"Also die Druckausgleichsöffnungen. Das was ich hier in der Hand habe, ist der Stabilo, wir legen den Schirm nicht so hin, wie ihr's gesehen habt, wir schlagen ihn so weit herein, um was zu verhindern? Das nie das passieren kann."
Geschickt breitet Otto Kahn den Schirm auf dem grasgrünen Hang aus, bis er seine volle Streckung erreicht. Die Eintrittsöffnung muss sauber liegen, wie ein Halbmond geformt, hier strömt die Luft rein um den Schirm zu füllen, ihm Profil zu geben. Dann die Leinen, vier Gruppen, unterschiedlich gefärbt, A, B, C, D, plus Steuerleinen in Blau. Was bei Otto recht spielerisch aussieht, ist in Wahrheit verzwickt. Kleine Hügel und hohes Gras machen das Handling des Schirms nicht leichter. Aber es kommt auf den Standpunkt an: Verglichen mit dem, was wir vor fünf Tagen gezeigt haben, sieht das auch bei uns schon elegant aus. Schirmauslegen und Leinen ordnen: zigfach geübt. Das Ziel der Grundausbildung, möglichst selbstständig Gleitschirmfliegen. Wir arbeiten daran.
Gleichmäßig streicht der Wind aus dem Trog hinauf. Gleich heißt es starten, Fahrt aufnehmen, dann sofort links, über den kleinen Sattel, den der Hang dort bildet, den Lift überqueren und die 1000 Meter Höhenunterschied zum Tal abfliegen, runter nach Westendorf. Vorfreude und Aufregung mischen sich mit einer gehörigen Portion Respekt – das Gelände ist steil, nach zehn Metern kommt eine Kuhle, spätestens dort sollte der Start abgeschlossen sein. Nun heißt es noch warten auf die anderen Flieger.
"Ja die Flugschule ist jetzt für Westendorf schon wichtig."
Sagt Vanessa, Fluglehrerin in Ottos Flugschule und seine Tochter.
"Ja, weil es im Sommer ein Zusatzangebot gibt, durch das Tandemfliegen. Die Leute haben eben die Möglichkeit nicht nur den klassischen Sommerurlaub zu machen, sondern können sich mehr oder weniger einen Erlebnisurlaub geben. Gerade die Pensionen nach eigenen Aussagen, leben mehr oder weniger im Sommer von Paraglidern, da die ganzen Häuser dort hinüber, weil natürlich wochenends viel vom Münchner Raum reinkommt und Westendorf ist einfach von der geografischen Lage vom Fliegerischen her ein Mittelpunkt. Also vor Jahren sind da schon die Wettkämpfe ausgetragen worden, weil sie einfach von geografischer und meteorologischer Sicht gesehen ein optimaler Standpunkt."
An thermisch aktivenTagen hängt der Himmel bunt voller Schirme und das Tourismusgeschäft in der 3500-Seelen-Gemeinde floriert. Nicht so stark wie in der Skisaison, aber doch so, dass Restaurants und Betten ausgelastet sind. Bevor Gleitschirmfliegen und Mountainbiking die Leute ins Brixental lockte, hieß das Toursimuskonzept schlicht "Sommerfrische". Viele aus dem Einzugsgebiet München reisten an, für ein Wochenende oder auch länger.
"Mir ham mit dem Fremdenverkehr angefangen, das war 1958. 1958 hatten wir die ersten Gäste gehabt. Natürlich im ganzen Haus, da war noch kein Fließwasser nix drin, da war noch kein Telefon, und da ham wir den Dachboden schön ausgebaut. Schön langsam ham wir des gemacht."
Das Dach mit den Schieferschindeln ragt weit hinunter, die Vorderseite des alten Bergbauernhofs leuchtet rotbraun in der Abendsonne. Ihr uriges Aussehen verdankt die Zieplalm dem 400 Jahre alten Fichtenholz. Seit nunmehr 50 Jahren ist man hier im Tourismusgeschäft. In der Gründerzeit des Fremdenverkehrs waren vor allem Kutschfahrten nachgefragt. Erinnert sich Josef Steindl, der Hüttenwirt vom Zieplhof.
"Da war das Telefon und dann bin ich verständigt worden. Da bin ich dann verständigt worden. Und da habe ich eine Anmeldestelle gehabt."
