dass das durchaus wichtig ist, das Frauen sich outen können. Und beim Männerfußball hat er auch den Anstoß gegeben, das Diskriminierung im Fußball einfach nicht geht."

    Es gibt jedoch auch andere Stimmen. Warnende, die sagen, dass man die Kraft des Fußballs in solchen gesellschaftlichen Fragen überschätze – und überfordere. Wolfgang Holzhäuser, beispielsweise, äußert sich so. Der Geschäftsführer des Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen glaubt, dass der neue DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hier gegenlenken wird:

    "Ich kann mir vorstellen, dass er viele Dinge, die in letzter Zeit sehr stark in den Vordergrund gedrängt worden sind, nicht so explizit in den Vordergrund schieben wird. Also, die Frage, ob wir Spieler haben, die wir outen müssen oder ob wir im Frauenfußball dies oder jenes machen. Das wird er nicht so explizit nach vorne schieben. Er ist mehr der Fußballer. Er wird mehr den Sport in den Vordergrund stellen. Das ist meine Annahme. Was auch nicht so ganz verkehrt ist. Denn erstens sind wir ein Verband, der dafür da ist, den Spielbetrieb für den Fußball zu organisieren - und nicht dazu da, na, ich will mal sagen, Schauplätze, die sehr wesentlich sind in der allgemeinen Gesellschaft. Und der Fußball muss nicht alles erledigen."

    Holzhäuser hat 23 Jahre beim DFB gearbeitet, eine Zeit lang fast Tür an Tür mit Niersbach. Es gibt nur wenige Menschen, die mehr über den künftigen DFB-Präsidenten erzählen können als er – und damit auch über den Unterschied zu Zwanziger:

    "Er ist nicht der Mensch, der Arm in Arm mit der Bundeskanzlerin in die Kabine geht. Der wird die Kanzlerin zuerst gehen lassen. Man wird ihn wahrscheinlich gar nicht sehen. Aber das ist seine Stärke. Wenn er eine Schwäche hat – vermutlicherweise – dann ist es vielleicht die Stringenz im Verwaltungsbereich. Aber da ist Wolfgang geschickt genug das selbst zu erkennen. Das weiß ich."

    Wolfgang NiersbachEines ist klar: Mit Wolfgang Niersbach rückt ein Medienprofi an die Spitze, ein glänzender Netzwerker. 15 Jahre berichtete er für die Nachrichtenagentur SID über die Nationalmannschaft. 1988 wurde der heute 61-jährige Pressesprecher beim DFB und saß im Organisationskomitee der Fußball-WM 2006. Seit 2007 ist Niersbach als DFB-Generalsekretär unter anderem für die Vermarktung des Verbandes zuständig gewesen. Nun rückt der enge Freund von Franz Beckenbauer endgültig an die Spitze.

    Für seinen Karrieresprung ins Ehrenamt verzichtet Niersbach auf viel Geld. Doch für wie lange? Es gibt viele Stimmen, die im ehemals höchsten hauptamtlichen Mitarbeiter des DFBs künftig auch den ersten hauptamtlichen DFB-Präsidenten sehen. Die Anzahl derer, die meinen, dass der DFB, der Millionen umsetzt, nicht mehr ehrenamtlich zu führen sei, wächst stetig. Merchandising, Sponsoring. Ein Bereich, um den sich Niersbach immer gekümmert hat. Und in dem er auch mit Zwanziger aneinandergeriet: Denn dieser verhinderte beispielsweise die Vertragsverlängerung mit einem Bier-Sponsor, sah darin einen Interessenskonflikt mit der Aktion "Alkoholfrei Sport genießen", an der der DFB beteiligt ist. Eine Blockade, die Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga, wohl nicht nachvollziehen kann. Für Seifert, der wie kein anderer für den bezahlten Fußball steht, ist Niersbach ein Glücksfall:

    "Wesentlich ist, dass in einer solchen Phase des Übergangs, dass es da kein Vakuum gibt. Ich habe aber den Eindruck, dass das sowohl Herrn Dr. Zwanziger als auch Herrn Niersbach völlig bewusst ist, und deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass man alles tut, diesen Führungswechsel vernünftig über die Bühne zu bringen."

