Antje Koch ist 31 Jahre alt und hat gerade ihren ersten praktischen Einsatz im Krankenhaus als Arzt im Praktikum (AIP) hinter sich. "Mir macht meine Arbeit Spaß: mit Patienten etwas machen, ihnen helfen und sie unterstützen", sagt die junge Medizinerin. Dennoch fühlt sie sich überfordert und denkt oft, sie halte die hohe Belastung nicht durch. Denn Arzt im Praktikum, das hieß für Antje Koch Dauerstress: anderthalb Jahre Arbeit im Krankenhaus mit mehr als 60 Stunden pro Woche und zahlreichen Nacht- und Wochenenddiensten. Bei dieser hohen Belastung kann man den Eindruck gewinnen, dass die Nachwuchsmediziner und ihr guter Wille ausgenutzt werden. "Wenn man krank wird, dann sagt man dem Arzt: Um Gottes willen, Sie wollen mich für vier Tage krank schreiben?! Bitte höchstens zwei Tage. Denn man will seine Patienten nicht im Stich lassen", erzählt Antje Koch. Die Kollegen müssten auch mehr arbeiten, während man selbst seine Krankheit auskuriert. Katrin Werner vom Arbeitskreis junge Mediziner beobachtet, dass sich langsam eine furchtbare Stimmung unter den jungen Ärzten breit macht: "Ich kenne wahnsinnig viele Kollegen, die sagen, sie schaffen es nicht mehr, obwohl sie engagiert in den Job gegangen sind." Der Arbeitskreis setzt sich bei der Berliner Ärztekammer für die Rechte der Studierenden im Praktischen Jahr (PJ), der Ärzte im Praktikum und der Fachärzte in de Weiterbildung ein. Alle drei Berufsgruppen werden nach Ansicht von Katrin Werner ausgebeutet: "Sie arbeiten entweder für gar kein Geld im PJ, für sehr wenig Geld im AIP - knapp 1600 Mark netto monatlich - oder als Assistent unter Rahmenbedingungen, die sich kein normaler Mensch vorstellen kann." Die Liste der Klagen ist lang: Unbezahlte Überstunden, Nonstop-Schichten und Nachtbereitschaften, in denen dann doch mehr als die Hälfte der Zeit gearbeitet wird, obwohl das gerichtlich verboten ist. Beschwerden von Medizinern in der Ausbildung bei der Krankenhausleitung sind dennoch selten, vor allem aus Angst vor Repressalien. "Die Chefs untereinander haben ein gutes Netz", sagt Katrin Werner. "Die sagen dann: Den nehme ich nicht, der ist aufmüpfig, der weigert sich, Überstunden zu machen." Die Chefärzte hingegen klagen über die Krankenhausleitungen, die ihnen zu wenig Personal zur Verfügung stellen, und die Leitungen reichen den Schwarzen Peter an die Politik weiter, die zu wenig Geld ins Gesundheitswesen steckt. Gegen dieses ganze System wollen die Berliner Jungmediziner nun am Samstag protestieren. "Wir wollen uns morgen Unter den Linden, Ecke Friedrichsstraße, in weißen Kitteln und mit Putzzeug treffen, und werden dort Autos putzen", kündigt Antje Koch an. "Damit wollen wir darauf aufmerksam machen, dass wir mit Autoputzen womöglich viel mehr erreichen als Ärzte, die sich ausnutzen lassen."
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Das hält doch keiner durch!
Eine Studie der Berliner Ärztekammer brachte an den Tag: Viele junge Mediziner haben nicht nur mit ihrem verschulten und theorielastigen Studium Probleme, sondern auch mit der Arbeitsbelastung bei ihren Krankenhaus-Einsätzen. Die Arbeit von rund 85 Prozent der Berliner Nachwuchsmediziner verletzt gravierend das Arbeits- und Tarifrecht. Die Stimmung unter den Jungärzten ist schlecht, am Samstag will man dem Ärger mit einer Protestaktion Luft machen.