Im Sommer ging's vorbei an blühenden Bergwiesen, im Winter bekamen die Kutschen Kufen und die Pferde Glöckchen. Bis sie irgendwann anfingen, die Berge mit Straßen zu erschließen. Mit den Autos kam der Winterdienst, dem Schnee wurde mit Pflug und Salz zu Leibe gerückt, keine guten Voraussetzungen für winterliche Kutschfahrten. Aber so richtig traurig scheint Josef Steindl darüber gar nicht gewesen zu sein.
"Da war ich eigentlich froh, als ich das nicht mehr machen musste, und dann hatte ich die Jausenstation."
In einer großen Pfanne werden Käsespätzle serviert, für vier Personen. Knusprig gebräunt und köstlich käsig. "Für des" sagt der Hüttenwirt, kommen sie extra aus dem Tal rauf.
"Was sollte sein, aha ich stelle meinen Schirm auf, ich beginne meinen Startlauf, mein Körper bleibt leicht vorne geneigt. Schaut's einmal, jetzt habe ich auch meine Hände im Auge."
Was einfach ausschaut und verständlich klingt, ist dann in der Umsetzung doch nicht so leicht. Der Schirm reagiert sensibel und schnell auf kleine Störungen, die Korrektur wirkt dann erst mit leichter Verzögerung. Was Otto dann sagt, ist alles andere, als ermutigend:
"Das ist a Gefühlssportart. Das heißt, die Frauen sackeln die Männer ein, die haben überhaupt keine Chance. Ganz wenige Frauen, die ängstlich sind, kommen über das nicht hinweg. Aber sonst, wenn Frauen nicht änglich sind, sind sie uns weit weit überlegen. Warum? Weil die von Anfang an nicht mit der Kraft arbeiten, sondern meist zierliche Wesen sind und die Kraft gar nicht hätten und jetzt geht's um die Technik. Sie fühlen, sie gehen gleich mit dem Schirm. Und die Männer: Ah, da zieht's, da halte ich gleich mal dagegen und des verschlimmerts das Ganze natürlich."
Damit das nicht passiert, waren wir zwei volle Tage auf dem Übungshang. Rund 15 Starts, um zu begreifen, wie der Schirm sich verhält, wie man ihn kontrollieren kann.
"Paragleiten ist ein bisschen so wie Autofahren. Ihr müsst das sofort ins Unterbewusste hinunterbringen. Aha, Kupplung erster Gang, und später fällt das weg. Und hier haben jetzt eigentlich nur Folgendes, die Aufziehphase, ich spüre hier Widerstand. Schirm kommt, Hände gehen weg ich bremse leicht, Körper kippt ab und ich beginne zu laufen. Das sind die drei Dinge, die muss ich mir irgendwie einimpfen wenn ich dastehe."
Kleiner Impuls, Schritt nach vorne, der Schirm zieht auf, die A-Gurte loslassen, Kontrollblick, nach vorne in den Abhang hineinlegen, und jetzt rennen, rennen, solange bis der Schirm trägt.
Das ist geübt und funktioniert. Doch heute sind es eben nicht mehr 50 oder 300 Meter, sondern 1000.
Andreas Burgmann sitzt auf einem länglichen Stein, gleichzeitig Schemel und Amboss. Sein langer Bart reicht fast bis zum Sensenblatt, auf das der rundköpfige Hammer in immer gleicher Präzision runterklopft.
"Aber das hast du immer. Sensen schön machen. Und Hufeisen, Zahlen hinein, 30, 45, was die Leute Geburtstag haben, Goldene Hochzeit, Silberne Hochzeit, das mach ich mit den Hufeisen, und dann tu ich das Mähmesser reparieren und schön schleifen und dann tu ich die Sensen herrichten und die Stiele, damit sie gut gemacht sind, die Sensen und damit sie einfach gut mähen, mit Leichtigkeit."
Verabredet haben wir uns am Telefon. Burgmann ist ein Original, das sagen die Westendorfer und auch er über sich selbst. Rundfunk und Fernsehen lieben ihn und umgekehrt. Interview? Kein Problem. Das mache er gerne.
Die Sense, sagt der Niedinger Anda, wie er im Dorf heißt, die Sense sei hier auf den Bergwiesen Tirols dem neumodischen Mähbalken und ähnlichem um Längen voraus.
