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Das Geschäft mit dem Hunger

Geldanlagen in Grundnahrungsmittel wie Weizen oder Mais sind für Unternehmen äußerst lukrativ, doch sie lassen auch den Preis dieser Rohstoffe für die Konsumenten steigen. Oxfam und Attac fordern eine klare Regulierung dieser Spekulationsform.

Von Verena Kemna | 08.11.2012
    Die Umweltaktivisten von Oxfam und Attac sind von Kopf bis Fuß in blaue Overalls gehüllt, vor dem Gesicht tragen sie weiße Masken. Der stille Protestmarsch führt über eine Spreebrücke, direkt vor den markanten Hochhausturm der Berliner Allianz-Zentrale. Es ist das höchste Bürogebäude Berlins, direkt an der Spree gelegen und für die Aktivisten ein symbolischer Standort. Jan Urhahn hält ein blau gefärbtes Stoppschild in der Hand, darauf steht: Stoppt die Nahrungsmittelspekulation! Der Allianzkonzern habe etwa sechs Milliarden Euro in Agrarrohstoffen angelegt und somit von Spekulationen mit Nahrungsmitteln immens profitiert, erklärt Oxfam-Aktivist Jan Urhahn.

    "Wir haben schon im Mai 2012 eine Studie veröffentlicht, die heißt, mit Essen spielt man nicht. Da haben wir uns mal angeschaut, wer eigentlich die Finanzakteure in Deutschland sind, die mit Nahrungsmitteln spekulieren. Da haben wir festgestellt, die Allianz ist die Nummer eins bei der Spekulation mit Nahrungsmitteln. Sie nehmen einfach ihre soziale und ökologische Verantwortung überhaupt nicht wahr und weigern sich auch schlichtweg, jeglichen Zusammenhang mit Spekulation auf der einen Seite und steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel, wie Weizen und Mais, auf der anderen Seite anzuerkennen."

    Gespräche mit der Allianz-Führung seien bisher ohne Ergebnis geblieben. Auch gibt es dazu keine öffentliche Stellungnahme der Allianz. Doch auf EU-Ebene bahnt sich im Schatten der Finanzkrise ein Reformprozess an. Gerade erst haben zwölf Organisationen, darunter auch Oxfam und Attac in einem offenen Brief an Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) appelliert, die exzessive Spekulation auf den europäischen Finanzmärkten einzuschränken. Hintergrund ist eine neue EU-Richtlinie zur Regulierung der europäischen Finanzmärkte. Oxfam-Aktivist Jan Urhahn.

    "Momentan liegt der Spielball im Feld des Rates und dort wird Deutschland repräsentiert durch Finanzminister Schäuble. In den nächsten Wochen werden da die entsprechenden Abstimmungen stattfinden. Ganz wichtig ist, dass Schäuble da auf strikte Positionslimits achten muss. Das heißt also klare Beschränkungen, wie viele Handelskontrakte von einem Akteur gehandelt werden können. All das muss eben reguliert werden. Wir brauchen einfach wasserdichte Positionslimits, um dem Geschäft mit dem Hunger einen Riegel vorzuschieben."

    Vorschläge der EU-Kommission sehen unter anderem Beschränkungen vor, um exzessive Spekulationen mit Rohstoffen zu verhindern. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, CSU, wertet das Votum im EU-Parlament als entscheidenden Schritt bei der Bekämpfung unerwünschter Spekulationen. Sven Giegold dagegen, wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, beklagt, dass Verkaufsprovisionen auch künftig nicht grundsätzlich verboten werden sollen. Spätestens im nächsten Jahr sollen die Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission beginnen. Jutta Sundermann von der Umweltorganisation Attac verweist auf positive Entwicklungen. So hätten sich einige Banken bereits aus dem Geschäft mit Nahrungsmittelspekulation zurückgezogen. Sie hofft auf weitere Entscheidungen in Brüssel.

    "Ganz schnell geht das nicht in Brüssel. Das ist ein langer Prozess. Wir sind da sowohl im Gespräch mit Parlamentariern im Europaparlament als auch immer wieder im Kontakt mit denen, die von unserer Regierungsseite dort verhandeln. Letztlich muss ja auch der Europäische Rat seine Stimme dazu abgeben. Deswegen sammeln wir Unterschriften mit einem großen Appell an Herrn Schäuble, dass sich die Bundesregierung dafür starkmachen muss."

    Eine Einigung sowie das Inkrafttreten der EU-Beschlüsse wird für nächstes Jahr erwartet.