Montag, 29. April 2024

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Das Ganze statt der Teile

Entfremdung und ein Zerfall der Gesellschaft werden zunehmend konstatiert, epochale Umbrüche weltweit vorausgesagt, Ängste und Hilflosigkeit diagnostiziert: Aber kaum jemand gibt Anregungen für eine neue innere Einstellung und Haltung.

Autor: Bernardin Schellenberger | 22.11.2008
    Bernardin Schellenberger nennt das, woran es mangelt, eine neue Spiritualität, eine bestimmte Weise, auf die gesamte Wirklichkeit zuzugehen und sie wahrzunehmen. Bei seiner Suche nach Inspiration für diese neue innere Haltung fragt er bei fernöstlichem Denken und den Naturwissenschaften an, aber auch bei der abendländisch-christlichen Tradition. Die Grundlinien, die er aus seinen spirituellen Expeditionen ableitet, liegen vor jeder Religion, jedem Glauben, jeder Weltanschauung.


    Wer den Mut hat, sich auf einen solchen Weg zu begeben, dem sind Begegnungen mit kostbaren Erfahrungen und Einsichten aller Religionen und Kulturen möglich.

    Die Homepage von Bernardin Schellenberger

    Bernardin Schellenberger: Seit November 1998 lebe ich in Stuttgart als freier Schriftsteller und literarischer Übersetzer, schreibe und übersetze aber schon seit über 25 Jahren. Alle Themen und Inhalte, mit denen ich mich beschäftige, sind stark von meiner Biographie geprägt, denn ich war 18 Jahre Mönch, 9 Jahre Seelsorger in einer Gemeinde und 8 Jahre Hausmann. Ich habe mich auch intensiv mit der Heimatkunde der Gegend befasst, in der ich von 1981 bis 1998 lebte und darüber einiges veröffentlicht. Außerdem teilte ich seit 1988 öfter längere Zeit das Alltagsleben der Kleinbauern im afrikanischen Togo, woraus die Togohilfe entstanden ist, eine Hilfsorganisation, die mir sehr am Herzen liegt.



    "Fragt man nach den Inspirationen für eine Spiritualität an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, so bieten sich meiner Meinung nach im Wesentlichen vor allem drei Quellen an: die abendländisch-christliche Tradition, das fernöstliche Denken und die moderne Naturwissenschaft. Aus dem Dialog dieser drei Instanzen scheint sich mir eine Art "Grund-Spiritualität" abzuzeichnen. Diese Spiritualität ist nicht bloß zufällig, exotisch oder sektiererisch-eng, die ist nicht verschwommen-konkret und sie ist offen dafür, durch die jeweilige individuelle Religiosität und Überzeugung mit Details, Farbe und Leben ausgefüllt zu werden." (Bernardin Schellenberger)



    "Versteht man den Begriff "Spiritualität" in einem sehr weiten Sinn, dann ist damit gemeint eine innere Einstellung und Haltung, eine bestimmte Weise, auf die gesamte Wirklichkeit zuzugehen und sie wahrzunehmen. Die herkömmliche Einstellung und Haltung der Wirklichkeitserfassung, so bin ich überzeugt, muss heute neu justiert werden, um die Herausforderungen der Zeit und der Zukunft gewachsen zu sein. Es geht dabei um einige grundsätzliche Veränderungen der Perspektive, die einen in den Stand versetzen könnten, auch den eigenen Umgang mit Welt und Wirklichkeit zu verändern. Niemand kann es sich länger leisten, von einzelnen Teilen her die Welt zu beurteilen und von Teil-Interessen her Lösungen für all die Probleme zu suchen, die sich heute in globalem Maßstab stellen; ein Grundtenor einer neuen Spiritualität hieße also: Das Ganze statt der Teile!" (Bernardin Schellenberger)

    Novembertext - von Bernardin Schellenberger

    Der November ist angebrochen, die Zeit der kalten, feuchten Nebeltage. Womöglich werden wir ihn dieses Jahr als besonders mühsam empfinden, sind wir doch verwöhnt worden von einem ungewöhnlich langen, heißen Sommer.

    "Der Sommer war sehr groß." So heißt es in einem Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke. Es lautet:
    Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren lass die Winde los.
    Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
    gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.
    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

    So weit das Gedicht.

