Michael Köhler: Von der Düsseldorfer Malerschule, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, über die frühen rheinischen Expressionisten am Anfang des 20. Jahrhunderts bis nach dem Zweiten Weltkrieg mit Mataré und Beuys, Klapheck und Immendorf, Lüpertz und den Bechers an der Düsseldorfer Akademie ist das Rheinland um die Landeshauptstadt und dem benachbarten Köln ein Zentrum der Kunst in Deutschland. So kann man das, glaube ich sagen, Christiane Vielhaber?
Christiane Vielhaber: Ja.
Köhler: Nun gibt es in Düsseldorf ein Archiv künstlerischer Fotografie der rheinischen Kunstszene, und deshalb die Frage an meine Kollegin Christiane Vielhaber: Was ist das eigentlich genau, welche institutionelle Form hat das, und was ist das für eine Ausstellung, die jetzt zum ersten Mal aus den Archiven, aus den Schätzen gräbt und zeigt, was es so alles hat?
Vielhaber: Alles, was Sie vorhin erwähnt haben, können wir ja in den rheinischen oder auch in internationalen Museen wiederfinden. Wir finden die Düsseldorfer Malerschule, wir finden Künstler, Professoren der Akademie mit ihrer Malerei, mit ihren Skulpturen, aber was ist zum Beispiel daraus geworden, als Beuys 1964 in der Galerie Schmela einem toten Hasen die Kunst erklärte hat? Da waren ganz viele dabei, aber wie ist das aufbewahrt? Oder wie ist es aufbewahrt, wenn die ZERO-Künstler mit Uecker, Piene und Mack irgendwas verbrannt haben? Da waren ganz viele dabei, aber dann hat es gebrannt. Was ist mit diesen Sachen, wenn Paik irgendwo in Wuppertal in einer Galerie da auf dem...
Köhler: Der Videokünstler und Fluxus-Kollege von Beuys
Vielhaber: ...ja, aber auch der verstorbene Stockhausen, wenn er in Köln moderne Musik im Atelier von Mary Bauermeister, seiner späteren Frau, gemacht hat. Ganz viele waren dabei, ganz viele haben das gehört, aber wo bleibt das? Das können Sie ja nicht im klassischen musealen Sinne aufbewahren und pflegen.
Köhler: Arte gab es da auch noch nicht.
Vielhaber: Und dann hat sich das Kunstmuseum Düsseldorf, beziehungsweise Museum Kunstpalast dafür entschieden, Geld aufzubringen, auch mit Hilfe des Landes 2003 ein Archiv aufzubauen und zwar ein fotografisches Archiv. Da hat man inzwischen schon 3000 Fotos, und 700, und das ist sehr erschöpfend, zeigt man jetzt derzeit im Museum Kunstpalast in einer Ausstellung, wo 33 Fotografen beteiligt sind. Was sie beim Rundgang durch diese Ausstellung merken, ist diese alles überragende Figur Beuys. Es gibt kaum einen, vielleicht Charles Wilp, der Werbefotograf, der mit Yves Klein, also mit dem Erfinder des Yves-Klein-Blaus, und der sich ja auch aus dem Fenster gestürzt hat, und da muss nun jemand bei sein, um das zu fotografieren und zu dokumentieren. Also die Person von Beuys, Beuys war - seine Kunst war er selbst.
Köhler: Also das ist eine Art fotografisches Archiv, fotografisches Gedächtnis der rheinischen Kunstszene, mit dokumentarischem Charakter, kann man das so sagen?
Vielhaber: Ja, und dann gibt es Leute wie mich, und ich sage das ganz ehrlich, das ist dann wie, wenn man so ein Klassentreffen hat. Man bringt die Fotoalben mit, und weißt Du noch, als die damals die Kunsthalle besetzt haben, und weißt Du noch, als die damals den Kunstmarkt gestört haben, und weißt Du noch, als die damals die Kuh in den Kölnischen Kunstverein, also wir waren dabei, und dann kommen uns fast die Tränen. Aber ich frage mich natürlich, was machen die Nachgeborenen?
Köhler: Erinnerung in allen Ehren, aber ist das mehr als nur so ein, und jetzt entschuldigen Sie mich, so eine Art nostalgisches Gefühl, was damit einhergeht?
