Mittwoch, 01. Mai 2024

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"Das haben die Grünen sich gut überlegt"

Er ist der lachende Dritte, mit Umfragewerten von 40 Prozent: Olaf Scholz will SPD-Bürgermeister Hamburgs werden und hält die Aufkündigung der schwarz-grünen Koalition für wenig überraschend. Hamburg steht vor Rot-Grün - doch wie verlässlich sind die Grünen wirklich?

Toabis Armbrüster im Gespräch mit Olaf Scholz | 30.11.2010
    Tobias Armbrüster: Mitgehört hat sein Herausforderer bei der kommenden Bürgerschaftswahl, Olaf Scholz. Schönen guten Morgen!

    Olaf Scholz: Guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Scholz, wenn Sie da hören, was Herr Ahlhaus über die Grünen sagt, sind die Grünen noch ein verlässlicher Partner für die SPD?

    Scholz: Das glaube ich schon, aber es geht gar nicht um Koalitionspartner zunächst, sondern um ein starkes Votum für die sozialdemokratische Partei. Die Umfragen sagen uns übereinstimmend, dass wir auf ein Ergebnis vielleicht bei 40 Prozent hoffen dürfen, und das wäre auch gut, weil es sicherstellt, dass nicht hinterher in Verhandlungen und allem Möglichen bestimmt wird, wie die Politik gemacht wird, sondern dass die Bürgerinnen und Bürger die Richtung bestimmen.

    Armbrüster: Aber 40 Prozent, das heißt, sie brauchen einen Koalitionspartner.

    Scholz: Klar, und wir haben auch gesagt, mit wem wir gerne gemeinsam in dem Fall regieren würden, nämlich den Grünen. Aber die Grundlage sind immer die Bürgerinnen und Bürger und ihre Entscheidungen.

    Armbrüster: Aber macht man sich da nicht Gedanken, wenn man jetzt sieht, wie die Grünen gerade ihren aktuellen oder ihren letzten Koalitionspartner behandelt haben?

    Scholz: Nein. Die sozialdemokratische Partei hat seit Langem gefordert, dass es zu Neuwahlen kommt, übrigens die Hamburgerinnen und Hamburger auch. Die hätten sich das schon im Sommer gewünscht. Die sind aber auch schon jetzt wieder der Überzeugung, es muss Neuwahlen geben. Nun gibt es sie auch und es ist schon etwas merkwürdig zu hören, dass das überraschend gekommen sei. Es lag in der Luft! Und eines war auch klar, dass wenn der Finanzsenator, gegen den eine Staatsanwaltschaft ermittelt, zurücktritt wegen dieser Ermittlung, das auch wahrscheinlich das Ende der Koalition von CDU und Grünen bedeutet, und es hätte nicht gehen können, dass der neu nominierte Finanzsenator bestellt wird und man dann einfach weiter macht als wäre nichts. Das haben die Grünen sich gut überlegt.

    Armbrüster: Bei den Grünen handelt es sich derzeit um eine Partei, die vor Selbstbewusstsein kaum laufen kann. Wie wollen Sie so einen Partner einbinden?

    Scholz: Sie reden zu viel über Koalitionen und manche reden viel zu viel über das Miteinander. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht erfahren wollen, wie sich Parteien füreinander hübsch machen, sondern sie wollen wissen, was wir politisch wollen, und da haben wir ein ganz klares Programm. Wir müssen dafür sorgen, dass wir wieder einen ordentlichen konsolidierten Haushalt bekommen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Wirtschaft in Hamburg wieder mehr Bedeutung gewinnt und zum Beispiel der Hafen nicht so vernachlässigt wird wie in den letzten Jahren. Wir müssen dafür sorgen, dass die jungen Leute bessere Chancen bekommen, dass nicht ein Fünftel ohne Ausbildungsplätze bleibt, und wir müssen auch sicherstellen, dass nicht so viele Hamburger vergeblich nach einer Wohnung suchen, weil seit fast zehn Jahren der Wohnungsbau ziemlich zum Erliegen gekommen ist.

