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Das Ende Mbekis

Seit Thabo Mbeki als Präsident Südafrikas zurückgetreten ist, hofft das Land auf einen Neuanfang: Für die im nächsten Frühjahr geplante Wahl wird Mbekis Gegenspieler, ANC-Chef Jacob Zuma, voraussichtlich als Spitzenkandidat antreten. Sollte er gewählt werden, steht ihm keine leichte Aufgabe ins Haus: Den Wirtschaftsführern hat er Stabilität versprochen, Gewerkschafter fordern einen deutlichen Linksruck - und Millionen armer Südafrikaner hoffen auf ein besseres Leben.

Von Corinna Arndt |
    Schön war die Zeit. Damals, als Mbekis Anhänger ihm noch zujubelten. Ihm, dem Präsidenten Südafrikas - der seit vorgestern keiner mehr ist. Nach einer eindrucksvollen, jahrezehntelangen Karriere im ANC hat ihn seine Partei diese Woche endgültig vor die Tür gesetzt - wenige Monate vor Ende seiner letzten Legislaturperiode. Selbst Mbekis treueste Weggefährten verweigern inzwischen Interviews mit Journalisten - es lohnt sich nicht mehr, ihn öffentlich zu verteidigen. Lob und Preis gibt es allenfalls aus Simbabwe: fragwürdige Komplimente von Diktator Robert Mugabe, der Mbeki die neueste, wenn auch wackelige Verhandlungslösung für sein Land verdankt.

    Sohn Afrikas, das ist Musik in Mbekis Ohren. Mit geschlossenen Augen lauschte er Mugabe. Afrika auf die Weltbühne zu hieven, das war sein Projekt. Unablässig jettete er durch die Welt, als Vermittler in Simbabwe und im Kongo, als Stimme Afrikas im UN-Sicherheitsrat und auf dem G8-Gipfel. Zu Hause braute sich derweil ein Sturm zusammen. Nicht in den reichen Wohnvierteln und Firmenzentralen von Johannesburg, sondern in Orten wie Imizamo Yethu bei Kapstadt, wo die Armen seit dem Ende der Apartheit 1994 auf ein besseres Leben hoffen.

    Mbeki ist ja nie im Land, schimpft Bambi Lolo, die mit vier Nachbarinnen um einen Waschzuber versammelt ist. Drei von ihnen sind HIV-positiv. Nichts habe Mbeki für sie getan.

    Die Frauen sitzen zwischen windschiefen Wellblechhütten, die an einem Berghang kleben. Wenn es im Winter heftig regnet, fließen Wasser und Schlamm direkt durch die ärmlichen Behausungen. Die älteste wartet seit 24 Jahren auf ein richtiges Haus aus Stein, die anderen seit mehr als zehn.

    "Die haben uns im Stich gelassen. Nichts hat der ANC gemacht hier bei uns. Mein Hütte verschimmelt! Ich habe keine Möbel! Der Wind hat meine Fenster zerbrochen! Ist denen völlig egal."

    Imizamo Yethu ist keine Ausnahme, und das Los der Wäscherinnen repräsentativ für Südafrikas Armenviertel. Fast jede dritte junge Frau im Land ist HIV-positiv, fünf Millionen Menschen leben in Slumvierteln. Allein in Kapstadt fehlen 400.000 Häuser. Die Arbeitslosenquote, offiziell 38 Prozent, ist in vielen Townships doppelt so hoch. Die Zahl der Morde und anderer Gewaltverbrechen gehört zu den höchsten der Welt, und die Kluft zwischen Arm und Reich ist heute größer als je zuvor.

    Mbeki begegnete vielen dieser Probleme mit arroganter Ignoranz - was weite Teile seiner Partei und seines Volkes gründlich verärgert hat. Und so ist sein Abgang den meisten ANC-Wählern willkommen. Man könnte fast sagen: Das Land atmet auf. Und das, obwohl er in vielerlei Hinsicht eine solide Basis für künftige Regierungen gelegt hat. Nicht einmal sein erbitterter Rivale Jacob Zuma leugnet das. Er wird auf Mbekis Fundament aufbauen können.

