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Das Internet ist voll

Das Internet stößt an seine Kapazitätsgrenzen. Dabei haben wir uns doch gerade erst an den Gedanken gewöhnt, dass das Internet prinzipiell endlos ist, so endlos wie das menschliche Gehirn – prinzipiell zumindest.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Die Unendlichkeit war schon immer etwas schwer zu Verstehendes. Das muss damit zusammenhängen, dass sie so groß ist. Wer ab und zu Gelegenheit und Muße hat, den Sternenhimmel anzuschauen, kommt sich nach einer Weile unendlich klein vor. Das ist immerhin ein erster Schritt zum Verständnis von Unendlichkeit. Eine andere Möglichkeit bietet die Betrachtung meines Schreibtisches. Der wird nie aufgeräumt und deshalb immer voller. Man glaubt es nicht, was sich da alles ansammelt: ein ganzes Universum von gehabten Ideen, alten Rechnungen und verlegten Akten. Bekanntlich dehnt sich das Universum aus. Bloß der Schreibtisch wächst nicht mit.

    Ungefähr so hat man sich wohl die Problematik vorzustellen, die hinter der Meldung steckt, das Internet stoße an seine Kapazitätsgrenzen. Dabei haben wir uns doch gerade erst an den Gedanken gewöhnt, dass das Internet prinzipiell endlos ist, so endlos wie das menschliche Gehirn – prinzipiell zumindest. Da kann jedenfalls auch niemand sagen, wie viele Informationen hineinpassen, und wir müssen, wenn es eng wird, nicht erst einen Namen vergessen, um uns einen neuen merken zu können.

    Das Internet vergisst ja auch nichts, jeder Humbug bleibt unlöschbar gespeichert, ewig auffindbar, der Humbug sogar ganz besonders. Das ist nicht anders als in Köpfen und auf Schreibtischen. Es scheint, als wäre der Nonsens irgendwie von härterer Beschaffenheit als jede andere geistige Materie. Deswegen täte vielleicht Entsorgung not, Wachstumsbegrenzung, wie sie einst vom Club of Rome angesichts befürchteter Überbevölkerung gefordert wurde. Aber wie sieht Überbevölkerung im Netz aus? Laufen dort zu viele Avatare herum? Sollte man mal in den Blogs ausmisten? Oder wäre es angezeigt, das E-Mail-Aufkommen zu reduzieren? Vier Fünftel aller Elektropost weltweit sind Spam. Kein Wunder, dass das Internet vollzulaufen droht.

    Dabei ist der ganze Überfüllungsalarm noch unnötiger als einst beim Club of Rome. Erstens geht es nur um Adressen und nicht um Inhalte. Zweitens muss man bloß auf eine andere Technik umsteigen, und schon werden aus 4,3 Milliarden Möglichkeiten 340 Sextillionen. Oh, wie beruhigend das doch klingt. Wie die Verheißung, seinen Schreibtisch wirklich nie mehr aufräumen zu müssen.