Wenn Sie nichts verstanden haben – kein Problem. Das war eben die Wetterprognose für die kommenden sechs Monate. Martin Horat hat sie vorgetragen im harten Dialekt der Innerschweiz.
Mit seinen fünf Kollegen, alle in braunen Westen aus Armeewolldecken und aufgenähtem Schweizerkreuz gekleidet, ist er angetreten oben auf dem Podium. Neben ihm sitzt Kari Hediger, der hofft, dass er diesmal richtig liegt. Denn für die Fasnacht im Februar hatte er Schneefall vorhergesagt. Dann schien strahlend die Sonne. Da war also etwas gewaltig danebengegangen:
"Ja, das Wetter, war da schief gelaufen. Der Ohrengrübler, das ist ein kleines Tier, ein Ohrwurm, den hab ich im Wald gefunden und ich habe gedacht, den könne ich gebrauchen fürs Wetter, oder? Aber im Nachhinein musste ich feststellen, dass der nur eine Klemme hatte hinten. Und wahrscheinlich hab ich dort falsch geschaut, da hat der mir das Wetter falsch angezeigt, Schnee eben. Aber es war ja schön. Aber es war ja auch gut so, oder?"
Hediger gehört zu den Wetterpropheten des Vereins Innerschwyzer Meteorologen. Vor Hunderten Zuschauern und den Kameras des Schweizer Fernsehens geben sie zweimal jährlich ihre Vorhersagen bekannt, im MythenForum des Kantonsortes Schwyz. Jeder im Alpenland kennt sie allerdings nur als "Wätterschmöcker", als die Männer, die das Wetter schmecken und riechen können. Martin Holdener gehört auch zu ihnen. Im Oktober letzten Jahres verkündete er Vielversprechendes für den März. Der werde so warm, dass die "Schneehäschen" jeden Tag weniger anziehen müssten. Damit hatte er zwar die Lacher auf seiner Seite, überprüfen konnte er es aber nicht
"Ich hatte nicht Zeit nachzuschauen. Die Kollegen hatten gesagt, ich sollte mal mitkommen, das hätte sehr schöne Produkte auf den Pisten. Aber meine Frau ließ mich nicht gehen. Sehr schade, ja!"
Überhaupt, das letzte Jahr lief nicht optimal für Hediger und Holdener. In puncto Zuverlässigkeit belegten die beiden nur die letzten Plätze. Dennoch sind sie Stars im Verein der Innerschweizer Meteorologen, der 1947 im nahen Muotatal von zwei Bauern gegründet wurde. Beide stritten im Nachhinein stets darüber, wer denn was wann vorhergesagt hatte oder nicht.
Und so beschlossen sie, ihre Prognosen künftig aufzuschreiben und nachprüfbar zu machen. Seitdem gibt jeder im April und Oktober seine Prognose ab, schwarz auf weiß und vorgetragen in aller Öffentlichkeit. Gut dreieinhalb Tausend Mitglieder hat der Verein inzwischen; und in seinem Olymp sitzt das Orakel - die sechs Wätterschmöcker -, wie Kari Hediger erklärt:
"Ja, das sind komische Kauze da in der Schweiz. Wir sagen das Wetter voraus. Das muss man natürlich im Blut haben. Riechen kann man das manchmal auch. Ich bin erst ein gutes Jahr dabei. Vorletztes Jahr ist einer rausgegangen, da haben sie mich angefragt, ob ich noch Interesse hätte. Hab ich gesagt, wenn sie keinen Schlaueren finden, mach’ ich mit, oder?"
Jeder der Wetterschmöker hat seine eigene Spezialität - und einen Spitznamen: "Wettermissionar" Martin Horat beobachtet die Ameisen, "Tannzapfen" Alois Holdener studiert die Früchte der Nadelbäume; "Steinbockjäger" Karl Reichmuth schaut den Füchsen auf die Pfoten; "Sandstrahler" Peter Suter, mit 85 der Älteste, verfolgt den Wuchs der Bäume und deren Astgabeln. Kari Hediger nennt sich "Naturmensch":
"Also, ich schaue auf die Natur, oder, auf Tiere, im Wald aufs Holz. Man muss die Augen offen halten immer. Dann bringt man das leicht fertig". - "Ich bin ja Bauer, oder. Im Sommer auf der Alp, Winter Holzfäller, da bin ich auch immer im Gebirge, oder. Da kann ich das Wetter einigermaßen gut ablesen."