    Mehr Fußball, weniger Soziales – und ein nahtloser Übergang. Wer in den letzten Wochen mit Funktionären, Spielern und Journalisten spricht, bekommt fast überall denselben Eindruck: Wolfgang Niersbach ist morgen in Frankfurt der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Doch in Berlin, bei der Tageszeitung "taz" gibt es Zweifel. Dort kam die Frage nach Niersbachs Programm auf. Und: Wer ihn zum Nachfolger bestimmt hat.

    "Wir haben keine Antwort gefunden. Das Gremium, der Ort, wo das entschieden wurde, man weiß es nicht. Und letztlich haben wir uns dann entschieden, um das Ganze transparenter zu machen, muss jemand kandidieren gegen ihn, vielleicht gibt es dann so was wie einen Wahlkampf, und vielleicht kann man dann so ein bisschen tiefer reingucken in die Strukturen des DFB."

    Der Sportjournalist Andreas Rüttenauer hat jahrelang über den DFB berichtet, nun wollte er selbst für das Amt kandidieren. Doch so einfach ist es nicht: Denn der DFB ist ein Dachverband, besteht aus fünf Regionalverbänden, 21 Landesverbänden sowie dem Ligaverband. Keiner von ihnen wollte Rüttenauer nominieren. Die 261 Delegierten werden morgen also nur über Niersbach abstimmen. Rüttenauer:

    "Am Ende lässt man sich diese Entscheidung abnicken von einem Gremium, von dem man irgendwie behauptet, es sei demokratisch oder habe etwas mit der Basis zu tun. Im Grunde ist es so was wie eine Scheindemokratie."

    Dabei gibt es genug Punkte für ein Programm: Beispielsweise das Ausbluten der Vereine auf dem Land. Oder die neue Konkurrenz durch andere Freizeitmöglichkeiten. Kontinuität statt Programm, heißt es. Doch damit kann im Fall des DFB auch eine Verschiebung der Prioritäten stehen, wie die Verleihung des DFB-Migrationspreises Mitte Februar in Berlin zeigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigt den scheidenden DFB-Präsidenten:

    "Ich glaube, Sie haben ein ganz großes Dankeschön verdient, für vieles, aber vor allem für das, was Sie für die Integration im Fußball getan haben. Herzlichen Dank."

    Doch auch Merkel macht sich Sorgen, ob Zwanzigers Vermächtnis, das soziale Engagement, fortgeführt wird: Dass Herr Niersbach jetzt unter Beobachtung steht bezüglich ähnlicher Aktivitäten hat er schon vermutet. Er sagte, wahrscheinlich nicht nur in diesem Feld würde er dann unter Beobachtung stehen. Aber in diesem auf jeden Fall, und deshalb sage ich einfach auch hier: Wir setzen auf Kontinuität, wie sie im Fußball auch üblich ist. Später, am Buffet, äußert sich dann Niersbach zum Blick der Kanzlerin:

    "Das ist ein sehr angenehmes Gefühl. Da hatten wir vorher am Tisch schon drüber geflachst, weil gesagt wurde, dass dieses Projekt fortgesetzt werden soll, werden wird. Wir haben ja auch Vertrag. Unser Vertrag mit Mercedes-Benz ist klar bis 2018 verankert. Da habe ich natürlich gesagt: Selbstverständlich. Ich fühle mich von Ihnen nicht nur bei diesem Projekt unter Beobachtung."

    Morgen, in Frankfurt, wird dieser Wolfgang Niersbach gewählt: Der Mann, der von Verträgen spricht, wenn er auf Werte angesprochen wird. Und gestern, in Bremen?
    Abpfiff des letzten Länderspiels in der Ära Zwanziger. Dessen Amtszeit blieb ohne einen großen Erfolg der Nationalmannschaft. Noch sind es exakt 99 Tage bis zur nächsten Chance bei der Europameisterschaft. Titel holen. Es scheint nicht das Einzige zu sein, was sich Niersbach beim DFB ändern soll.