Ein kräftiger Mann im leichten Sommerhemd sitzt unter dem Segeldach vom Sony Center am Potsdamer Platz. Hinter ihm plätschert ein Brunnen. Aus unsichtbaren Lautsprechern wabert ruhige Yogamusik. Er blickt den Touristen nach. Sie tragen bunte Einkaufstaschen durch den Innenhof und trinken dabei Milchkaffee aus Pappbechern.
"Ich bin momentan in einer sogenannten MAE beschäftigt. MAE steht für Mehraufwandsentschädigung. Und salopp deutsch heißt das Ein-Euro-Fünfzig Job."
Der Mann soll in dieser Geschichte Torsten Teicke heißen. Seinen echten Namen will der Berliner nicht nennen. Schließlich hat er mit seinem Arbeitgeber, einem Berliner Bezirksamt, das ihn seit Kurzem 30 Stunden im Monat für 180 Euro beschäftigt, Stillschweigen über die Arbeitsbedingungen vereinbart. Er leitet unter anderem eine Jogginggruppe, der sich bislang allerdings niemand aus dem Stadtbezirk angeschlossen hat. Also läuft Torsten Teicke jeden Morgen allein durch den Park.
"Ein-Euro-Jobs sind Instrumente, um die Leute irgendwie am Arbeitsmarkt zu halten."
… sagt Klaus Brenke. Er ist Arbeitsmarktexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
"Die Ein-Euro-Jobs bewirken, dass die Arbeitsfähigkeit der Leute erhalten bleibt. Das heißt, dass die Leute sich daran gewöhnen, morgens zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzustehen, eine Zeit lang zu arbeiten und einen Tagesrhythmus zu bekommen."
Arbeitszeiten, Kollegen, einen Chef. Bei Ein-Euro-Jobs geht es nicht um Lohnarbeit, sondern um Beschäftigung, Qualifikation und das Gefühl von Arbeit im Idealfall. Bei Torsten Teicke kommt dieses Gefühl nur gar nicht auf. Der 54-Jährige hat viele Jahre als Sachbearbeiter gearbeitet. Seit fast zehn Jahren ist er arbeitslos. Umziehen will er nicht. Die Leitung der nichtvorhandenen Laufgruppe ist die dritte Maßnahme, die ihm das Jobcenter per Post vermittelt hat. Er empfindet seine Tätigkeit als sinnlos.
"Ich könnte selber für mich so viele sinnvolle Dinge machen und meine Zeit ausfüllen, ich brauche den Ein-Euro-Fünfzig-Job dafür nicht."
4.909.513 Menschen haben im August 2009 Hartz IV in Deutschland bezogen. 287.000 Tausend waren in Ein-Euro-Jobs beschäftigt. Sie erhalten den Regelsatz, in Berlin 358 Euro, können bis zu 180 Euro im Monat dazuverdienen und sind erst einmal raus aus der Arbeitslosenstatistik. So wie Torsten Teicke. Diese 180 Euro mehr jeden Monat sind seine Motivation, um jeden Morgen wieder allein durch den Park zu laufen.
"Beim normalen Hartz-IV-Satz, da nimmt man am normalen Leben kaum noch teil, weil man wirklich jeden Cent zweimal umdrehen muss, und wenn man solch einen Zuverdienst hat, ist das genau der kleine Unterschied, um auch mal ins Kino zu gehen oder so. Insofern lohnt sich das."
Bessere Chancen für den "ersten" Arbeitsmarkt rechnet er sich durch seine derzeitige Beschäftigung nicht aus. Für ihn und viele andere gibt es einfach keine richtige Arbeit mehr, sagt der Berliner. Und in der Tat findet sich auch unter einigen Arbeitsmarktexperten die Ansicht wieder, dass ein gewisser Teil von Langzeitarbeitslosen nicht mehr in Lohnarbeit zu bringen ist. Plausible Zahlen gibt es nicht. Ob Torsten Teicke dazugehört, will Klaus Brenke nicht bewerten. Sowieso will er der These, dass für einen bestimmten Teil der Gesellschaft keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt besteht, nicht folgen.
"Die zentrale Frage ist, was sind das für Jobs? Sind das Jobs, die die Gesellschaft braucht, dann kann der Staat sie auch zu regulären Jobs machen. Werden sie nicht gebraucht, dann ist das Beschäftigungstherapie und man kann auch darauf verzichten."
Dabei gibt es durchaus zusätzliche Beschäftigung, vor allem im sozialen und pädagogischen Bereich, die zwar nicht produktiv aber sinnvoll ist. Torsten Teicke hat auch das erlebt.
"Ich hab Schulhelfer gemacht. Ich hab die Lehrer ein bisschen unterstützt bei der Aufsicht, als Ansprechpartner für die Kinder, Dinge die anfielen innerhalb des Schulalltages. Schulausflüge. Das war eine sehr schöne Tätigkeit, wo auch so viel rüber kam von den Lehrern, von den Kindern, dass man sagen muss, das ist wirklich eine sinnvolle Beschäftigung gewesen."
