Die Werk-Geschichte von Antonio Vivaldis "Bajazet" hat, was auf den ersten Blick erstaunen mag, mit Wien zu tun. Zwar wurde diese Pasticcio-Oper 1735 für Verona komponiert und arrangiert - dorthin wich der Komponist während des wirtschaftlichen Niedergangs seiner Heimatstadt und angesichts seines sinkenden Erfolgs aus. Dann aber zog der einst so Gefeierte mit neuen Hoffnungen in die österreichische Hauptstadt. In Wien war er allerdings angesichts seiner fortdauernden wirtschaftlichen Misere genötigt, die mit über die Alpen gebrachten Partiturenbestände zu fleddern. Einen Monat vor seinem relativ frühen Tod verkaufte er einem Grafen neben 15 anderen Arbeiten auch die Sinfonia aus "Bajazet". Mit diesem Stück begann die Musik zu seiner im 18. Jahrhundert außerordentlich beliebten Verhandlung der Fragen von Liebe und Macht in orientalischem Kostüm.
Zehn Jahre nach dem erfolgreichen Francesco Gasparini und nach Georg Friedrich Händel setzte auch Vivaldi die Geschichte vom Mongolen-Herrscher Timur i-Läng in Musik, der den gesamten Orient militärisch aufmischte und allemal vor den Toren der von ihm eroberten Städte Türme aus den Köpfen der enthaupteten Feinde errichten ließ (Rembrandt hat ihn in voller Aktion gemalt). Die Liebesintrige, mit der er seine Verlobte Irene gegen Asteria, die Tochter des von ihm gefangenen Sultans Bajasid auswechseln möchte, schlägt ihm allerdings nicht zum Segen aus. Die Frauen erweisen sich als zäher - und die aus Alaska stammende Sopranistin Vivica Genaux stellt dies auch musikalisch rasant unter Beweis.
Der sizilianische Geiger Fabio Biondi gehört seit Jahren zu jenen Spezialisten der vorklassischen Musik, die eigene historische Recherchen mit umtriebigen praktischen Aktivitäten in einem musikalischen Marktsegment verbinden, das im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts noch einmal stattliche Zuwachsraten verbuchen konnte. Biondi gründete zu diesem Zweck das Ensemble Europa Galante, das auf seine Weise die Annäherung an den "Originalklang" sucht.
Nun hat es mit dem "Original" des "Bajazet" seine besondere Bewandtnis: die Musik dieses Pasticcios ist ein Kompilat aus anderen Vivaldi- Arbeiten - und zudem fehlen einige strategisch wichtige Arien ganz. Fabio Biondi bearbeitete nicht nur den Text, sondern ergänzte auch die verschollenen Teile durch Parodien. Dieses Klonen ist weniger als Sakrileg denn als eine musikalisch praktikable Form der Rekonstruktion anzusehen - dennoch, und dies ist bezeichnend für die ganze Branche, spielt die Frage der Authentizität solcher Musik für die andächtig in sie und ihr Programmbuch vertieften Tausendschaften keine gravierende Rolle, wenn nur der Stallgeruch des musikalischen Historismus einigermaßen vertraut ist. Den verströmen der vor seiner kleinen Kohorte mit Barock-Violine und -Bogen winkende Biondi offensichtlich ebenso wie Sängerinnen, die sich mit gutem Willen, aber ungeeigneten Stimmwerkzeugen durch Kastratenpartien arbeiten - in einem für diese Musik viel zu großen Saal. Unfreiwillig exotisch wirkt z.B. die Mezzosopranistin Brummelsstroete in der Rolle des blutrünstigen Tamerlan:
Die Pflege von Barockmusik war schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als sie einen neuen Anlauf nahm, in erster Linie keine musikalische Frage, sondern eine des Prestiges. Inzwischen wurde das Terrain kräftig verbreitert und demokratisiert. Das spiegelt sich bei den Wiener Resonanzen im Foyer: dort hat sich ein bunter Bazar etabliert. Altblock- und Traversflöten in allen erdenklichen Ausführungen werden ebenso gehandelt wie Dreh-, Kasten- und Berchtesgadener Leiern oder Dudelsäcke und diatonische Tischharfen. In Ahorn oder Fichte.