    Vor die Feststellung: "Der Sommer war sehr groß" setzte der Dichter die eigenartige Anrede: "Herr: es ist Zeit." Zeit wozu? Es folgen sechs Imperative von Verben, die Heftigkeit und Eile anzeigen:

    Leg - lass - befiehl - gib - dränge - jage.
    Das sind Aufforderungen nicht an die Menschen, sondern an den Herrn der Natur. Fülle, Vollendung und Süße bringt offenbar der Sommer nicht allein zustande, und der Mensch erst recht nicht.

    "Der Sommer war sehr groß". Er war ausreichend lange, die Bedingungen waren bestens - aber es fehlt noch ein Anschub besonderer Art, es fehlen "noch zwei südlichere Tage"; es fehlt im Quantitativen jenes Unverfügbare, das alles in eine neue Qualität versetzen würde, damit es ganz wäre, vollkommen. Nie reicht der Sommer aus - auch nicht, wenn er "sehr groß" war.

    Was kann dazu der Mensch beitragen? Davon spricht Rilke abrupt im letzten Vers, ja sagt es warnend.

    "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr."

    Im Sommer des Lebens sollte er sich ein durchlässiges Gehäuse geschaffen, sollte es gelernt haben, ganz bei sich und dennoch nicht allein zu wohnen.

    Auch zur Vollendung dieses Hauses werden immer noch zwei Tage fehlen. Darum bleibt auch der Geborgenste ein Stück allein. Und wandert unruhig durch sein Leben. Wohl dem, der nicht für immer ganz rastlos durch sein Leben hastet; der wenigstens noch wachen, lesen, lange Briefe schreiben kann und langsam durch Alleen wandert, wenn die welken Blätter rascheln. Wer weiß, vielleicht findet er in seinen letzten beiden Tagen doch noch heim ins Haus.

    Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren lass die Winde los.
    Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
    gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.
    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


    Bücher von Bernardin Schellenberger

    Wege der Sehnsucht: Zum spirituellen Leben heute
    Verlag Herder/Spektrum, Februar 2004, 144 S.
    Voraussichtliches Inhaltsverzeichnis:
    Anlauf Erfahrung ist alles ¦ alles ist Erfahrung
    1. Vorlauf "Glück aus dem Körper": Narziss im Fitness-Studio
    2. Vorlauf "Ich telefoniere, also bin ich": Adam und Eva mit dem Handy
    Hauptlauf, 1. Teil Wie die Spiritualität komplizierter geht, als man denkt
    Hauptlauf, 2. Teil Wie die Spiritualität weniger kompliziert geht, als gedacht
    Ziellauf Der Gott des ground zero und der Gott am Kreuz
    Ich bin es, der mit dir redet
    Die Botschaft des Johannesevangeliums.
    2008 2008 Herder, Freiburg
    Der bekannte geistliche Autor Bernardin Schellenberger erschließt in 40 ausgewählten Abschnitten die Botschaft des Johannesevangeliums für unsere Zeit. Lebendig und aktuell tritt aus den Texten der über die Jahrhunderte hinweg zugleich begeisternde wie provozierende Anspruch Jesu im Johannesevangelium entgegen: In seiner Person allem zu begegnen, was Menschen je an Erlösung und Heil erwarten können. Verständlich, lebensnah und ökumenisch einsetzbar: für die persönliche Lektüre, das Bibelgespräch, die Bibelkatechese.
    Bernardin Schellenberger
    Entdecke, dass du glücklich bist
    Die Seligpreisungen der Bergpredigt.
    2006 Echter
    Die Bergpredigt Jesu ist zweifellos einer der kostbarsten Texte der religiösen Literatur. Eine besondere Kostbarkeit darin sind die sogenannten Seligpreisungen. Aber dieser Text bereitet auch besonders viel Kopfzerbrechen, weil er ein Ideal zu zeichnen scheint, das die Menschen hoffnungslos überfordert und für den Alltag so gut wie unbrauchbar ist. Demgegenüber erschließt Bernardin Schellenberger die Seligpreisungen als Beschreibungen, die uns selbst und die Welt mit neuen Augen sehen lassen: Wir leben bereits in der Wirklichkeit, die da beschrieben wird. Alles Wesentliche ist uns schon geschenkt. Wir sind nur noch blind dafür. In diesem Sinne sind die Seligpreisungen Zusagen neuer Lebensmöglichkeiten, die uns elektrisieren und aktivieren können.
    Wege der Sehnsucht:
    Zum spirituellen Leben heute