Das gute Gefühl, das Gefühl gebraucht zu werden, war schnell wieder verpufft. Denn Mehraufwandsentschädigungen – die sogenannten Ein-Euro-Jobs, können laut Gesetz maximal auf ein Jahr verlängert werden. Muss eine Gesellschaft also möglicherweise über unbefristete Ein-Euro-Jobs neben der Lohnarbeit nachdenken, um denen ohne Aussicht auf einen sozialversicherungspflichtigen Job wenigstens ein Gefühl von Arbeit zu geben?
"Natürlich geht es den Leuten darum, ein Gefühl von Arbeit zu vermitteln, aber es wäre Ihnen mehr geholfen, wenn sie statt in einem Ein-Euro-Job einen Umzug machen würden für eine Berliner Bezirksverwaltung, das für eine reguläre Firma machen würden, dann hätten sie nämlich das Gefühl, dass sie auf dem Markt gefragt sind."
Auch Andy Wolf kennt das Problem. Er kümmert sich seit drei Jahren um Ein-Euro-Jobber, die in der Regenbogenfabrik, einem gemeinnützigen Verein in Berlin Kreuzberg, arbeiten. Von 60 Mitarbeitern im Verein, der in einem einst besetzten Haus eine Tischlerei, eine Fahrradwerkstatt, eine Jugendherberge und eine Töpferwerkstatt betreibt, arbeiten zehn in einem Ein-Euro-Job.
"Wir haben ein Kinderatelier, wo Kinder und Schulklassen töpfern können. Aber die Kindergruppen haben nicht viel Geld. Wir kriegen nicht einmal die Betriebskosten rein. Wir haben nicht das Geld, um diese Arbeit zu bezahlen."
Für die handwerkliche Anleitung der Kinder braucht Andy Wolf also freiwillige Helfer oder Ein-Euro-Jobber. Der Ansturm ist groß. Hartz-IV-Empfänger werden über das Jobcenter und dazwischen geschaltete private Vermittlungsagenturen zu ihm geschickt, viele seien für die Arbeit mit Kindern allerdings überhaupt nicht geeignet. Dann bleibt Frustration statt ein gutes Gefühl.
Torsten Teicke wird weiter joggen, weiter machen in seiner Ein-Euro-Job Karriere. Denn der Besuch im Multiplex-Kino am Potsdamer Platz wäre ohne den Zuverdienst nicht drin. Und vielleicht kommt das Gefühl von Arbeit ja bei der nächsten geförderten Beschäftigung sogar wieder auf.
"Ich bin momentan in einer sogenannten MAE beschäftigt. MAE steht für Mehraufwandsentschädigung. Und salopp deutsch heißt das Ein-Euro-Fünfzig Job."
Der Mann soll in dieser Geschichte Torsten Teicke heißen. Seinen echten Namen will der Berliner nicht nennen. Schließlich hat er mit seinem Arbeitgeber, einem Berliner Bezirksamt, das ihn seit Kurzem 30 Stunden im Monat für 180 Euro beschäftigt, Stillschweigen über die Arbeitsbedingungen vereinbart. Er leitet unter anderem eine Jogginggruppe, der sich bislang allerdings niemand aus dem Stadtbezirk angeschlossen hat. Also läuft Torsten Teicke jeden Morgen allein durch den Park.
"Ein-Euro-Jobs sind Instrumente, um die Leute irgendwie am Arbeitsmarkt zu halten."
… sagt Klaus Brenke. Er ist Arbeitsmarktexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
"Die Ein-Euro-Jobs bewirken, dass die Arbeitsfähigkeit der Leute erhalten bleibt. Das heißt, dass die Leute sich daran gewöhnen, morgens zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzustehen, eine Zeit lang zu arbeiten und einen Tagesrhythmus zu bekommen."
Arbeitszeiten, Kollegen, einen Chef. Bei Ein-Euro-Jobs geht es nicht um Lohnarbeit, sondern um Beschäftigung, Qualifikation und das Gefühl von Arbeit im Idealfall. Bei Torsten Teicke kommt dieses Gefühl nur gar nicht auf. Der 54-Jährige hat viele Jahre als Sachbearbeiter gearbeitet. Seit fast zehn Jahren ist er arbeitslos. Umziehen will er nicht. Die Leitung der nichtvorhandenen Laufgruppe ist die dritte Maßnahme, die ihm das Jobcenter per Post vermittelt hat. Er empfindet seine Tätigkeit als sinnlos.
"Ich könnte selber für mich so viele sinnvolle Dinge machen und meine Zeit ausfüllen, ich brauche den Ein-Euro-Fünfzig-Job dafür nicht."
