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Das humanistische Studieninstitut des Umberto Eco

Umberto Eco, Zeichentheoretiker und Schriftsteller, lebt in Paris und Bologna. Seine Kontakte sind hervorragend, seine Visionen überzeugend. Zu seinen jüngsten Visionen gehört ein europäisches Instituts für humanistische Studien. Dafür konnte Eco bereits eine Reihe renommierter Partner gewinnen: in Frankreich, Italien und den USA.

    Unser Vorschlag bezieht sich auf eine Linie des Denkens, die ganz in der Tradition der europäischen Kultur steht. Ich meine damit eine Kultur, die immer schon, von ihren Anfängen an, interdisziplinär war. Nehmen Sie nur die gebildeten Mönche des Mittelalters: die waren Philosophen und Mathematiker, Architekten und Literaten und Historiker. Religion und Wissenschaft gingen Hand in Hand.

    Für Umberto Eco ist das interdisziplinäre Denken wesentlicher Bestandteil jedes Forschens und jeder Betrachtung der Welt. Der Semiologe und Schriftsteller hat sich Zeit seines wissenschaftlichen Lebens darum bemüht, möglichst viele Disziplinen der Geisteswissenschaften in seinen Projekten zu vereinen: Ob es sich um die Semiotik handelt, die Deutung von Zeichen der modernen Welt, oder um seine Romane, wie zum Beispiel das "Pendel des Foucault" oder "Im Namen der Rose". Umberto Eco will aber noch einen Schritt weitergehen im Zusammenbringen aller Bereiche, die das ausmachen, was er - ganz in Anlehnung an die Renaissance - Humanismus nennt. Eco hat die Vision für ein Projekt, von dem nicht nur er profitiert, sondern alle, die sich mit dem Humanismus und seinen Ausprägungen auseinandersetzen wollen. So wurde die Idee des ersten europäischen Instituts für humanistische Studien geboren:

    Hier soll eine fantastische Reise durch die Zeit und das Denken dieser Zeit unternommen werden. Wer hier studiert, hat die Möglichkeit intellektuell zu reisen und das mit Hilfe der besten Professoren, die es auf diesen Gebieten in Europa und den USA gibt. Deshalb drängte ich von Anfang an darauf, dass dieses neue Forschungsgeschöpf in Florenz mit den wichtigsten geisteswissenschaftlichen Instituten zusammenarbeitet Und das alles mit dem Ziel, intellektuelle Stimuli zu geben.

    Eco, der in Bologna und in Paris lebt, verfügt über ausgezeichnete Kontakte im Bereich der Geisteswissenschaften. So gelang es ihm schnell, einige der angesehensten Institute für sein Projekt zu begeistern. An dem in diesem Herbst mit seiner Arbeit beginnenden "Institut für humanistische Wissenschaften" beteiligen sich die "Ecole des Hautes Etudes e Sciences Sociales" und die "Ecole Pratique des Hautes Etudes", beide in Paris, sowie das "Institute for Advanced Studies" im US-amerikanischen Princeton, Darüber hinaus sind auch Wissenschaftler der britischen Robbins Collection involviert. Ecos Ziel ist es, das gesamte humanistische Denken zwischen Mittelalter und Renaissance zu untersuchen - jene Zeit, so Umberto Eco, in der die Grundlagen für das moderne Europa gelegt wurden. Eine Zeit, meint er, die bis heute in ihren gesamten Zusammenhängen noch nicht hinlänglich erfasst worden sei:

    Ich gehöre leider keiner Zelt mehr an, in der ein Mensch das Wissen seiner Epoche ganz in sich vereinigen konnte. Früher, zwischen Mittelalter und Renaissance, war das noch möglich. Unser Institut will Studierenden die Möglichkeit geben, in den Rausch zu gelangen, dieses gesamte Wissen annähernd zu erfahren. Ich denke mir, dass es uns gelungen ist, hier in diesem Institut das Beste vom Besten zusammenzubringen.

    Sitz des Instituts für humanistische Studien ist der Florentiner Palazzo Strozzi in der Innenstadt. In jedem Herbst sollen 18 Doktorandenstipendien an Studenten aus aller Welt vergeben werden. Finanziert werden diese Stipendien vom Bildungsministerium und der Region Toskana. Die Doktoranden in Geschichte, Philosophie und den anderen Bereichen der humanistischen Studien sollen, so Umberto Eco, die Möglichkeit haben, mit Hilfe modernster elektronischer Technologien zu forschen. Das heißt, die einzelnen am Institut mitbeteiligten Forschungseinrichtungen in Europa und in den USA sind via Internet in ständigem Kontakt. Auch wenn nicht alle Professoren ständig in Florenz präsent sind, so sind sie doch via Kabel ständig ansprechbar. Das gleiche gilt auch für die Bibliotheken. Die Archive aller Forschungseinrichtungen sind jederzeit per Internet verfügbar. "Wie im hohen Mittelalter", schwärmt der bärtige Semiotiker Eco, "können unsere Stipendiaten ein wissenschaftliches Vollbad in der Kultur einer Epoche nehmen, die mindestens genauso vielfältig war wie unsere."