    2004 Verlag Herder/Spektrum

    Gehimmelt und geerdet: Atemlesungen für spirituell Suchende
    Zusammengestellt, herausgegeben und mit einem Vorwort von Irmintraud F. Eckard
    Echter Verlag Würzburg, Frühjahr 2004, 148 S.
    Eine in 12 Kapitel eingeteilte Auswahl kurzer, prägnanter Texte aus allen meinen Veröffentlichung der letzten 30 Jahre.
    Feiertage einmal anders betrachtet
    von Hoeren, Jürgen; Kuschel, Karl-Josef; Schellenberger, Bernardin; Protokoll dreier einstündiger Gespräche mit Prof. Dr. Karl Josef Kuschel, Tübingen in SWR 2 Forum, moderiert von Jürgen Hoeren, über Weihnachten, Ostern und Pfingsten, für die Buchausgabe gründlich überarbeitet.
    2004 Echter

    Erhältlich:
    Worte aus der Wüste
    herausgegeben und mit einer Einführung von Michael Albus und Bernardin Schellenberger, illustriert
    Kreuz Verlag Stuttgart 2003, 96 S.
    52 inspirierende Worte der Wüstenväter aus der Sammlung der "Apophthegmata", neu aus dem Griechischen übersetzt und lediglich mit einem thematischen Wort versehen - ein grafisch sehr ansprechend gestaltetes Buch, nicht nur als Geschenkbuch geeignet, sondern auch als persönlicher Begleiter.
    Jelaladin Rumi, Tanz meiner Seele: Mystische Texte
    ausgewählt und neu aus dem Englischen übersetzt sowie mit einer kurzen Biografie Rumis
    Kreuz Verlag Stuttgart 2003, 96 S., EUR 12.90
    Kürzere, nach 9 Themen geordnete Texte aus dem poetischen Werk eines der bekanntesten islamischen Mystiker (1207-1273), die sich thematisch und inhaltlich fast nicht von entsprechenden christlichen Texten unterscheiden.
    Khalil Gibran, Das Lied in meinem Herzen
    Ein Geschenkbuch mit kurzen Texten Gibrans zu 20 farbigen Bildern von August Macke
    Kreuz Verlag Stuttgart 2003, 48 S., EUR 9.95
    Ein schöner Bildband, bei dem der poetische Text und die farbkräftigen Bilder aus Tunis
    verblüffend gut zusammenpassen.
    Advent: Ein spirituelles Abenteuer
    Echter Verlag Würzburg 2002, 111 S., EUR 12.80
    In diesem Buch biete ich einen Grundkurs in christlicher Spiritualität an, der - entgegen dem Titel - nicht nur im Advent, sondern zu jeder Jahreszeit verwendet werden kann. In leichter, vorwiegend erzählender Sprache - um auch kaum kirchlich und traditionell erfahrene Leser/innen anzusprechen - führe ich durch 24 Tages-Einheiten, die jeweils mit einem Impuls zum Nachdenken schließen. Neben der Erschließung der Kostbarkeiten der christlichen spirituellen Tradition liegt mir angesichts bestimmter modischer Tendenzen zur "Wohlfühl-Spiritualität" an der Klarheit der Gedanken und einer nüchternen Unterscheidung.

    Zwischen Rechberg und Staufen: Ottenbach und das Tal der Höfe
    Anton H. Konrad Verlag Weißenhorn 2002, 328 S., EUR 30.-
    Die Frucht einer mehrjährigen heimatkundlichen Forschungsarbeit: Die Siedlungsgeschichte von 84 Höfen um den Hohenstaufen, die heute zum Teil in der Stadt Ottenbach und ihrem Weiler Kitzen, aber zum größten Teil als Einzelhöfe im Tal verstreut liegen. Den Hauptteil bildet die Darstellung der Geschichte und Besitzerfolge der einzelnen Höfe, deren älteste sich 915 erstmals erwähnt finden, aber ausführlich werden auch die Verhältnisse und die Dorforganisation im Mittelalter, das Lehnswesen, die Zeitläufte und Schicksalsschläge im Tal durch die Jahrhunderte dargestellt.