    "Die Regierung Mbeki hat die Grundlagen für ein solides Wirtschaftswachstum gelegt, durchschnittlich 4,5 Prozent seit 2004. Außerdem hat sie vielen Menschen Zugang zu Häusern, Wasser, Bildung und Strom verschafft, und vieles andere mehr."

    Viel ist passiert, doch längst nicht genug. Wirklich versagt hat Mbeki hingegen in seiner Aidspolitik, und - lange Zeit - auch im Umgang mit Simbabwe. Kritiker wie der Aids-Aktivist Zackie Achmat werfen ihm außerdem eine Stalinisierung des ANC und der politischen Kultur Südafrikas vor.

    Längst ist die Stimmung im Land gegen Mbeki gekippt. Dabei blickten Südafrikas Medien und Wissenschaftler jahrelang mit scheuer Bewunderung zu Mbeki, dem intellektuellen Staatsmann, auf. Nun will ein bekannter Kommentator keinen einzigen politischen Erfolg mehr ausmachen können, und der Kapstädter Politikwissenschaftler Robert Schrire erklärte Mbeki diese Woche für komplett unfähig. Der zurückgetretene Präsident sei ein Kaiser ohne Kleider.

    Mbeki sei ein gebrochener Mann, sagt Schrire, der die Bedingungen für den kometenhaften Aufstieg Jacob Zumas selbst geschaffen habe - indem er ihn mit allen Mitteln zu verhindert suchte.

    Bring mir mein Maschinengewehr, das ist Zumas Lieblingslied, zu dem er singt und tanzt zugleich. Seine Kritiker werden nicht müde, sich darüber aufzuregen. Und über den Vergewaltigungsprozess, der 2006 gegen ihn lief - ungeachtet der Tatsache, dass der in einem Freispruch endete. Zuma, der Frauenheld, der sich mit einer Dusche gegen Aids schützen will, der ungebildete Bauer aus dem Zululand. Es ist diese Karikatur des ANC-Politikers, die im In- und Ausland für Misstrauen sorgt. Der Kapstädter Taxifahrer Wise Williams gehört zu den Skeptikern.

    "Ich hätte lieber Thabo zurück. All die Sachen, die man über Zuma hört, so jemand kann doch nicht Staatspräsident werden!"

    Tatsache ist: Williams, der Taxifahrer ist in der Minderheit. Die Mehrheit hat andere Probleme als die mögliche Korrumpierbarkeit des ANC-Präsidenten. Und was in den Townships schon lange als Binsenweisheit galt, ist nun von einem unabhängigen Gericht bestätigt worden: Der Korruptionsprozess gegen Jacob Zuma war Mittel zum Zweck, ein politischer Prozess, der mit Fairness nicht mehr viel zu tun hatte. Zuma-Anhänger wie Bambi Lolo unterstützen ihren Helden schon seit jeher, genau weil er ständig angegriffen wird und sich dabei so tapfer verteidigt.

    "Zuma lässt sich nichts gefallen, sogar wenn jemand ihn der Vergewaltigung bezichtigt. Er redet und erklärt. Deshalb mag ich ihn."

    Noch nie war Zuma dem Präsidentenamt näher als jetzt. Der eben neu vom Parlament gewählte Präsident Kgalema Motlanthe ist nicht mehr als ein Platzhalter für die nächsten sieben, acht Monate. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er sich von Mbekis geschmähter Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang getrennt. Das lässt die Aidskranken am Kap hoffen. Doch bereits jetzt sind alle Augen auf Zuma gerichtet: Den Wirtschaftsführern hat er Stabilität und Kontinuität versprochen; Kommunisten und Gewerkschafter fordern hingegen einen deutlichen Linksruck der Politik - und Millionen armer Südafrikaner hoffen auf ein besseres Leben. Die Frauenrunde in Imizamo Yethu jedenfalls weiß genau, was Zuma - Heldenstatus hin oder her - für sie zu tun hat:

    Wenn wir ihn schon wählen, dann muss er alle Probleme lösen, für jeden von uns, sagt Bambi Lolo. Die anderen nicken zustimmend. Will Zuma die Investoren bei Laune halten und gleichzeitig Wahlen gewinnen, dann steht ihm die Quadratur des Kreises bevor. Radikale Kursänderungen sind deshalb wohl nicht zu erwarten.