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Das geschönte Bild vom runden Leder

Die EM findet ja in Österreich und in der Schweiz statt, doch keineswegs ist es der Österreichische Rundfunk oder das Schweizerische Fernsehen, die die Übertragungen sicher stellen. Hier kommen vielmehr private Produktionsgesellschaften zum Zuge, die im Auftrag des europäischen Fußballverbandes UEFA arbeiten. Der Veranstalter eines Großereignisses berichtet somit über sein eigenes Event – und das nicht immer objektiv.

Von Thomas Wagner |
    Alleine hierzulande saßen beim Spiel Deutschland gegen Portugal Millionen vor den Bildschirmen. Und angesichts von gleich drei deutschen Toren interessierte sich kaum einer für ein kleines, aber feines Detail der Übertragung:

    "In der Praxis funktioniert das so, dass heute bei vielen Großereignissen Dritte, also eben nicht die Rundfunkveranstalter, diese Bilder produzieren, und dass der Veranstalter mitspricht oder sogar darüber befindet, welche Bilder die offiziellen Bilder darstellen."

    Und so, weiß Armin Walpen, Generaldirektor der Schweizerischen Radiogesellschaft, funktioniert das auch bei der laufenden Fußball-EM: Die Uefa selbst liefert als Veranstalter das fertig abgemischte Live-Signal an die Fernsehanstalten. Das heißt: Auch die Bildauswahl verbleibt in der Verantwortlichkeit der Uefa - und eben dies ist nach Ansicht des SRG-Generaldirektors nicht unproblematisch:

    "Also die grundsätzliche Problematik besteht darin, dass die Auswahl der Bilder und Töne eigentlich immer in der Verantwortung des Mediums sein muss. Das ist die grundsätzliche Problematik. Weil wir haben einen Informationsauftrag. Wir haben eine gewisse Glaubwürdigkeit. Das ist unser Kapital. Die Leser, die Zuschauer haben einen Anspruch darauf, dass wir die Auswahl treffen - wir, die keine bestimmten Interessen verfolgen."
    Doch im aktuellen Fall der Fußball-EM trifft eben die Uefa als Veranstalter die Auswahl - und das kann zuweilen problematisch werden: So schildert die Schweizerische "Sonntagszeitung" Beispiele, wo die Uefa-Kameras während der Life-Übertragung ganz schnell wegschwenkten - als beispielsweise ein kroatischer Fan gegen Helfer randalierte, als beim Spiel Kroatien gegen Österreich ein Exibitionist aufs Spielfeld rannte oder Fans unerlaubt Brandfackeln entzündeten. Professor Klaus Schönbach , Medienwissenschaftler an der Zeppelin-University Friedrichshafen:

    "Es gibt ja Stimmen, die das gleich Zensur nennen wollen. Aber ich denke, dass ist einfach Public Relations. Natürlich will die Uefa das Bild einer friedlichen, freundlichen, schönen Europameisterschaft liefern. Und das versucht sie offenbar gnadenlos, durch diese Kameraführung zu gewährleisten. Aber das ist so, wie wenn jetzt BMW oder die BASF in Ludwigshafen Filme liefern, die in der Tagesschau laufen, indem jetzt die Chemie- oder die Autoindustrie günstig wegkommt. Das kann natürlich eine Fernsehanstalt nicht zulassen."

    Armin Walpen, Chef der Schweizerischen Radiogesellschaft, sieht das ähnlich. Er verweist auf eine Fülle weiterer Sportveranstalter, die er namentlich nicht nennen will, und die bei der Anlieferung von Fernsehbildern noch viel strikter vorgingen als die Uefa. Immerhin gestattete die Uefa den Fernsehanstalten, zusätzlich mit eigenen Teams zu arbeiten, was aber aus Kostengründen zumeist unterbleibt. Andere Sportverbände hingegen beharrten, so Walpen, auf ihrem Exklusivrecht der Fernsehproduktion. Wie aber mit der Problematik umgehen?

    Armin Walpen ist Verwaltungsratsmitglied der European Broadcasting Union. Dort hat er erst in den vergangenen Tagen das Thema angesprochen. Gleichzeitig möchte er eine Diskussion mit den Sportverbänden darüber anregen, wer zukünftig in welchem Ausmaß Herr über Fernsehbilder sein darf.

    "Darüber muss man grundsätzlich diskutieren: Wie weit darf ein Veranstalter gehen? Wie weit darf er Dinge zeigen, die nicht in seinem Interesse liegen oder eben Dinge nicht zeigen, die nicht ins einem Interesse liegen?"

    Eine Art 'Medien-Kodex' wäre wünschenswert, so Walpen. Von grundsätzlichen Verweigerungshaltung gegenüber Veranstaltern, die ihre eigenen TV-Bilder produzieren, hält er dagegen nicht allzu viel. Schließlich könne man kaum an Großveranstaltungen wie der Fußball-EM vorbeigehen,

    "..weil wir sind ja nicht die einzigen, die solche Übertragungen machen. Da spielt natürlich auch der Konkurrenzkampf mit den kommerziellen Fernsehveranstaltern mit. Und so lange natürlich kommerzielle Radio- und Fernsehveranstalter bereit sind, solche Dinge zu akzeptieren, haben wir natürlich wenig Chancen."

    Die aber sind längst dazu bereit - und dies nicht nur bei Sportübertragungen. Immer geringere Redaktionsbudgets auf der einen Seite, immer raffinierter PR-Strategien von Unternehmen und Verbänden auf der anderen Seite haben nach Ansicht des Medienwissenschaftlers Professor Klaus Schonbach längst der Unabhängigkeit der Berichterstattung vor allem bei privaten Hörfunk- und Fernsehanbietern ausgehöhlt:

    "Sie wissen vielleicht, dass es im Bereich des Hörfunks Agenturen gibt, die Beiträge den Hörfunksendern anbieten, die nichts kosten, die professionell klingen, die die einzelnen Firmen bezahlen, und die dann ganz dezent in dem Beitrag gut wegkommen. Dieses Phänomen finden wir im Ton, aber auch im Bild. Da werden Filme produziert, die nichts kosten, aber einen bestimmten Industriezweig in einem guten Licht erscheinen lassen."