    Armbrüster: Eines der umstrittensten Projekte der vergangenen Jahre war die Bildungsreform, die Schwarz-Grün geplant hat, Stichwort "gemeinsames Lernen bis zur sechsten Klasse". Würde eine SPD-geführte Regierung so ein Projekt wiederbeleben?

    Scholz: Nein! Der Volksentscheid gilt, das haben wir immer gesagt, und dabei bleibt es auch. Wir haben im Übrigen in Hamburg ein sehr fortschrittliches Schulsystem, das ständig zu pflegen und weiterzuentwickeln und ständig besser zu machen eine große Herausforderung ist, und das kann man klar beschreiben. Es gibt eine vierjährige Grundschule mit sehr kleinen Klassen, dafür haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gesorgt, bundesweit einmalig, eine gesetzlich vorgeschriebene Klassenobergrenze von 23 Schülern und in den Stadtteilen, wo die Bildungschancen so schwierig sind, von höchstens 19 Schülern. Das Elternwahlrecht ist erhalten geblieben. Eltern und Schüler können gemeinsam entscheiden, welche weiterführende Schule sie besuchen wollen. Und es gibt nur noch zwei weiterführende Schulen, das Gymnasium und die Stadtteilschule. Bei der haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten als Oppositionspartei dafür gesorgt, dass jede Stadtteilschule eine Oberstufe hat und die Möglichkeit bietet, Abitur zu machen – großer Fortschritt. Wenn man diese Sache pflegt, dann kommt man auch zu besseren Ergebnissen als heute.

    Armbrüster: Hamburg muss nun in den kommenden Jahren jährlich 500 Millionen Euro einsparen. Das hat zumindest der schwarz-grüne Senat beschlossen. Wie wollen Sie mit so einem Sparpaket noch Politik machen?

    Scholz: Wir stehen in Deutschland überall vor der Herausforderung, die Haushalte zu sanieren und zu konsolidieren. Das ist in Hamburg auch so. Allerdings ist das eine in vielen Fällen auch selbst verursachte Lage, denn tatsächlich ist in den letzten Jahren das Geld doch sehr freigiebig ausgegeben worden und jeder Hamburger, jede Hamburgerin weiß mehrere Beispiele zu erzählen, wo gewissermaßen nicht das Geld zweimal umgedreht worden ist, sondern man großzügig ausgegeben hat. Das darf in Zukunft natürlich nicht mehr sein. Meine feste Überzeugung ist: Wenn man seriöse Haushaltspolitik macht, wenn man sparsam ist, dann muss man nicht alle paar Jahre Sparpakete machen. Jetzt geht es schon um eine Herausforderung für viele Jahre.

    Armbrüster: Trotzdem: Ist denn nicht auch ein Zusammengehen mit den Grünen jetzt eine Herausforderung?

    Scholz: Mit den Grünen wird es schon klappen. Allerdings wird das auch voraussetzen, dass wir ganz klar ein Votum der Bürgerinnen und Bürger bekommen haben. Wenn sie uns so stärken, wie es die Umfragen hoffen lassen, dann kann man auch zu guten Ergebnissen in der Zusammenarbeit mit den Grünen kommen.

    Armbrüster: Und glauben Sie, eine Koalition einfach aufkündigen ohne Vorwarnung, so wie es jetzt mit der CDU geschehen ist, das würden die Grünen mit der SPD nicht machen?

    Scholz: Das war nicht ohne Vorwarnung, das muss sich die CDU jetzt so erzählen. Tatsächlich ist es doch so gewesen, dass alle gedacht haben, das geht nicht mehr lange gut, und es ist auch nicht mehr lange gut gegangen.

    Armbrüster: Olaf Scholz war das, der designierte Spitzenkandidat der SPD im bevorstehenden Hamburger Bürgerschaftswahlkampf. Auch an Sie vielen Dank, Herr Scholz.

    Scholz: Auf Wiederhören!


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