Archiv


Das Erbgut des Tasmanischen Tigers

Biologie. - Der australische Beutelwolf - oder Tasmanische Tiger wegen seiner Zeichnung - ist 1936 ausgestorben. Wissenschaftler in den USA haben nun begonnen, das Beuteltier genetisch zu rekonstruieren: In einer Fachzeitschrift präsentieren sie sein mitochondriales Genom, das Erbgut in den Kraftwerken der Zelle.

Von Michael Lange |
    Der Beutelwolf hatte keinen guten Ruf im Australien des ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

    "Zwischen 1888 und 1914 wurden mehr als zwei 200 Beutelwölfe erlegt."

    Die letzten Tiere litten außerdem an einer Viruskrankheit, die ihr Fell unbrauchbar machte. Die Überreste der Tiere wurden deshalb meist verbrannt. Für den Molekularbiologen Stephan Schuster und sein Team von der Pennsylvania State University war das ein Problem. Denn es fanden sich kaum gut erhaltene Proben des ausgestorbenen Beutelwolfs, die für die Genomanalyse geeignet waren. Doch dann erhielten die Forscher eine Nachricht vom Naturkundemuseum in Stockholm. Das Museum hatte von einem Privatsammler ein in Alkohol eingelegtes Tier gekauft.

    "Dieses Tier ist 1895 im Zoo von London gestorben. Und es war letztlich ein deutscher Händler, der dann diesen Kadaver erworben hat oder sich hat geben lassen, und er hat ihn, sehr ungewöhnlich, in einem großen Container mit Alkohol erhalten."

    Ein paar Haare auf dem Boden des Alkoholbottichs reichten den Molekularbiologen um Stephan Schuster, um an die Erbmoleküle des Beutelwolfs zu gelangen. Zunächst ermittelten sie die Bausteine in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle. Dieser kleine Teil des Erbgutes wird oft verwendet, um Verwandtschaften zu untersuchen.

    "Das war dann ein Bruchteil von einem Gramm Haar, und das hat ausgereicht, dass wir ein komplettes mitochondriales Genom sequenzieren konnten. Mit 16.500 Basenpaaren. Und das Ganze nicht nur einmal, sondern wir haben es 50-mal erzeugt: Also 50fache Redundanz der Daten. Und deshalb sind wir uns auch ganz sicher, dass diese Sequenz richtig ist."

    Dann suchten die Forscher ein zweites Tier, um die mitochondrialen Genome zu vergleichen. Die Suche war nicht leicht. Viele Proben waren durch menschliches Erbgut zu stark verunreinigt. Erst die Haarprobe eines Jungtieres aus Washington war zum Vergleich geeignet.

    "Nur aus diesen zwei Sequenzen ist sofort aufgefallen, dass die sehr ähnlich sind. Nur fünf Positionen aus 16.500 zeigen Unterschiede. Wenn man das jetzt zum Beispiel mit dem Mammut vergleicht, wo wir 18 komplette mitochondriale Genome haben. Dann finden wir dort 20 Unterschiede zwischen zwei Individuen."

    Bei dieser extremen Verwandtschaft zwischen zwei unabhängig voneinander entdeckten Beutelwölfen könnte es sich um Zufall handeln. Wahrscheinlicher ist aber, dass durch die starke Bejagung die genetische Vielfalt der Beutelwölfe extrem reduziert wurde. Die Wissenschaftler nennen das einen genetischen Flaschenhals. Das Aussterben war dann die unausweichliche Folge. Ein ähnliches Schicksal könnte heute dem Beutelteufel drohen. Das katzengroße Raubtier wird auch Tasmanischer Teufel genannt. Nur noch 20.000 Individuen leben auf der australischen Insel Tasmanien. Sie werden von einer Krebserkrankung bedroht. Da auch dem Beutelteufel die genetische Vielfalt fehlt, könnte die Art für immer von der Erde verschwinden. Die Molekulargenetiker können dabei helfen, dies zu verhindern, durch den Vergleich von Erbmolekülen. Davon ist Stephan Schuster überzeugt. .

    "Diese vergleichende Genomik gibt uns dann Marker, und diese genetischen Marker versammeln wir auf einem kleinen Chip. Sie müssen sich das vorstellen wie so ein Glasträger oder ein Computer-Chip. Und dieser Computer-Chip erlaubt es uns dann, für sehr wenig Geld, 30 bis 40 Dollar, jeweils ein Tier komplett genetisch zu beschreiben. Und das wollen wir für alle 20.000 verbleibenden Tasmanischen Teufel tun. Und wir hoffen, dass an diesem Tasmanischen Teufel-Programm zum ersten mal gezeigt wird, dass wenn alle Komponenten zusammen sind, es möglich ist, das Aussterben einer Tierart zu verhindern."

    In Zuchtstationen sollen die Gen-Chips helfen, die richtigen Tiere zusammenzuführen. Das Ziel ist es, dem Nachwuchs, die Gene auf den Weg zu geben, die vor der Krebserkrankung schützen. Dann könnte der Tasmanische Teufel überleben.