Vielhaber: Ja, dann müssen wir doch die zweite Ebene dieser Ausstellung sehen. Es sind 33 Fotografen, darunter so berühmte Beuys-Fotografen, wie Ute Klophaus, aber dann auch wieder Manfred Leve, Benjamin Katz, der dafür steht eigentlich, dass er Künstler biografisch durch ihr Leben begleitet hat, dass Sie den ganz jungen Lüppertz sehen, dass Sie den ganz jungen Baselitz sehen, und dann sehen Sie ihn so später, groß und alt auf diesen Fotos. Also auf der einen Seite die fotografische Qualität, aber auf der anderen Seite das Dokumentarische, dass man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen kann, dass in der Galerie Parnass in Wuppertal in den 60er Jahren ein Paik mit seinen Kollegen Klaviere zertrümmerte oder was dann bei Jean-Pierre Wilhelm in der Galerie 22 in Düsseldorf passierte. Aber man steht dann irgendwo, auch selbst wenn ich damals teilweise dabei war, sie stehen doch daneben, und dann kommt jetzt dieser Wechsel: Ist es die tolle Fotografie, ist es die gute Fotografie? Ist es dieses, was Künstler ja sonst immer dieses "fake it", ich habe es gemacht, also die Unterschrift von dem Fotografen, ich war dabei, oder was ist die Faszination? Also für mich ist es natürlich ein Stück Kunstgeschichte und ich denke, dass für jüngere Leute die vielen Texte wichtig sind, damit man sieht, das war der und das war der.
Köhler: Sind auch, abschließend gefragt, die jüngeren, berühmten, weltberühmten Vertreter, die sogenannten Struffkys dabei, also Struth, Ruff, Gursky und diese Leute, die ja daraus erwachsen sind?
Vielhaber: Zum Beispiel Thomas Ruff ist dabei, als Fotograf auf der anderen Seite ist er auch dabei als junger Künstler, der vor seinem Atelier fotografiert wurde, es gibt von Manfred Leve dieses hinreißende Foto, und dann sehen Sie Gerhard Richter in seinem großen Atelier, damals noch in Düsseldorf, mit dem Fahrrad durch sein Atelier radelt und in der Mitte sitzt seine damalige Frau, Isa Genzken. Also das sind hinreißende Sachen, und die Beziehung zwischen Fotograf und Künstler war wohl auch teilweise sehr eng, denn nehmen Sie Reiner Ruthenbeck, der als Fotograf angefangen hat und dann als Bildhauer geendet ist, der war eben auch mitten drin.
Köhler: Das Archiv rheinischer Kunstgeschichte, "Fotos schreiben Kunstgeschichte". Christiane Vielhaber über die erste große Ausstellung in Düsseldorf, Danke.
Christiane Vielhaber: Ja.
Köhler: Nun gibt es in Düsseldorf ein Archiv künstlerischer Fotografie der rheinischen Kunstszene, und deshalb die Frage an meine Kollegin Christiane Vielhaber: Was ist das eigentlich genau, welche institutionelle Form hat das, und was ist das für eine Ausstellung, die jetzt zum ersten Mal aus den Archiven, aus den Schätzen gräbt und zeigt, was es so alles hat?
Vielhaber: Alles, was Sie vorhin erwähnt haben, können wir ja in den rheinischen oder auch in internationalen Museen wiederfinden. Wir finden die Düsseldorfer Malerschule, wir finden Künstler, Professoren der Akademie mit ihrer Malerei, mit ihren Skulpturen, aber was ist zum Beispiel daraus geworden, als Beuys 1964 in der Galerie Schmela einem toten Hasen die Kunst erklärte hat? Da waren ganz viele dabei, aber wie ist das aufbewahrt? Oder wie ist es aufbewahrt, wenn die ZERO-Künstler mit Uecker, Piene und Mack irgendwas verbrannt haben? Da waren ganz viele dabei, aber dann hat es gebrannt. Was ist mit diesen Sachen, wenn Paik irgendwo in Wuppertal in einer Galerie da auf dem...
Köhler: Der Videokünstler und Fluxus-Kollege von Beuys
Vielhaber: ...ja, aber auch der verstorbene Stockhausen, wenn er in Köln moderne Musik im Atelier von Mary Bauermeister, seiner späteren Frau, gemacht hat. Ganz viele waren dabei, ganz viele haben das gehört, aber wo bleibt das? Das können Sie ja nicht im klassischen musealen Sinne aufbewahren und pflegen.
Köhler: Arte gab es da auch noch nicht.