Bevor einer nach dem anderen seine Vorhersage für das kommende halbe Jahr vorträgt, werden die Bewertungen für die zurückliegenden Sommerprognosen verkündet. Eine Jury verliest Punkte für Genauigkeit und Treffsicherheit. Der Gewinner ist für ein halbes Jahr Wetterkönig, sagt Martin Holdener, "Musers Märtl" genannt, weil er Feldmäusen, Maulwürfen und Regenwürmern für seine Prognosen nachstellt:
"Ich beobachte die Mäuse, sicher, was haben sie für ein Fell. Wie tief sind sie im Erdreich, haben sie ihre Gänge gebaut. Ist sie dick und für den Winter gut gerüstet. Hat sie ein schlankes Figürchen, kommt sie sicherlich auch im Winter zu jeder Zeit zum Futter. Dann beobachte ich die Regenwürmer, die müssen mir das eigentlich bestätigen."
Alle Wätterschmöcker sind Männer fortgeschrittenen Alters in Alm-Öhi-Optik, mit Rauschebärten, zerfurchten Wangen, stoischen Gesichtern. Im Alltag verdingen sie sich als Bauern, Holzfäller, Sensenverkäufer, sind ständig an der frischen Luft und nehmen dabei wie Seismografen kleinste Wandlungen der Natur wahr. Frauen findet man auch unter den Mitgliedern nur wenige:
"Ja, die Frauen können wir nicht gebrauchen, weil sie keinen Bart haben. Man sollte einen Bart haben, dann riecht man das Wetter besser, oder?"
"Mit dem Schnauz hat´s was zu tun. Er zeigt mir auch an, wo sind sie. Der zwickt oder vibriert leicht, wenn ich eine Maus unter mir antreffe."
Die sechs Wätterschmöcker sind nicht nur Konkurrenten, sondern auch Kollegen. Sie treffen sich mehrmals im Jahr zum geselligen Beisammensein. Verraten tun sie einander nichts. Schließlich will jeder den Wanderpokal, eine geschnitzte Waldeule, gewinnen, den eine Vereinsjury vergibt. Dabei geht es nicht nur um die Zuverlässigkeit der Prognosen, auch der Vortrag, der laut Satzung "humoristisch" zu sein hat, wird bewertet, wenn die Männer auf dem Podium wie Karnevalsredner für Applaus beim Publikum werben. Sind sie also mehr Entertainer als Wetterfrösche?
"Es steht ja auch in den Statuten, dass jede Prognose mit Humor bestückt sein muss. Man ist ja auch nicht allein. Die anderen fünf probieren ja auch, auf möglichst gute Art zu präsentieren. Der Humor, die Sprüche, kommen eigentlich auch plötzlich. Das macht klick, die sind da, und ich kann schreiben."
Dass die Wetterpropheten für eine halbes Jahr im Voraus ihre Vorhersagen treffen und das mit einer Trefferquote von etwa 80 Prozent, lässt auf seherische Qualitäten schließen angesichts der Tatsache, dass die moderne Meteorologie trotz all ihrer Technik gerade einmal Prognosen für die nächsten Tage wagt - und oft genug schief liegt. Für Hediger und Holdener gibt es daher ebenso einfache wie verblüffende Unterschiede.
"Ja, ich bin in der Natur und schau es dort ab, oder. Und die Meteorologen, die sind ja nur mit den Computer, Satelliten, die gehen auf diese Dinge. Und geh auf die Natur, die Natur ist sicherer. Sie hat manchmal auch verschiedene Kapriolen, oder, aber."
Wer die Wettergurus aus der Schweizer Provinz im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Spökenkiekerei erlebt, kommt nicht an Jörg Kachelmann vorbei. Denn der bis zu seinem Fall bekannteste Wetterfrosch des deutschen Fernsehens und ebenfalls Schweizer, war einst selbst Mitglied im Verein der Innerschweizer Wetterpropheten.
"Ja, er war dabei, aber nicht lange. Er wurde wieder hinausgeworfen, weil er sich lustig über uns ausgedrückt hat. Er hat uns ausgelacht, oder. Das kommt bei uns nicht so gut an."
Seitdem ist wieder Ruhe eingekehrt bei den Wätterschmöckern. Und so gaben sie sich auch in diesem Jahr ganz traditionsbewusst, als sie im MythenForum zu Schwyz ihre Wetterprognosen bis zum Oktober 2012 vortrugen - wie immer im Dialekt der Region, wie immer mit kleinen Pointen, wie immer mit den Lachern auf ihrer Seite.