Periodisch meldet sich das Bedürfnis, die herkömmliche Form des Konzerts als Frontalunterricht in Frage zu stellen, zu erweitern oder sogar ganz in neue Kommunikationsformen zu überführen. Der mit Fremden, Ketzern und Rebellen kokettierende Titel der Wiener Veranstaltungsreihe legte nahe, dass deren Denken und Handeln in irgend einer Weise vergegenwärtigt und eine neue Vermittlungsform versucht wird. Gerade das aber unterbleibt - und mit System. Denn es gehört zu den konservativen kulturellen Strategien, Themen oberflächlich vorzuführen, um sie für erledigt erklären zu können. Die Österreicher sind alpine Meister in der Anwendung dieser Kunst.
Zehn Jahre nach dem erfolgreichen Francesco Gasparini und nach Georg Friedrich Händel setzte auch Vivaldi die Geschichte vom Mongolen-Herrscher Timur i-Läng in Musik, der den gesamten Orient militärisch aufmischte und allemal vor den Toren der von ihm eroberten Städte Türme aus den Köpfen der enthaupteten Feinde errichten ließ (Rembrandt hat ihn in voller Aktion gemalt). Die Liebesintrige, mit der er seine Verlobte Irene gegen Asteria, die Tochter des von ihm gefangenen Sultans Bajasid auswechseln möchte, schlägt ihm allerdings nicht zum Segen aus. Die Frauen erweisen sich als zäher - und die aus Alaska stammende Sopranistin Vivica Genaux stellt dies auch musikalisch rasant unter Beweis.
Der sizilianische Geiger Fabio Biondi gehört seit Jahren zu jenen Spezialisten der vorklassischen Musik, die eigene historische Recherchen mit umtriebigen praktischen Aktivitäten in einem musikalischen Marktsegment verbinden, das im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts noch einmal stattliche Zuwachsraten verbuchen konnte. Biondi gründete zu diesem Zweck das Ensemble Europa Galante, das auf seine Weise die Annäherung an den "Originalklang" sucht.
Nun hat es mit dem "Original" des "Bajazet" seine besondere Bewandtnis: die Musik dieses Pasticcios ist ein Kompilat aus anderen Vivaldi- Arbeiten - und zudem fehlen einige strategisch wichtige Arien ganz. Fabio Biondi bearbeitete nicht nur den Text, sondern ergänzte auch die verschollenen Teile durch Parodien. Dieses Klonen ist weniger als Sakrileg denn als eine musikalisch praktikable Form der Rekonstruktion anzusehen - dennoch, und dies ist bezeichnend für die ganze Branche, spielt die Frage der Authentizität solcher Musik für die andächtig in sie und ihr Programmbuch vertieften Tausendschaften keine gravierende Rolle, wenn nur der Stallgeruch des musikalischen Historismus einigermaßen vertraut ist. Den verströmen der vor seiner kleinen Kohorte mit Barock-Violine und -Bogen winkende Biondi offensichtlich ebenso wie Sängerinnen, die sich mit gutem Willen, aber ungeeigneten Stimmwerkzeugen durch Kastratenpartien arbeiten - in einem für diese Musik viel zu großen Saal. Unfreiwillig exotisch wirkt z.B. die Mezzosopranistin Brummelsstroete in der Rolle des blutrünstigen Tamerlan:
Die Pflege von Barockmusik war schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als sie einen neuen Anlauf nahm, in erster Linie keine musikalische Frage, sondern eine des Prestiges. Inzwischen wurde das Terrain kräftig verbreitert und demokratisiert. Das spiegelt sich bei den Wiener Resonanzen im Foyer: dort hat sich ein bunter Bazar etabliert. Altblock- und Traversflöten in allen erdenklichen Ausführungen werden ebenso gehandelt wie Dreh-, Kasten- und Berchtesgadener Leiern oder Dudelsäcke und diatonische Tischharfen. In Ahorn oder Fichte.
Periodisch meldet sich das Bedürfnis, die herkömmliche Form des Konzerts als Frontalunterricht in Frage zu stellen, zu erweitern oder sogar ganz in neue Kommunikationsformen zu überführen. Der mit Fremden, Ketzern und Rebellen kokettierende Titel der Wiener Veranstaltungsreihe legte nahe, dass deren Denken und Handeln in irgend einer Weise vergegenwärtigt und eine neue Vermittlungsform versucht wird. Gerade das aber unterbleibt - und mit System. Denn es gehört zu den konservativen kulturellen Strategien, Themen oberflächlich vorzuführen, um sie für erledigt erklären zu können. Die Österreicher sind alpine Meister in der Anwendung dieser Kunst.