"Mit dem Elektro, wie sagt man, die Motorsense sagt man, mit einem Benzinmotor, die schnallt man an, aber das ist eine Notfalllösung. Da kommt man nicht weit mit 'Die ist nicht so schnell wie die Sense'. Wenn einer gut Sensen kann, dann tut er ja das Zehnfache und billiger kommts auch, der Treibstoff ist ja sauteuer."
Immer donnerstags brummt es in Westendorf-City, dann ist ein Teil der Dorfstraße für Autos gesperrt. Schau Zuichi Markt heißt das Event. Tiroler Prügeltorte, Auszochne Nudl mit Preiselbeeren oder herzhaft mit Sauerkraut. Daneben stickende Frauen, gegenüber dengelt der Niedinger Anda schon die nächste Sense. Tiroler Tradition und Trachtenpracht soweit das Auge reicht.
"Am Abend lassen hier Lokalgrößen wie die Frankie Brothers und der Auner Andy deutsche Schlagerträume wahr werden. Im Gasthof "Zur Post" zum Beispiel, als Beilage zum Barbecue."
Besonders begeistert von der traditionell-tirolerischen Seite Westendorfs scheinen ältere Semester und kleine Kinder. Im Sommer sind sie deutlich in der Überzahl. Dabei biete die Region vor allem sportlich Aktiven viele Möglichkeiten, weiß Sandra Thomann vom hiesigen Tourismusverband.
"Unsere Region hat sich im Sommer speziell auf den Mountainbiker spezialisiert."
Höhepunkt ist der Kitzalpbike, ein einwöchiges Mountainbike-Festival. Auch Kletterer und Wanderer entdecken die Region für sich, ergänzt Sandra Thomann.
Dass die Region – auch unabhängig vom Freizeit- und Sportangebot – Jugendliche anzieht, belegt Familie Hoggenmüller.
"Also bei uns war eigentlich der ausschlaggebende Punkt die Kinder. Die Kinder ham sich in die Berge einfach wohler gefühlt. Die ham immer gesagt: Mamma, irgendwann ziehn wir dahin."
Jetzt lernt die Tochter Hotelfachfrau und der Sohn macht eine Ausbildung zum Koch, am Ortsrand betreibt die Familie seit einigen Jahren eine Pension. Mit Pool und Sauna. Um das Wellness-Angebot zu erweitern, macht Barbara Hoggenmüller gerade eine Massageausbildung. Die Einrichtung, wesentlich moderner als im Zieplhof, auch gediegener. Abgesehen von solcherlei Ausstattungsmerkmalen, sagt Frau Hoggenmüller, muss man aber schon beim Frühstück ansetzen, wenn das mit der Wellness klappen soll.
"Mir macht das immer Spaß. Ich bin gerne mit Gästen, mit Leuten, mit Fremden, weil man kann sehr viel lernen von fremde Leute, die Kultur und alles, des interessiert mich und ich unterhalt mich auch gern mit den Gästen beim Frühstück und das lieben die Gäste auch. Also ich muss sagen, wenn man sich beim Frühstück ein bisschen unterhält, dann kriegt man auch den persönlichen Kontakt zu den Gästen und des ist eigentlich des Schöne daran."
"Und geht schon. Weiter, Weiter, Bremsen und Laufen, Bremsen und Laufen., maximal Speed. Das war der Start, einfach fliegen."
"Dieses Licht auf den Hängen, während in den Schatten das Himmelsblau fortatmete, es war so schön, dass ich es nicht beschreiben kann."
… notierte der Lienzer Christoph Zanon.
Zeilen, wie gemacht für diesen ersten langen Flug durch die Bergwelt Tirols. Auch der Hinweis, dass sich die Erhabenheit letztlich gar nicht in Worte fassen lässt.
Die Vormittagssonne hat die kurzgeschorene Wiese unterhalb erwärmt, die aufsteigende Luft lupft den Schirm an. Zurückgelehnt im Sitzbrett den Hang entlang gleiten, Adrenalin? Ja, aber gleichzeitig auch völlige Entspannung.
Abenteuerlich ist das Gleitschirmfliegen nur auf den ersten Blick. Statistisch ist es sicherer als vergleichbare Flugsportarten. Motorradfahren etwa, ist um den Faktor 2-3 gefährlicher.