Mit seinen fünf Kollegen, alle in braunen Westen aus Armeewolldecken und aufgenähtem Schweizerkreuz gekleidet, ist er angetreten oben auf dem Podium. Neben ihm sitzt Kari Hediger, der hofft, dass er diesmal richtig liegt. Denn für die Fasnacht im Februar hatte er Schneefall vorhergesagt. Dann schien strahlend die Sonne. Da war also etwas gewaltig danebengegangen:
"Ja, das Wetter, war da schief gelaufen. Der Ohrengrübler, das ist ein kleines Tier, ein Ohrwurm, den hab ich im Wald gefunden und ich habe gedacht, den könne ich gebrauchen fürs Wetter, oder? Aber im Nachhinein musste ich feststellen, dass der nur eine Klemme hatte hinten. Und wahrscheinlich hab ich dort falsch geschaut, da hat der mir das Wetter falsch angezeigt, Schnee eben. Aber es war ja schön. Aber es war ja auch gut so, oder?"
Hediger gehört zu den Wetterpropheten des Vereins Innerschwyzer Meteorologen. Vor Hunderten Zuschauern und den Kameras des Schweizer Fernsehens geben sie zweimal jährlich ihre Vorhersagen bekannt, im MythenForum des Kantonsortes Schwyz. Jeder im Alpenland kennt sie allerdings nur als "Wätterschmöcker", als die Männer, die das Wetter schmecken und riechen können. Martin Holdener gehört auch zu ihnen. Im Oktober letzten Jahres verkündete er Vielversprechendes für den März. Der werde so warm, dass die "Schneehäschen" jeden Tag weniger anziehen müssten. Damit hatte er zwar die Lacher auf seiner Seite, überprüfen konnte er es aber nicht
"Ich hatte nicht Zeit nachzuschauen. Die Kollegen hatten gesagt, ich sollte mal mitkommen, das hätte sehr schöne Produkte auf den Pisten. Aber meine Frau ließ mich nicht gehen. Sehr schade, ja!"
Überhaupt, das letzte Jahr lief nicht optimal für Hediger und Holdener. In puncto Zuverlässigkeit belegten die beiden nur die letzten Plätze. Dennoch sind sie Stars im Verein der Innerschweizer Meteorologen, der 1947 im nahen Muotatal von zwei Bauern gegründet wurde. Beide stritten im Nachhinein stets darüber, wer denn was wann vorhergesagt hatte oder nicht.
Und so beschlossen sie, ihre Prognosen künftig aufzuschreiben und nachprüfbar zu machen. Seitdem gibt jeder im April und Oktober seine Prognose ab, schwarz auf weiß und vorgetragen in aller Öffentlichkeit. Gut dreieinhalb Tausend Mitglieder hat der Verein inzwischen; und in seinem Olymp sitzt das Orakel - die sechs Wätterschmöcker -, wie Kari Hediger erklärt:
"Ja, das sind komische Kauze da in der Schweiz. Wir sagen das Wetter voraus. Das muss man natürlich im Blut haben. Riechen kann man das manchmal auch. Ich bin erst ein gutes Jahr dabei. Vorletztes Jahr ist einer rausgegangen, da haben sie mich angefragt, ob ich noch Interesse hätte. Hab ich gesagt, wenn sie keinen Schlaueren finden, mach’ ich mit, oder?"
Jeder der Wetterschmöker hat seine eigene Spezialität - und einen Spitznamen: "Wettermissionar" Martin Horat beobachtet die Ameisen, "Tannzapfen" Alois Holdener studiert die Früchte der Nadelbäume; "Steinbockjäger" Karl Reichmuth schaut den Füchsen auf die Pfoten; "Sandstrahler" Peter Suter, mit 85 der Älteste, verfolgt den Wuchs der Bäume und deren Astgabeln. Kari Hediger nennt sich "Naturmensch":
"Also, ich schaue auf die Natur, oder, auf Tiere, im Wald aufs Holz. Man muss die Augen offen halten immer. Dann bringt man das leicht fertig". - "Ich bin ja Bauer, oder. Im Sommer auf der Alp, Winter Holzfäller, da bin ich auch immer im Gebirge, oder. Da kann ich das Wetter einigermaßen gut ablesen."
