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"Das glücklichste aller Unglücke"

Als das vierte Luftschiff von Ferdinand Graf von Zeppelin nur 47 Tage nach seinem Jungfernflug bei einem Gewittersturm explodierte, zeigte sich die Nation gerührt: Das Unglück löste eine Welle der Hilfe aus. Das "Wunder von Echterdingen" befreite den Grafen von seinen finanziellen Problemen - und bedeutete letztlich die Rettung des Luftschiffbaus.

Von Armin Brandt | 05.08.2008
    "Deutschland im Zeppelin-Fieber!"

    Ferdinand Graf von Zeppelin feiert seinen 70. Geburtstag. Das vierte Luftschiff LZ 4 befindet sich im Bau. Der Reichstag bewilligt weitere Gelder und die Kaiserliche Heeresleitung erklärt sich bereit, die Rechnung zu bezahlen, allerdings soll der Ballon eine eintägige Dauerfahrt sicher durchführen. Auf der Plattform ist Platz für einen Maschinengewehrschützen mit einem MG; das Luftschiff soll die endgültige Antwort auf die alte Kavallerieattacke mit blanker Waffe werden.

    Am 4. August 1908 ist LZ 4 für den 24-Stunden-Test bereit. Das Luftschiff ist 149 Meter lang und hat einen Durchmesser von 14 Metern. Es wird von 17.300 Kubikmeter Wasserstoffgas getragen.

    LZ 4 hebt um sieben Uhr in Friedrichshafen ab. Konstrukteur Ludwig Dürr bedient das Höhenruder. Graf Zeppelin steht vorn in der offenen Führergondel und gibt die Anweisungen. Die Fahrt führt über Basel entlang dem Rhein bis Mainz. Nach einer Zwischenlandung auf einem kleinen Floß bei Oppenheim kann in der Nacht die Rückfahrt erneut aufgenommen werden.

    Ein Schaden am vorderen Motor zwingt am nächsten Morgen den Ballon auf einer Wiese aufzusetzen, etwa einen Kilometer südöstlich von Echterdingen. Innerhalb kürzester Zeit machen sich aus Stuttgart und Umgebung mehr als 50.000 Menschen mit dem Zug, in Kutschen und Automobilen, auf Fahrrädern und zu Fuß auf den Weg zum Landeplatz. Graf Zeppelin hat sich derweilen zur Rast in die Echterdinger Dorfgaststätte begeben.

    Es herrscht heitere Sorglosigkeit über das gute Gelingen der Fahrt. Deshalb bleibt das unerwartete Nahen einer Gewitterböe unbemerkt.

    Die Zeitungen im ganzen Land veröffentlichen Berichte von Augenzeugen:

    "Um fünfzehn Uhr taucht eine dunkle Gewitterfront auf. Aber man vermisst sichtbare Maßnahmen. Die Windsbraut kommt rasch näher. Da hüllt bereits eine mächtige Staubwolke die Zuschauer ein. Schon krächzen die vorderen Halteseile, um gleich darauf mit einem lauten Knall zu reißen. Jetzt ist LZ 4 frei und beginnt nach Osten abzudriften."

    Die Menschen, die nahe am Ballon stehen, wenden sich entsetzt zur Flucht und stürzen in Panik übereinander. Einige Soldaten, die in unerschütterlicher Pflichttreue die vordere Gondel fest halten, müssen aus mehreren Metern Höhe abspringen. Der Anker, mit 64 langen Spitzen ausgestattet, bewegt sich gefährlich dicht über die zum Teil am Boden liegende Menge.

    "Der Ballon fliegt immer schneller davon. Die Spitze neigt sich allmählich tiefer. Soldaten und Zuschauer, erst lahm vor Schrecken, nehmen nun die Verfolgung auf. Der Ballon ist etwa einen Kilometer entfernt, da passiert die Katastrophe."

    Der Anker hat sich in Obstbäumen verfangen. Das Schiff dehnt sich unter der furchtbaren Zerrung. Im vorderen Drittel klafft ein Riss. Plötzlich ist ein Ohren betäubender Knall zu vernehmen. Im nächsten Augenblick schlagen aus dem Riss die Flammen empor.

    "Eine Feuersäule loht zum Himmel, riesig, grässlich, als wäre die Erde geborsten und die Höllenflammen stürzen empor. Eine schwarze, dicke Rauchwolke schießt zum Himmel. Eine Explosion und noch eine. Dann versinkt der Ballon in Flammen und Rauch inmitten der Apfelbäume. Schlohweiß sind die Besucher geworden vom weißen Staub des verbrennenden Aluminiums."

    Infolge einer elektrostatischen Entladung haben sich 15.000 Kubikmeter Wasserstoffgas entzündet. Seit der Erstfahrt des vierten Luftschiffs LZ 4 sind gerade 47 Tage vergangen.

    Die Katastrophe von Echterdingen vom 5. August 1908 ist letztlich ein Glücksfall, da sie die Rettung für den Luftschiffbau bedeutet. Deshalb spricht der Graf auch vom "glücklichsten aller Unglücke".

    Echterdingen wird zum Ausgangspunkt für eine beispiellose Spendenaktion des deutschen Volkes. In wenigen Monaten kommen mehr als sechs Millionen Mark zusammen, für die damalige Zeit ein gewaltiges Vermögen. Für den Bau eines einzigen Zeppelins werden rund 400.000 Mark benötigt.

    An der Stelle, wo das Luftschiff LZ 4 verunglückte, ist ein Gedenkstein gesetzt worden, den folgender Vers schmückt:

    Mit dem Luftgeist hat er gerungen,
    den grimmigen Feind siegreich bezwungen.
    Aus Flammenglut stieg er empor
    noch herrlicher als je zuvor.
    Der Deutschen Stolz, dem Recken kühn,
    Ihm gilt der Stein - Graf Zeppelin!