    Khalil Gibran, Wenn du liebst, dringst du ans Licht. Lebensweisheiten
    ausgewählt und neu aus dem amerikanischen Englisch übersetzt
    sowie mit einer kurzen Biografie Gibrans
    Kreuz Verlag Stuttgart 2002, 95 S., EUR 12.90
    Kürzere, nach 10 Themen geordnete Texte eines der berühmtesten und beliebtesten spirituellen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts (1883-1931).

    Der Zauber des Alltäglichen
    (mit Michael Albus)
    Kreuz Verlag Stuttgart 2001, 136 S., EUR 12.90
    Man kann durch die Welt so gehen, als wundere einen überhaupt nichts, oder so, als sei alles ein Wunder. Zusammen mit meinem Freund Michael Albus habe ich Letzteres getan, und anschließend hat jeder von uns mit leichter Feder 25 hintersinnig-humorvolle Meditationen über 50 Alltagsgegenstände geschrieben, etwa über Anrufbeantworter, Bett, Creme, Dusche, Flasche, Handtuch, Kochtopf usw., alles Dinge, die man meistens nicht besonders beachtet, die jedoch bei genauerem Hinsehen verblüffende Einsichten auslösen. Eignet sich auch gut als Geschenkbuch.

    So lebten unsere Vorfahren: Die Geschichte von Winzingen und Umgebung I
    Chronikkunst-Verlag Grob Winzingen 1995, 420 S., ca. EUR 30.-
    Das Ergebnis 10-jähriger Archivarbeiten über die Geschichte des Dorfes, in dem ich von 1981 bis 1991 gelebt habe: Von den Anfängen bis 1736. In dem alten 250-Seelen-Dorf (heute knapp 2000 Einwohner) spiegelt sich ein Jahrtausend mitteleuropäischer Geschichte. Namentlich ab ca. 1600 lassen sich anschauliche Bilder des Alltagslebens nachzeichnen. Die wahre Geschichte des legendären "Dorftyrannen" Baron von Roth (1607-1621) konnte ich dank der Auffindung von 1000 Mskr.-Seiten seiner Korrespondenz völlig neu schreiben. Ausführlich entsteht auch das Porträt der Dorfherren aus dem Geschlecht deren von Bubenhofen. Außerdem enthält das Buch eine ausführliche Hofgeschichte und die kompletten Stammbäume aller Familien des Dorfes von 1621 bis 1935.
    Ein zweiter Band für die Zeit von 1736-1975 ist zu 2/3 im Mskr. fertig; ich kann ihn hoffentlich in absehbarer Zeit fertig stellen.
    Das Buch ist zu beziehen über: Ortsverwaltung 73072 Donzdorf-Winzingen

    Der Weg der Liebe: Aus der geistlichen Lehre des Bernhard von Clairvaux
    St. Benno Verlag Leipzig 1990, 295 S., EUR 9.90
    Nach 30 Seiten Einführung in Geschichte und Werk Bernhards folgen drei ganze, von mir komplett neu übersetzte Werke Bernhards, denen ich jeweils eine eigene Einführung vorangestellt habe: "Von den Stufen der Demut und des Stolzes", "Predigt über die Bekehrung" und "Über die Gottesliebe".

    Gotteserfahrung und Weg in die Welt: Bernhard von Clairvaux
    Walter Verlag Olten und Freiburg i. Br. 1982, 255 S.
    Neuauflage als:
    Bernhard von Clairvaux: Rückkehr zu Gott
    Patmos Verlag Düsseldorf 2001, 254 S., EUR 19.90
    Voran geht auf 60 Seiten eine systematische, an unseren aktuellen Fragen orientierte Einführung in die spirituelle Lehre Bernhards. Dann folgen längere Auszüge aus seinen schönsten Texten, namentlich seinen Hoheliedpredigten und Traktaten.
    Einübung ins Spielen
    Münsterschwarzacher Kleinschriften Band 12
    Vier-Türme-Verlag Münsterschwarzach 1980, 50 S., EUR 5.40
    Dieser Text ist aus dem Manuskript der Exerzitien entstanden, die ich im Herbst 1974 meinem ersten Novizen im Kloster zur Einkleidung hielt, in Anlehnung an Jürgen Moltmanns Schrift "Die ersten Freigelassenen der Schöpfung". Es sind theologische Betrachtungen über eine neue, erlöste Lebensart, in der neue Spielregeln gelten, die Christus als "Vor-Spieler" eingeführt hat.
    Weitere Buchveröffentlichungen siehe die Homepage von Bernardin Schellenberger