Bevor einer nach dem anderen seine Vorhersage für das kommende halbe Jahr vorträgt, werden die Bewertungen für die zurückliegenden Sommerprognosen verkündet. Eine Jury verliest Punkte für Genauigkeit und Treffsicherheit. Der Gewinner ist für ein halbes Jahr Wetterkönig, sagt Martin Holdener, "Musers Märtl" genannt, weil er Feldmäusen, Maulwürfen und Regenwürmern für seine Prognosen nachstellt:
"Ich beobachte die Mäuse, sicher, was haben sie für ein Fell. Wie tief sind sie im Erdreich, haben sie ihre Gänge gebaut. Ist sie dick und für den Winter gut gerüstet. Hat sie ein schlankes Figürchen, kommt sie sicherlich auch im Winter zu jeder Zeit zum Futter. Dann beobachte ich die Regenwürmer, die müssen mir das eigentlich bestätigen."
Alle Wätterschmöcker sind Männer fortgeschrittenen Alters in Alm-Öhi-Optik, mit Rauschebärten, zerfurchten Wangen, stoischen Gesichtern. Im Alltag verdingen sie sich als Bauern, Holzfäller, Sensenverkäufer, sind ständig an der frischen Luft und nehmen dabei wie Seismografen kleinste Wandlungen der Natur wahr. Frauen findet man auch unter den Mitgliedern nur wenige:
"Ja, die Frauen können wir nicht gebrauchen, weil sie keinen Bart haben. Man sollte einen Bart haben, dann riecht man das Wetter besser, oder?"
"Mit dem Schnauz hat´s was zu tun. Er zeigt mir auch an, wo sind sie. Der zwickt oder vibriert leicht, wenn ich eine Maus unter mir antreffe."
Die sechs Wätterschmöcker sind nicht nur Konkurrenten, sondern auch Kollegen. Sie treffen sich mehrmals im Jahr zum geselligen Beisammensein. Verraten tun sie einander nichts. Schließlich will jeder den Wanderpokal, eine geschnitzte Waldeule, gewinnen, den eine Vereinsjury vergibt. Dabei geht es nicht nur um die Zuverlässigkeit der Prognosen, auch der Vortrag, der laut Satzung "humoristisch" zu sein hat, wird bewertet, wenn die Männer auf dem Podium wie Karnevalsredner für Applaus beim Publikum werben. Sind sie also mehr Entertainer als Wetterfrösche?
"Es steht ja auch in den Statuten, dass jede Prognose mit Humor bestückt sein muss. Man ist ja auch nicht allein. Die anderen fünf probieren ja auch, auf möglichst gute Art zu präsentieren. Der Humor, die Sprüche, kommen eigentlich auch plötzlich. Das macht klick, die sind da, und ich kann schreiben."
Dass die Wetterpropheten für eine halbes Jahr im Voraus ihre Vorhersagen treffen und das mit einer Trefferquote von etwa 80 Prozent, lässt auf seherische Qualitäten schließen angesichts der Tatsache, dass die moderne Meteorologie trotz all ihrer Technik gerade einmal Prognosen für die nächsten Tage wagt - und oft genug schief liegt. Für Hediger und Holdener gibt es daher ebenso einfache wie verblüffende Unterschiede.
"Ja, ich bin in der Natur und schau es dort ab, oder. Und die Meteorologen, die sind ja nur mit den Computer, Satelliten, die gehen auf diese Dinge. Und geh auf die Natur, die Natur ist sicherer. Sie hat manchmal auch verschiedene Kapriolen, oder, aber."
Wer die Wettergurus aus der Schweizer Provinz im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Spökenkiekerei erlebt, kommt nicht an Jörg Kachelmann vorbei. Denn der bis zu seinem Fall bekannteste Wetterfrosch des deutschen Fernsehens und ebenfalls Schweizer, war einst selbst Mitglied im Verein der Innerschweizer Wetterpropheten.
"Ja, er war dabei, aber nicht lange. Er wurde wieder hinausgeworfen, weil er sich lustig über uns ausgedrückt hat. Er hat uns ausgelacht, oder. Das kommt bei uns nicht so gut an."
Seitdem ist wieder Ruhe eingekehrt bei den Wätterschmöckern. Und so gaben sie sich auch in diesem Jahr ganz traditionsbewusst, als sie im MythenForum zu Schwyz ihre Wetterprognosen bis zum Oktober 2012 vortrugen - wie immer im Dialekt der Region, wie immer mit kleinen Pointen, wie immer mit den Lachern auf ihrer Seite.