Sie habe ihre Ausstellung ganz bewusst "Diaghilew and the Golden Age of the Ballets Russes" genannt, Diaghilew und das Goldene Zeitalter, so Jane Pritchard, Tanzkuratorin des Londoner Victoria & Albert Museums.
Denn das Bild des Gründers und Mittelpunkts der berühmten Ballets Russes sei längst halb verblasst. Von dem wichtigsten Tanzensemble unserer Zeit, in dem er als Impressario die bedeutendsten Künstler des beginnenden Zwanzigsten Jahrhunderts zusammenbrachte, wisse man alles, von ihm wisse die Öffentlichkeit heute vergleichsweise wenig. Jane Pritchard:
"Die Künstler, mit denen Diaghilew arbeitete, Strawinsky, Picasso, Chanel, sogar Nijinsky, sind heute viel bekannter als Diaghilew selbst."
Die Jahre zwischen 1909, als Diaghilew seine russischen Exiltänzer erstmals neben seinen Operninszenierungen in Paris präsentiert, und 1929, als er in Venedig stirbt, umspannen einen Epochenwechsel. Als Diaghilew seinen Traum verwirklicht, mit neuen Balletten zum meistdiskutierten Phänomen der Welt der Avantgarde zu werden, als man ihn mit James Joyce, Igor Strawinsky und Marcel Proust in den Pariser Restaurants feiern sieht, geht langsam die Belle Epoque zur Neige. Zwanzig Jahre später, am Ende von Diaghilews Leben beherrschen andere als Walzerklänge die Ballsäle und Theater: Das Zeitalter des Jazz ist in vollem Schwange. Zwischen diesen Polen spannt sich sein künstlerisches Wirken als Direktor – der großbürgerlichen Herkunft und ihrer Liebe zu Musik und Bildender Kunst – und dem Einschwingen der Existenz in die Synkope, den Rhythmus einer Welt, die dem Neuen huldigt, dem Niegehörten, Niegesehenen, einer wilden Synthese von Klang, Licht, Farbe, Raum, Körper und Bewegung.
Im Victoria & Albert Museum kann man das ästhetisch nachvollziehen. Die prächtigen exotischen Kostüme aus dem Feuervogel oder dem Frühlingsopfer, gemalte Theater-Vorhänge und Filmausschnitte von Rekonstruktionen, sorgsam arrangierte Objekte wie bestickte Schuhe und Tuben mit Bühnen-Schminke, Originalscheinwerfer und Reisekoffer verzaubern und lehren zugleich.
Dabei betrachtet die Ausstellung ihr Sujet keineswegs unkritisch. In der charakterisierenden Aufzählung auf den tiefroten Wänden des ersten von drei großen Ausstellungssälen stehen Begriffe wie devil oder sorcerer, Teufel oder Hexer. Keine Frage, wer im Unternehmen Ballets Russes das letzte Wort sprach, wo die Besetzungscouch stand und wem sich auch ein Maler wie Henri Matisse zu fügen hatte.
Noch von Russland aus hatte Diaghilew im Westen Ausstellungen russischer Kunst organisiert und dann Opernabende exportiert. Pritchards interessante These in dem ganz ausgezeichneten Katalog lautet, Diaghilew habe schließlich aus ganz praktischen Erwägungen ein Tanzensemble gegründet. Mit Wagners Musikdrama sei die Erneuerung des Musiktheaters bereits auf dem Weg gewesen und ein die Welt bereisender Opernbetrieb ihm außerdem viel zu teuer erschienen. Im Ballett hingegen konnte man mit geringeren Mitteln noch größere ästhetische Innovationen auf dem Markt durchsetzen.
Dass die Ballets Russes soviel in London auftraten, gab der nationalen Ballettwicklung Englands entscheidende Impulse. Jane Pritchard:
"I think one thing one must remember - There was no national ballet prior to Diaghilew in Britain. England particularly loved ballet because of the Ballets Russes."
Man müsse bedenken, dass es vor Diaghilew keine nationale Ballettcompagnie in England gegeben habe. Es gab eine ganze Menge von Aufführungen, aber keine Institution vergleichbar etwa dem Ballett der Pariser Oper hinsichtlich ihrer dauerhaften Existenz. Man müsse wissen, so Jane Pritchard, dass Diaghilews Ballets Russes fast die Hälfte ihrer weltweiten Vorstellungen in London gegeben habe, vor allem seit dem Ersten Weltkrieg. Die Ballets Russes lehrten England das Ballett zu lieben. Dass England Diaghilew soviel schuldet, mündete in den späten 60er-Jahren in einem bedeutenden Engagement des Victoria & Albert Museums bei einer Auktion der Hinterlassenschaften der Ballets Russes.
Die Ankäufe von 1968, Kostüme, Autographen, Partituren bilden die Schätze der jetzigen Ausstellung. Durch sie ist es auch, dass wir von Diaghilews womöglich weitreichendster Fehlentscheidung erfahren: Er hat es nie erlaubt, das Vorstellungen der Ballets Russes gefilmt wurden.
