Schäfer-Noske: In den ersten Reaktionen auf den Karikaturen-Streit ist man in Deutschland und anderen europäischen Ländern an breiter Front für Redefreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit eingetreten. Am vergangenen Wochenende mehrten sich dann aber auch nachdenkliche Stimmen und es wurde die Frage gestellt - die wir eben auch von Katajun Amirpur in einer überspitzten Formulierung gehört haben: "Muss man im Namen der Pressefreiheit alles in den Dreck ziehen, auch wenn es andere Menschen verletzt".
Darüber habe ich mit dem Politologen Claus Leggewie gesprochen. Und zwar habe ich ihn gefragt, ob wir in den Medien mehr Rücksicht nehmen sollten, zum Beispiel auf die religiösen Gefühle von Muslimen?
Leggewie: Ich glaube nicht, dass man das eine generelle Lösung finden kann. Man kann nicht den Medien insgesamt irgendein sehr spezifisches Verhalten vorschreiben. Ich glaube, wir sollten nicht davon ablassen, dass Religionen unter Kritik stehen, dass man sich über Religion auch lustig machen kann, das gilt in Europa als Meinungs- und Pressefreiheit und das beinhaltet bei uns immer auch die Möglichkeit blasphemischer, also gotteslästerlicherer, Äußerungen, und wenn ich also Respekt vor religiösen Äußerungen praktisch zu einer Leitlinie für Zeitungsredaktionen, Rundfunkredaktionen, Satiriker, Karikaturisten machen würde, dann nicht, weil ich auf diese Kritik verzichten würde, weil ich das Recht auf Blasphemie einschränken möchte, sondern einfach nur deswegen, weil ich ankenne, dass wir auf der Suche nach global gültigen Regeln sind und die, die der westlichen Welt dann erarbeitet worden sind in langen Kämpfen und auch mit langen, langen Umwegen und Abwegen, das ich die nicht unbedingt in der globalen Kommunikation gleich vorschreiben kann.
Schäfer-Noske:Wie sehen sie es denn im konkreten Fall?
Leggewie: Im konkreten Fall würde ich sagen, wenn ich von hinten anfangen würde und nur die organisierten Proteste des Mobs in vielen arabischen Städten mir angucke, dann würde ich zu einer harten Reaktion neigen und insbesondere keinen Grund sehen für eine Entschuldigung, weder der Zeitungsredaktion noch gar der Regierungen.
Auf der anderen Seite, wenn ich mir die Entstehung des ganzen Konflikts anschaue, dann würde die dafür werben, im Blick auf eine multireligiöse Weltgesellschaft Vorsicht walten zu lassen, ohne das Prinzip der Kritik auch an religiösen Vorstellungen damit zu kassieren. Ich würde einfach sagen, wir müssen akzeptieren, dass in islamischen Gesellschaften ein Bilderverbot besteht. Wir brauchen uns hier nur an lange vergangene aber immerhin vorhandene Perioden und Epochen der christlichen Geschichte, wo es auch mal ein Bilderverbot gegeben hat, sowohl in bestimmten Richtungen des Protestantismus als auch vor allen Dingen in Ostrom und in Byzanz. Das müssten wir wieder verstehen lernen, hiermit müssten wir uns auseinandersetzen und dann in der Tat in so etwas wie einem unter dem Gesichtspunkt der Toleranz stehenden interreligiösen Dialog uns versuchen anzunähern.
Wir müssen zunächst einmal akzeptieren, dass wir ziemlich unversöhnliche Vorstellungen aufeinander haben prallen sehen und das ist nicht der Kampf der Kulturen. Im Gegenteil das ist der Versuch, den Kampf der Kulturen zu überwinden und sich mit Vorstellungen anderer in einer Weise auseinander zu setzen, die von den eigenen Prinzipien nicht lässt, aber gleichzeitig Toleranz übt gegenüber Prinzipien, die man nicht versteht und die man eigentlich auch nicht dulden kann.
Das ist nämlich das Wesen der Toleranz. Toleranz ist nicht oberflächliches alles Nebeneinanderstellen sondern etwas dulden, was man nicht versteht. Und hier würde dann das Bilderverbot bei den Muslimen eine Rolle spielen, nicht hingegen der organisierte Protest, der ja diese Vorkommnisse in Dänemark und die entsprechenden Druckerzeugnisse, die sich daran angeschlossen haben, nur als Anlass, als willkommenen und billigen Anlass nimmt, um sehr intolerant, sehr wenig unter Freiheitswerten diskutabel, Polemik gegen den Westen zu machen.
Schäfer-Noske: Bis 1969 gab es ja im Strafrecht auch diese Schmähverbote noch in stärkerem Maße als heute. Heute gibt es ein Schmähverbot, wenn dadurch der gesellschaftliche Friede in Gefahr wäre, also es ist schon sehr stark gelockert worden. Soll man da zur alten Regelung zurück?
Leggewie: Nein, auf gar keinen Fall, das hat man teilweise im Bezug auf die Vorkommnisse um Theo van Gogh und den Mord an Theo van Gogh in den Niederlanden gesagt, das man sagt, um des interkonfessionellen Friedens willen sollten wir nun jeder Art von Religionskritik weit zurückfahren. Das ist eben genau die falsche Reaktion. Man muss hier zu etwas kommen wie einem verantwortlichen Umgang mit Kritik.