4.909.513 Menschen haben im August 2009 Hartz IV in Deutschland bezogen. 287.000 Tausend waren in Ein-Euro-Jobs beschäftigt. Sie erhalten den Regelsatz, in Berlin 358 Euro, können bis zu 180 Euro im Monat dazuverdienen und sind erst einmal raus aus der Arbeitslosenstatistik. So wie Torsten Teicke. Diese 180 Euro mehr jeden Monat sind seine Motivation, um jeden Morgen wieder allein durch den Park zu laufen.
"Beim normalen Hartz-IV-Satz, da nimmt man am normalen Leben kaum noch teil, weil man wirklich jeden Cent zweimal umdrehen muss, und wenn man solch einen Zuverdienst hat, ist das genau der kleine Unterschied, um auch mal ins Kino zu gehen oder so. Insofern lohnt sich das."
Bessere Chancen für den "ersten" Arbeitsmarkt rechnet er sich durch seine derzeitige Beschäftigung nicht aus. Für ihn und viele andere gibt es einfach keine richtige Arbeit mehr, sagt der Berliner. Und in der Tat findet sich auch unter einigen Arbeitsmarktexperten die Ansicht wieder, dass ein gewisser Teil von Langzeitarbeitslosen nicht mehr in Lohnarbeit zu bringen ist. Plausible Zahlen gibt es nicht. Ob Torsten Teicke dazugehört, will Klaus Brenke nicht bewerten. Sowieso will er der These, dass für einen bestimmten Teil der Gesellschaft keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt besteht, nicht folgen.
"Die zentrale Frage ist, was sind das für Jobs? Sind das Jobs, die die Gesellschaft braucht, dann kann der Staat sie auch zu regulären Jobs machen. Werden sie nicht gebraucht, dann ist das Beschäftigungstherapie und man kann auch darauf verzichten."
Dabei gibt es durchaus zusätzliche Beschäftigung, vor allem im sozialen und pädagogischen Bereich, die zwar nicht produktiv aber sinnvoll ist. Torsten Teicke hat auch das erlebt.
"Ich hab Schulhelfer gemacht. Ich hab die Lehrer ein bisschen unterstützt bei der Aufsicht, als Ansprechpartner für die Kinder, Dinge die anfielen innerhalb des Schulalltages. Schulausflüge. Das war eine sehr schöne Tätigkeit, wo auch so viel rüber kam von den Lehrern, von den Kindern, dass man sagen muss, das ist wirklich eine sinnvolle Beschäftigung gewesen."
Das gute Gefühl, das Gefühl gebraucht zu werden, war schnell wieder verpufft. Denn Mehraufwandsentschädigungen – die sogenannten Ein-Euro-Jobs, können laut Gesetz maximal auf ein Jahr verlängert werden. Muss eine Gesellschaft also möglicherweise über unbefristete Ein-Euro-Jobs neben der Lohnarbeit nachdenken, um denen ohne Aussicht auf einen sozialversicherungspflichtigen Job wenigstens ein Gefühl von Arbeit zu geben?
"Natürlich geht es den Leuten darum, ein Gefühl von Arbeit zu vermitteln, aber es wäre Ihnen mehr geholfen, wenn sie statt in einem Ein-Euro-Job einen Umzug machen würden für eine Berliner Bezirksverwaltung, das für eine reguläre Firma machen würden, dann hätten sie nämlich das Gefühl, dass sie auf dem Markt gefragt sind."
Auch Andy Wolf kennt das Problem. Er kümmert sich seit drei Jahren um Ein-Euro-Jobber, die in der Regenbogenfabrik, einem gemeinnützigen Verein in Berlin Kreuzberg, arbeiten. Von 60 Mitarbeitern im Verein, der in einem einst besetzten Haus eine Tischlerei, eine Fahrradwerkstatt, eine Jugendherberge und eine Töpferwerkstatt betreibt, arbeiten zehn in einem Ein-Euro-Job.
"Wir haben ein Kinderatelier, wo Kinder und Schulklassen töpfern können. Aber die Kindergruppen haben nicht viel Geld. Wir kriegen nicht einmal die Betriebskosten rein. Wir haben nicht das Geld, um diese Arbeit zu bezahlen."
Für die handwerkliche Anleitung der Kinder braucht Andy Wolf also freiwillige Helfer oder Ein-Euro-Jobber. Der Ansturm ist groß. Hartz-IV-Empfänger werden über das Jobcenter und dazwischen geschaltete private Vermittlungsagenturen zu ihm geschickt, viele seien für die Arbeit mit Kindern allerdings überhaupt nicht geeignet. Dann bleibt Frustration statt ein gutes Gefühl.
Torsten Teicke wird weiter joggen, weiter machen in seiner Ein-Euro-Job Karriere. Denn der Besuch im Multiplex-Kino am Potsdamer Platz wäre ohne den Zuverdienst nicht drin. Und vielleicht kommt das Gefühl von Arbeit ja bei der nächsten geförderten Beschäftigung sogar wieder auf.