Denn das Bild des Gründers und Mittelpunkts der berühmten Ballets Russes sei längst halb verblasst. Von dem wichtigsten Tanzensemble unserer Zeit, in dem er als Impressario die bedeutendsten Künstler des beginnenden Zwanzigsten Jahrhunderts zusammenbrachte, wisse man alles, von ihm wisse die Öffentlichkeit heute vergleichsweise wenig. Jane Pritchard:
"Die Künstler, mit denen Diaghilew arbeitete, Strawinsky, Picasso, Chanel, sogar Nijinsky, sind heute viel bekannter als Diaghilew selbst."
Die Jahre zwischen 1909, als Diaghilew seine russischen Exiltänzer erstmals neben seinen Operninszenierungen in Paris präsentiert, und 1929, als er in Venedig stirbt, umspannen einen Epochenwechsel. Als Diaghilew seinen Traum verwirklicht, mit neuen Balletten zum meistdiskutierten Phänomen der Welt der Avantgarde zu werden, als man ihn mit James Joyce, Igor Strawinsky und Marcel Proust in den Pariser Restaurants feiern sieht, geht langsam die Belle Epoque zur Neige. Zwanzig Jahre später, am Ende von Diaghilews Leben beherrschen andere als Walzerklänge die Ballsäle und Theater: Das Zeitalter des Jazz ist in vollem Schwange. Zwischen diesen Polen spannt sich sein künstlerisches Wirken als Direktor – der großbürgerlichen Herkunft und ihrer Liebe zu Musik und Bildender Kunst – und dem Einschwingen der Existenz in die Synkope, den Rhythmus einer Welt, die dem Neuen huldigt, dem Niegehörten, Niegesehenen, einer wilden Synthese von Klang, Licht, Farbe, Raum, Körper und Bewegung.
Im Victoria & Albert Museum kann man das ästhetisch nachvollziehen. Die prächtigen exotischen Kostüme aus dem Feuervogel oder dem Frühlingsopfer, gemalte Theater-Vorhänge und Filmausschnitte von Rekonstruktionen, sorgsam arrangierte Objekte wie bestickte Schuhe und Tuben mit Bühnen-Schminke, Originalscheinwerfer und Reisekoffer verzaubern und lehren zugleich.
Dabei betrachtet die Ausstellung ihr Sujet keineswegs unkritisch. In der charakterisierenden Aufzählung auf den tiefroten Wänden des ersten von drei großen Ausstellungssälen stehen Begriffe wie devil oder sorcerer, Teufel oder Hexer. Keine Frage, wer im Unternehmen Ballets Russes das letzte Wort sprach, wo die Besetzungscouch stand und wem sich auch ein Maler wie Henri Matisse zu fügen hatte.
Noch von Russland aus hatte Diaghilew im Westen Ausstellungen russischer Kunst organisiert und dann Opernabende exportiert. Pritchards interessante These in dem ganz ausgezeichneten Katalog lautet, Diaghilew habe schließlich aus ganz praktischen Erwägungen ein Tanzensemble gegründet. Mit Wagners Musikdrama sei die Erneuerung des Musiktheaters bereits auf dem Weg gewesen und ein die Welt bereisender Opernbetrieb ihm außerdem viel zu teuer erschienen. Im Ballett hingegen konnte man mit geringeren Mitteln noch größere ästhetische Innovationen auf dem Markt durchsetzen.
Dass die Ballets Russes soviel in London auftraten, gab der nationalen Ballettwicklung Englands entscheidende Impulse. Jane Pritchard:
"I think one thing one must remember - There was no national ballet prior to Diaghilew in Britain. England particularly loved ballet because of the Ballets Russes."
Man müsse bedenken, dass es vor Diaghilew keine nationale Ballettcompagnie in England gegeben habe. Es gab eine ganze Menge von Aufführungen, aber keine Institution vergleichbar etwa dem Ballett der Pariser Oper hinsichtlich ihrer dauerhaften Existenz. Man müsse wissen, so Jane Pritchard, dass Diaghilews Ballets Russes fast die Hälfte ihrer weltweiten Vorstellungen in London gegeben habe, vor allem seit dem Ersten Weltkrieg. Die Ballets Russes lehrten England das Ballett zu lieben. Dass England Diaghilew soviel schuldet, mündete in den späten 60er-Jahren in einem bedeutenden Engagement des Victoria & Albert Museums bei einer Auktion der Hinterlassenschaften der Ballets Russes.
Die Ankäufe von 1968, Kostüme, Autographen, Partituren bilden die Schätze der jetzigen Ausstellung. Durch sie ist es auch, dass wir von Diaghilews womöglich weitreichendster Fehlentscheidung erfahren: Er hat es nie erlaubt, das Vorstellungen der Ballets Russes gefilmt wurden.