Vielhaber: Und dann hat sich das Kunstmuseum Düsseldorf, beziehungsweise Museum Kunstpalast dafür entschieden, Geld aufzubringen, auch mit Hilfe des Landes 2003 ein Archiv aufzubauen und zwar ein fotografisches Archiv. Da hat man inzwischen schon 3000 Fotos, und 700, und das ist sehr erschöpfend, zeigt man jetzt derzeit im Museum Kunstpalast in einer Ausstellung, wo 33 Fotografen beteiligt sind. Was sie beim Rundgang durch diese Ausstellung merken, ist diese alles überragende Figur Beuys. Es gibt kaum einen, vielleicht Charles Wilp, der Werbefotograf, der mit Yves Klein, also mit dem Erfinder des Yves-Klein-Blaus, und der sich ja auch aus dem Fenster gestürzt hat, und da muss nun jemand bei sein, um das zu fotografieren und zu dokumentieren. Also die Person von Beuys, Beuys war - seine Kunst war er selbst.
Köhler: Also das ist eine Art fotografisches Archiv, fotografisches Gedächtnis der rheinischen Kunstszene, mit dokumentarischem Charakter, kann man das so sagen?
Vielhaber: Ja, und dann gibt es Leute wie mich, und ich sage das ganz ehrlich, das ist dann wie, wenn man so ein Klassentreffen hat. Man bringt die Fotoalben mit, und weißt Du noch, als die damals die Kunsthalle besetzt haben, und weißt Du noch, als die damals den Kunstmarkt gestört haben, und weißt Du noch, als die damals die Kuh in den Kölnischen Kunstverein, also wir waren dabei, und dann kommen uns fast die Tränen. Aber ich frage mich natürlich, was machen die Nachgeborenen?
Köhler: Erinnerung in allen Ehren, aber ist das mehr als nur so ein, und jetzt entschuldigen Sie mich, so eine Art nostalgisches Gefühl, was damit einhergeht?
Vielhaber: Ja, dann müssen wir doch die zweite Ebene dieser Ausstellung sehen. Es sind 33 Fotografen, darunter so berühmte Beuys-Fotografen, wie Ute Klophaus, aber dann auch wieder Manfred Leve, Benjamin Katz, der dafür steht eigentlich, dass er Künstler biografisch durch ihr Leben begleitet hat, dass Sie den ganz jungen Lüppertz sehen, dass Sie den ganz jungen Baselitz sehen, und dann sehen Sie ihn so später, groß und alt auf diesen Fotos. Also auf der einen Seite die fotografische Qualität, aber auf der anderen Seite das Dokumentarische, dass man sich heute überhaupt nicht mehr vorstellen kann, dass in der Galerie Parnass in Wuppertal in den 60er Jahren ein Paik mit seinen Kollegen Klaviere zertrümmerte oder was dann bei Jean-Pierre Wilhelm in der Galerie 22 in Düsseldorf passierte. Aber man steht dann irgendwo, auch selbst wenn ich damals teilweise dabei war, sie stehen doch daneben, und dann kommt jetzt dieser Wechsel: Ist es die tolle Fotografie, ist es die gute Fotografie? Ist es dieses, was Künstler ja sonst immer dieses "fake it", ich habe es gemacht, also die Unterschrift von dem Fotografen, ich war dabei, oder was ist die Faszination? Also für mich ist es natürlich ein Stück Kunstgeschichte und ich denke, dass für jüngere Leute die vielen Texte wichtig sind, damit man sieht, das war der und das war der.
Köhler: Sind auch, abschließend gefragt, die jüngeren, berühmten, weltberühmten Vertreter, die sogenannten Struffkys dabei, also Struth, Ruff, Gursky und diese Leute, die ja daraus erwachsen sind?
Vielhaber: Zum Beispiel Thomas Ruff ist dabei, als Fotograf auf der anderen Seite ist er auch dabei als junger Künstler, der vor seinem Atelier fotografiert wurde, es gibt von Manfred Leve dieses hinreißende Foto, und dann sehen Sie Gerhard Richter in seinem großen Atelier, damals noch in Düsseldorf, mit dem Fahrrad durch sein Atelier radelt und in der Mitte sitzt seine damalige Frau, Isa Genzken. Also das sind hinreißende Sachen, und die Beziehung zwischen Fotograf und Künstler war wohl auch teilweise sehr eng, denn nehmen Sie Reiner Ruthenbeck, der als Fotograf angefangen hat und dann als Bildhauer geendet ist, der war eben auch mitten drin.
Köhler: Das Archiv rheinischer Kunstgeschichte, "Fotos schreiben Kunstgeschichte". Christiane Vielhaber über die erste große Ausstellung in Düsseldorf, Danke.