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Das Harvard-Konzept auf dem Prüfstand

Im dritten Teil unserer Serie ''Karriere zum Hören'' stellt Campus und Karriere diesmal die Hör-CD ''Das Harvard-Konzept'' vor. Drei Forscher und Lehrkräfte der berühmten Universität präsentieren darauf eine Methode für erfolgreiches Verhandeln, die allerdings über Binsenweisheiten kaum hinausgeht.

    Der alte John Harvard hätte sich im Grabe umgedreht. Denn es mag ja sein, dass die drei Autoren des Harvard-Konzepts Roger Fisher, William Ury and Bruce Patton, alle drei in Harvard gelehrt und geforscht haben, aber ein paar so simple Ratschläge, wie sie auf dieser Hör-CD versammelt sind, müssten nicht zwingend den Namen einer der größten und ältesten Privatschule Amerikas tragen. Und es ist schwer zu glauben, dass sich - wie es auf dem Cover heißt - ''Das Harvard-Konzept'' weltweit als die Methode für erfolgreiches Verhandeln durchgesetzt hat. Oder hat sie sich schon so weit durchgesetzt, dass man es gar nicht bemerkt?

    Vieles aus der Harvard-Methode wird Ihnen aus eigener Anschauung längst bekannt vorkommen.

    Das heißt: Sie brauchen die CDs nicht - Sie wissen sowieso bereits das meiste. 125 Minuten lang wird Ihnen da erklärt, wie Sie geschickt verhandeln. Ein Großteil der Zeit vergeht mit dem Wiederholen von gerade Gesagtem.

    Zweck jeder Verhandlung ist es gerade den Interessen zu nützen. Das dies geschieht wird wahrscheinlicher, wenn Sie Interessen deutlich darlegen. Ich betone deutlich.

    Ja, an Deutlichkeit und Redundanz fehlt es nicht - die Produktion ist eindeutig für Leute, die nicht wirklich zuhören. Wer sich dennoch darauf konzentriert, spürt bald den Verlustschmerz der vergeudeten Zeit. Denn in gravitätischer Manier werden nichts als Binsenweisheiten verkündet. Klippschulfunk für Hartgesottene.

    Grundsatz Nummer ein: Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln.

    Und nicht immer alles durcheinander werfen.

    Grundsatz Nummer Zwei: Konzentrieren Sie sich auf Interessen, nicht auf Positionen.

    Interessen? Statt Positionen? Oder doch Interessen? Oder lieber Positionen?

    Grundsatz Nummer Drei: Entwickeln Sie Optionen zum beiderseitigen Nutzen.

    Und nicht etwa zum beiderseitigen Schaden.

    Grundsatz Nummer vier: Bestehen Sie auf objektiven Kriterien.

    Ja dann! Herr Kohlbrannt ist jedenfalls so hirnverbrannt, alles, aber auch einfach alles falsch zu machen...

    Guten Tag, Kohlbrannt am Apparat. Sagen Sie Herr Hecker, das kann doch wohl nicht wahr sein. Die Heizkörper sind ja immer noch nicht montiert, erst hieß es Anfang des Monats, dann wurde es Mitte des Monats. Das ist doch eine unglaubliche Schlamperei. Also entschuldigen Sie Herr Kohlbrannt, ich hatte Ihnen gleich gesagt, dass für diesen Bautyp von Heizungskörpern derzeit erhebliche Lieferschwierigkeiten bestehen, insofern ist das überhaupt nicht unsere Schuld. Außerdem ist mir in der letzten Woche ein Monteur ausgefallen. Ja, aber das interessiert mich nicht ,wir haben schließlich eine Vereinbarung. Aber ich kann mir doch meine Mitarbeiter nicht aus dem Ärmel schütteln. Dann müssen Sie sich eben etwas einfallen lassen. Ich gebe Ihnen noch eine Woche, ansonsten werde ich Sie in Regress nehmen, darauf können Sie sich verlassen Herr Hecker. Auf Wiederhören.

    Während die Dialoge nach Laienspielgruppe klingen, ist der Vortrag eine akustische Hypnose-Sitzung: Man wird so lange von Selbstverständlichkeiten eingelullt, bis man auch das Atmen für einen Bestandteil der Harvard-Methode hält.

    Aber bitte erwarten Sie nicht zuviel, kein Ratgeber der Welt kann mehr leisten, als Ihnen Anstöße zu geben, denn niemand, außer Ihnen selbst, kann Sie tatsächlich zum Experten machen. Wenn Sie ein Buch über Aerobic oder Tennis lesen, sind Sie noch lange nicht schlank oder gleich ein Tenniscrack. Es kommt auf Ihre Übung an, beim Verhandeln ist das nicht anders.

    Enervierend ist an diesen Ratgeber-CDs fast alles: der vor Banalitäten ächzende Text genauso wie die überdreht bedeutungsschwere Sprechweise. Wer so bei Verhandlungen daherkommt, macht sich höchstens lächerlich.

    Wenn Sie auf harten Verhandlungsstil stets nur soft reagieren, werden Sie vermutlich auch noch Ihr letztes Hemd verlieren.

    Also wie denn nun? Hart oder soft? Guter Rat ist teuer, schlechter kostet den Preis dieser zwei CDs.

    Es gibt einen dritten Weg, den man weder als hart, noch als weich bezeichnen kann. Sondern als hart und weich. Ich meine die Methode des sachbezogenen Handelns. Donnerwetter! Wer hätte das gedacht! Das Harvard-Konzept ist wohl eher die Kunst, dem Publikum mit überformulierten Platituden ein paar Dollar oder Euro aus der Tasche zu ziehen.