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Das Hartz-IV-Kochbuch

Etwa 4,40 Euro kann ein Hartz-IV-Empfänger am Tag für sein Essen ausgeben. Wie man sich trotzdem ausgewogen ernährt, haben Kurt Meier und Uwe Glinka herausgefunden. Die beiden arbeitslosen Hobbyköche haben ihre Rezepte im "Sparkochbuch" zusammengestellt.

Von Susanne Schrammar |
    "Ich brate jetzt hier gerade Speck an, weil: Ich möchte heute für mich und meine kleine Tochter, die nachher aus der Schule kommt, den märkischen Bauernauflauf machen. Der ist relativ einfach, dass er selbst mir gelingt - und das schmeckt auch sehr lecker."

    Vor allem ist der märkische Bauernauflauf, den Kurt Meier in seiner kleinen Küche unter dem Dach brutzelt, extrem preisgünstig. Weniger als 1,70 Euro kostet das Gericht für eine Person: ein Rezept, das der 54-Jährige aus der Nähe von Lüneburg gemeinsam mit seinem Freund Uwe Glinka in eine Rezeptsammlung aufgenommen hat, die die beiden speziell für Hartz-IV-Empfänger entwickelt haben.

    Für 28 Tage machen sie darin Rezeptvorschläge für Frühstück, Mittag- und Abendessen - immer unter 4,33 Euro pro Person, dem bisherigen Lebensmittelregelsatz. "Wir haben damit einen Nerv getroffen", sagt Kurt Glinka. Seit der ersten Auflage Ende 2008 haben die beiden fast 17.000 ihrer selbst gebastelten Broschüren in Umlauf gebracht: die meisten davon an Hartz-IV-Empfänger wie sie, so Glinka.

    "Beeindruckend ist, wie viele Institutionen sich bei uns gemeldet haben, zum Beispiel JVAs, Justizvollzugsanstalten, Kreisvolkshochschulen, die danach Kochkurse im Betrieb haben, oder Hauswirtschaftsschulen, Kirchen, die sich - zum Beispiel - Hunderte von Broschüren bestellt haben, die dann auch in den Konfirmandengruppen danach kochen wollen. Also, es ist beeindruckend, wie viele Leute darin eine Hilfestellung sehen."

    Die Idee entstand aus eigener Erfahrung. Glinka und Meier haben sich in einer Weiterbildungsmaßnahme für überfünfzigjährige Arbeitslose kennengelernt. Viele in der Gruppe klagten darüber, mit den staatlichen Leistungen nicht über die Runden zu kommen, erzählt Kurt Meier.

    "Und wir haben halt jeden Tag wieder zu hören bekommen, dass die Leute am 15. kein Geld mehr haben. So, dann haben wir mal ein bisschen hinterfragt, woran das eigentlich liegt - und dann sind wir so darauf gekommen, dass es eigentlich vordergründig daran liegt, dass die Leute nicht kochen, dass sie sich Tiefkühlprodukte kaufen oder Fast Food. Und dann kann das nicht funktionieren. Dafür ist das Budget zu gering."

    Für die Rezepte haben Meier und Glinka Landfrauenverbände in ganz Deutschland angeschrieben. Weil die oft noch Erfahrungen aus der Nachkriegszeit hätten, als das Geld ebenfalls knapp war. Deshalb besteht die Sammlung vor allem aus Hausmannskost: Hühnerfrikassee, Steckrübeneintopf, Rotwein-Schweine-Gulasch oder Omas Hackbraten: einfache Rezepte auch für Ungeübte. Jede einzelne Zutat hat eine Preisangabe, für die die beiden Männer wochenlang bei Discountern recherchiert haben.

    "Also, wir haben wirklich vor jedem Artikel gestanden, haben ihm in die Augen geguckt - habe ich immer gesagt - und die Preise aufgeschrieben."

    Uwe Glinka war früher Verkaufsleiter in einem Autohaus und ist seit acht Jahren arbeitslos. Kurt Meier hat einmal Informationselektroniker gelernt und findet seit zwei Jahren keinen neuen Job. Beide haben nur den Regelsatz von bisher 351 Euro zur Verfügung und wissen, wie es ist, wenn eine Tüte Chips oder eine Flasche Wein zum unerschwinglichen Luxus wird. Politische Aussagen über Hartz IV sind für sie jedoch tabu. Sie wollten nur Wege zu einer ausgewogenen Ernährung mit wenig Geld aufzeigen, sagt Kurt Meier.

    "Und ganz egal, wie ich darüber befinde oder wie ich darüber denke. Es hilft mir nicht. Es gibt den Satz und solange es keinen anderen gibt, muss ich damit auskommen."

    Dank der großen Nachfrage und vieler Medienauftritte ist ein Buchverlag auf die beiden preisbewussten Köche zugetreten. Seit Kurzem ist das "Sparkochbuch" von Kurt Meier und Uwe Glinka im Handel erhältlich. Es enthält 75 Speisepläne für Frühstück-, Mittag- und Abendessen, darunter auch Rezepte für Vegetarier und für Muslime ohne Schweinefleisch. Eine tägliche Dokusoap sei in Planung, erzählt Kurt Meier.

    "Unser Ziel ist eigentlich auch, mit diesem Ratgeber für uns selber persönlich den Weg aus der Arbeitslosigkeit zu finden, weil wir eben über 50 Jahre alt sind. Und nach den Hunderten von Absagen, die ich persönlich schon bekommen habe, ist es fast auszuschließen, dass wir noch mal in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Wir müssen jetzt keine Reichtümer haben. Aber wenn wir normal leben können, sind wir eigentlich schon zufrieden."

    Weitere Informationen:

    Sparkochbuch
    Kölner Egmont-Verlag, 8,95 Euro, 96 Seiten

    Über die Seite www.diesparratgeber.de ist die 31-seitige Broschüre weiterhin erhältlich und kostet fünf Euro inklusive Versand.