Schäfer-Noske: Der Politologe Claus Leggewie war das zur Diskussion über Meinungsfreiheit und Rücksichtnahme anlässlich des Karikaturenstreits.
Darüber habe ich mit dem Politologen Claus Leggewie gesprochen. Und zwar habe ich ihn gefragt, ob wir in den Medien mehr Rücksicht nehmen sollten, zum Beispiel auf die religiösen Gefühle von Muslimen?
Leggewie: Ich glaube nicht, dass man das eine generelle Lösung finden kann. Man kann nicht den Medien insgesamt irgendein sehr spezifisches Verhalten vorschreiben. Ich glaube, wir sollten nicht davon ablassen, dass Religionen unter Kritik stehen, dass man sich über Religion auch lustig machen kann, das gilt in Europa als Meinungs- und Pressefreiheit und das beinhaltet bei uns immer auch die Möglichkeit blasphemischer, also gotteslästerlicherer, Äußerungen, und wenn ich also Respekt vor religiösen Äußerungen praktisch zu einer Leitlinie für Zeitungsredaktionen, Rundfunkredaktionen, Satiriker, Karikaturisten machen würde, dann nicht, weil ich auf diese Kritik verzichten würde, weil ich das Recht auf Blasphemie einschränken möchte, sondern einfach nur deswegen, weil ich ankenne, dass wir auf der Suche nach global gültigen Regeln sind und die, die der westlichen Welt dann erarbeitet worden sind in langen Kämpfen und auch mit langen, langen Umwegen und Abwegen, das ich die nicht unbedingt in der globalen Kommunikation gleich vorschreiben kann.
Schäfer-Noske:Wie sehen sie es denn im konkreten Fall?
Leggewie: Im konkreten Fall würde ich sagen, wenn ich von hinten anfangen würde und nur die organisierten Proteste des Mobs in vielen arabischen Städten mir angucke, dann würde ich zu einer harten Reaktion neigen und insbesondere keinen Grund sehen für eine Entschuldigung, weder der Zeitungsredaktion noch gar der Regierungen.
Auf der anderen Seite, wenn ich mir die Entstehung des ganzen Konflikts anschaue, dann würde die dafür werben, im Blick auf eine multireligiöse Weltgesellschaft Vorsicht walten zu lassen, ohne das Prinzip der Kritik auch an religiösen Vorstellungen damit zu kassieren. Ich würde einfach sagen, wir müssen akzeptieren, dass in islamischen Gesellschaften ein Bilderverbot besteht. Wir brauchen uns hier nur an lange vergangene aber immerhin vorhandene Perioden und Epochen der christlichen Geschichte, wo es auch mal ein Bilderverbot gegeben hat, sowohl in bestimmten Richtungen des Protestantismus als auch vor allen Dingen in Ostrom und in Byzanz. Das müssten wir wieder verstehen lernen, hiermit müssten wir uns auseinandersetzen und dann in der Tat in so etwas wie einem unter dem Gesichtspunkt der Toleranz stehenden interreligiösen Dialog uns versuchen anzunähern.
Wir müssen zunächst einmal akzeptieren, dass wir ziemlich unversöhnliche Vorstellungen aufeinander haben prallen sehen und das ist nicht der Kampf der Kulturen. Im Gegenteil das ist der Versuch, den Kampf der Kulturen zu überwinden und sich mit Vorstellungen anderer in einer Weise auseinander zu setzen, die von den eigenen Prinzipien nicht lässt, aber gleichzeitig Toleranz übt gegenüber Prinzipien, die man nicht versteht und die man eigentlich auch nicht dulden kann.
Das ist nämlich das Wesen der Toleranz. Toleranz ist nicht oberflächliches alles Nebeneinanderstellen sondern etwas dulden, was man nicht versteht. Und hier würde dann das Bilderverbot bei den Muslimen eine Rolle spielen, nicht hingegen der organisierte Protest, der ja diese Vorkommnisse in Dänemark und die entsprechenden Druckerzeugnisse, die sich daran angeschlossen haben, nur als Anlass, als willkommenen und billigen Anlass nimmt, um sehr intolerant, sehr wenig unter Freiheitswerten diskutabel, Polemik gegen den Westen zu machen.
Schäfer-Noske: Bis 1969 gab es ja im Strafrecht auch diese Schmähverbote noch in stärkerem Maße als heute. Heute gibt es ein Schmähverbot, wenn dadurch der gesellschaftliche Friede in Gefahr wäre, also es ist schon sehr stark gelockert worden. Soll man da zur alten Regelung zurück?
Leggewie: Nein, auf gar keinen Fall, das hat man teilweise im Bezug auf die Vorkommnisse um Theo van Gogh und den Mord an Theo van Gogh in den Niederlanden gesagt, das man sagt, um des interkonfessionellen Friedens willen sollten wir nun jeder Art von Religionskritik weit zurückfahren. Das ist eben genau die falsche Reaktion. Man muss hier zu etwas kommen wie einem verantwortlichen Umgang mit Kritik.
Schäfer-Noske: Der Politologe Claus Leggewie war das zur Diskussion über Meinungsfreiheit und Rücksichtnahme anlässlich des Karikaturenstreits.