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Das Harvard des Kochens

Hinter dem Kürzel CIA verbirgt sich nicht allein die Central Intelligence Agency, also der US-Geheimdienst. Gourmets denken bei den drei Buchstaben an ein ganz anderes CIA: Das Culinary Institute of America, gelegen in der idyllischen Ortschaft Hyde Park, zwei Stunden nördlich von New York City, gilt als die beste Kochschule der Welt. Anders als in Europa, wo Kochen vor allem als Handwerk und nicht als Wissenschaft angesehen wird, absolvieren die Lehrlinge am CIA eine akademische Ausbildung.

Von Beatrice Uerlings |
    Selbst in der kalten Adventszeit sitzt er manchmal da, am Brunnen vor dem pittoresken Klosterbau, und schnuppert genüsslich durch:

    " Am liebsten mag ich den Duft von gerösteten Zwiebeln. So ein wohlriechendes Campusgelände gibt es sonst nirgends! "

    Tim Ryan ist der Direktor des CIA - der besten Kochschule der Welt. Den Grundstein für die Feinschmeckerakademie legten dereinst religiöse Dissidenten, die Unterschlupf in der Anlage fanden, und sich aus Dankbarkeit: am Herd nützlich machten.

    " Um nicht aufzufallen, zogen sie sich an wie die Priester, die sie aufgenommen hatten: Lange Roben, hohe Hüte. Aber aus Respekt wählten sie keine schwarzen, sondern weiße Uniformen! "

    Die weiße Kleiderordnung ist geblieben. Nicht so die Besinnlichkeit des einstigen Klosterlebens. Aus den 39 Lehrküchen des CIA dringen hektische Kommandos. Überall herrscht großes Gedränge, Dauerstress. Undenkbar, als Laie hier mit zu rühren.

    Tatsächlich sind die CIA-Studienanfänger keine wirklichen Anfänger: Angenommen wird nur, wer mindestens ein halbes Jahr Restaurant-Erfahrung mitbringt. Yonghee füllt Erdnüsse in eine Weihnachtsgans. Die Koreanerin hat ihr Praktikum in Paris gemacht: Doch das war ihr zu einseitig.

    " Mit dem wachsenden Wohlstand kommen immer mehr Koreaner auf den internationalen Geschmack: Ich bin hier, um die Küchen der Welt kennen zu lernen! "

    Anders als in Europa, wo angehende Köche bei einzelnen Meistern lernen, werden die Lehrlinge des CIA von 130 Dozenten aus aller Herren Ländern betreut. Ebenso kosmopolitisch wie der Lehrkörper ist der Speiseplan: Die Schule gilt als Keimzelle des Fusion-Stils: Jener Kochrichtung, die Aromen und Zutaten völlig neu kombiniert. Martin Frei, ein gebürtiger Schweizer, der seit Jahren am CIA unterrichtet, schwärmt von einer "UNO der Gastronomie".

    " Die Europäer hängen noch sehr an den hergebrachten Rezepten. Die Amerikaner sind flexibler. Dabei kommen ganz wunderbare Sachen zustande, etwa das hier: Kartoffelbrei mit geröstetem Knoblauch und Wasabi! "

    Doch nur wer sein Handwerk beherrscht, kann Dinge kreuzen, die zunächst unvereinbar scheinen. Deshalb ist die Lehre am CIA streng - und in ihren Grundzügen akademisch. Die Schüler müssen drei Jahre lang jede Woche Examen ablegen, alle drei Wochen wechseln sie in ein neues Fach, das auf das vorhergehende aufbaut. Benjamin steht kurz vor dem Abschluss.

    " Das beste ist, dass ich dann kein Fachdiplom, sondern einen anerkannten Bachelor in der Tasche habe. Das heißt, ich kann problemlos noch einen Master dranhängen, in Ernährungswissenschaften zum Beispiel. Diese Schule gilt zu Recht als das Harvard des Kochens! "

    Die Bibliothek des CIA kann tatsächlich mit jeder Elite-Uni mithalten: Sie umfasst mehr als 69.000 Bücher, die nicht nur von Essen und Kochen handeln. Die CIA-Schüler pauken auch Fremdsprachen, Psychologie und Management - die betriebswirtschaftlichen Fächer werden immer wichtiger, sagt Institutsdirektor Ryan:
    " Unsere Absolventen verlagern sich zunehmend von der Haute Cuisine auf die Industrie. Die Chefs für Produktentwicklung bei McDonald's oder Burger King etwa: Beide haben hier ihr Handwerk gelernt! "
    Praktische Erfahrung sammeln die Kochlehrlinge in den fünf institutseigenen Sterne-Lokalen, die oft wochenlang im voraus ausgebucht sind. Chris hat den ganzen Abend Soßen im "Escoffier" angerührt. Dennoch muss der 26 jährige gleich weiter, zum Nebenjob: Jedes CIA-Semester schlägt immerhin mit 10.000 Dollar zu Buche.

    " Ich bin jeden Tag von 5 Uhr morgens bis 6 Uhr abends auf den Beinen, arbeite alles in allem 70 Stunden in der Woche! "

    Doch der Einsatz lohnt sich: Auf Jobsuche müssen sich die CIA-Absolventen selten begeben. 95 Prozent unterzeichnen noch während ihrer Ausbildung ein Arbeitsvertrag.