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Das gefühlte Riesenteleskop

Astronomie. - Je größer ein Teleskop ist, desto schärfer zeigt es das Geschehen im All. Weil sich Teleskope nicht beliebig groß bauen lassen, greifen die Astronomen zu einem Trick: Sie schalten entfernte Teleskope einfach zusammen – und simulieren damit viel größere Instrumente. Auf diese Weise erkennen die Forscher jetzt bei Sternen erstaunliche Details.

Von Dirk Lorenzen |
    Nein, Roberto Gilmozzis Teleskop hat nicht 100 Meter Durchmesser – aber seine Instrumente auf dem Berg Paranal in der Atacama-Wüste Chiles sehen so scharf, als wären sie ein 100 Meter-Teleskop. Interferometrie lautet das Zauberwort. Die Lichtwellen der Sterne werden gleichzeitig mit verschiedenen Teleskopen beobachtet – und in einem speziellen Messapparat exakt überlagert.

    Auf diese Weise ließe sich noch ein Objekt von vier Metern Größe auf dem Mond erkennen. Doch der Projektleiter bei der Europäischen Astronomie-Organisation ESO und sein Team nehmen nicht den Mond ins Visier. Mit dem unglaublich scharfen Blick ins All haben die Astronomen den Stern T Leporis beobachtet. Trotz einer Entfernung von 500 Lichtjahren sehen die Forscher dank der Interferometrie erstaunliche Details:

    "Wir haben jetzt den Durchmesser dieses Sterns vermessen und auch seine Hülle beobachtet, die aus Material besteht, das der Stern hinaus ins All pustet. T Leporis ist ein alter aufgeblähter Stern, fast so groß wie der Durchmesser der Erdbahn. Der Stern pulsiert mit einer Periode von etwa einem Jahr und wird dabei mal größer, mal etwas kleiner. Er verliert Jahr für Jahr etwa so viel Materie wie der Masse der Erde entspricht. In den Außenschichten des Sterns entstehen Staubteilchen und Moleküle, die sich im All verteilen und früher oder später Teil neuer Sonnensysteme werden."

    Erstmals können Roberto Gilmozzi und seine Kollegen wirklich zusehen, wie ein alter Stern Material hinaus ins All pustet – und so den Rohstoff für die nächste Generation von Sternen und Planeten liefert. Die Interferometrie, das Zusammenschalten verschiedener Teleskope, ist jetzt aus dem Experimentierstadium heraus. Vier 8-Meter-Teleskope und vier 2-Meter-"Hilfsteleskope" stehen auf der Paranal-Sternwarte. Sie lassen sich fast beliebig kombinieren – und liefern so superscharfe Bilder von den Vorgängen im Kosmos. Die Forscher müssen sich nun an den Gedanken gewöhnen, dass Sterne nicht mehr ferne Punkte sind...

    "Nur noch sehr wenige Sterne sind für uns wirklich Punkte. Die müssen dann schon sehr, sehr weit entfernt sein. Alle, die etwas näher sind, können wir auflösen und im Detail beobachten. Wir untersuchen Form und Verhalten der Sterne. In diesem Punkt ist die Interferometrie sogar besser als die neuen Riesenteleskope, die derzeit in Planung sind. Man kann einfach den Abstand zwischen den Teleskopen erhöhen und sieht dann noch schärfer. Natürlich sammeln wir nicht so viel Licht wie ein Riesenteleskop, aber wir sehen mehr Details. Riesenteleskope und die für die Interferometrie zusammengeschalteten Instrumente ergänzen sich ideal."

    Das Zusammenschalten der Teleskope ist bisher nur bei recht hellen Sternen möglich. Extrem schwache Objekte lassen sich mit der Interferometrie nicht beobachten – noch nicht. Denn das ESO-Team arbeitet bereits daran, dass die Astronomen künftig sehr viel mehr Himmelsobjekte buchstäblich unter die Lupe nehmen:

    "Der nächste Schritt ist "Prima", ein Gerät, das wir gerade auf der Sternwarte testen. Damit können wir dann auch Objekte beobachten, die mehr als 1000mal lichtschwächer sind als das schwächste, was wir heute mit Interferometrie untersuchen können. Dann lassen sich sogar Sterne in anderen Galaxien untersuchen und wir können die Bahnen von Planeten bei fernen Sternen genau vermessen."