"Bei uns heißt's, wenn einer vorm Gewitter rausfliegt in der Zeitung. Ja aus unerklärlichen Gründen stürzte dieser Pilot ab. Es war, weil ein Gewitter hereingezogen ist, der da oben gar nix mehr verloren hat und mit diesem Turbulenzgrad gar nichts mehr hat machen können, das wird nicht weitergegeben. Und so entsteht halt die Meinung, dass der Sport gefährlich ist und unvorhersehbare Dinge von einer Sekunde auf die nächste passieren und du siehst ja selber mittlerweile, dem ist nicht so."
Nichtsdestotrotz ist die Eigenverantwortung groß. Grob-fahrlässige Flugfehler oder eine falsche Wettereinschätzung sind unverzeihlich. Da das Steuern des Schirms schnell eingeübt ist, behandelt der Großteil der Ausbildung das Sicherheitstraining. Auch die technische Entwicklung des Fluggeräts diente in den vergangen Jahren vor allem dem Ziel, das Gleitschirmfliegen noch sicherer zu machen. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung steht der Sport nicht immer gut dar. Zu unrecht, wie Vanessa sagt.
"Das Hauptproblem in den Medien ist, dass die Berichte von Leuten geschrieben werden, die keine Ahnung von dem Flugsport haben. Wir werden dargestellt, als ob wir die wildesten Hunde wären und nicht an unserem Leben hängen würden. Ja, ich würde sagen, also auch wenn Leute auf mich zukommen, ja dann sag ich immer glaubt's ihr wirklich, dass mein Vater, die ganze Familie, alle Kinder fliegen wir, wenn das so gefährlich wäre, uns allen geholfen hätte diesen Sport zu erlernen, ja sicher nicht."
Noch sind die Autos klein, wie Maoams, gut zu erkennen ist schon die Kirche neben den großen Parkplätzen, die zur Liftstation gehören. Trotzdem geht es nun weg vom Hang, Richtung Hohe Salve, hinüber zur Flugschule um die Landung in Ruhe einzuteilen.
Anflug mit dem Wind von schräg hinten, 90 Grad Linkskurve, Höhe abbauen, noch eine Acht, noch mal 90 Grad links, und dann gegen den Wind auf den Landepunkt zu, raus aus dem Sitzbrett, 50 Prozent Bremse, 100 Prozent.
"Gut gemacht Stephan. Das war der Flug."
Der Schirm sinkt langsam auf die Landewiese, die Landung fühlt sich an wie der Sprung von einer Treppenstufe.
Meinte Otto das, als er das Gleitschirmfliegen einen "Gefühlssport" nannte? Ein tiefer Seufzer, große Zufriedenheit: 20 Minuten über Westendorf sind viel zu kurz.
Geschickt breitet Otto Kahn den Schirm auf dem grasgrünen Hang aus, bis er seine volle Streckung erreicht. Die Eintrittsöffnung muss sauber liegen, wie ein Halbmond geformt, hier strömt die Luft rein um den Schirm zu füllen, ihm Profil zu geben. Dann die Leinen, vier Gruppen, unterschiedlich gefärbt, A, B, C, D, plus Steuerleinen in Blau. Was bei Otto recht spielerisch aussieht, ist in Wahrheit verzwickt. Kleine Hügel und hohes Gras machen das Handling des Schirms nicht leichter. Aber es kommt auf den Standpunkt an: Verglichen mit dem, was wir vor fünf Tagen gezeigt haben, sieht das auch bei uns schon elegant aus. Schirmauslegen und Leinen ordnen: zigfach geübt. Das Ziel der Grundausbildung, möglichst selbstständig Gleitschirmfliegen. Wir arbeiten daran.
Gleichmäßig streicht der Wind aus dem Trog hinauf. Gleich heißt es starten, Fahrt aufnehmen, dann sofort links, über den kleinen Sattel, den der Hang dort bildet, den Lift überqueren und die 1000 Meter Höhenunterschied zum Tal abfliegen, runter nach Westendorf. Vorfreude und Aufregung mischen sich mit einer gehörigen Portion Respekt – das Gelände ist steil, nach zehn Metern kommt eine Kuhle, spätestens dort sollte der Start abgeschlossen sein. Nun heißt es noch warten auf die anderen Flieger.
"Ja die Flugschule ist jetzt für Westendorf schon wichtig."
Sagt Vanessa, Fluglehrerin in Ottos Flugschule und seine Tochter.
"Ja, weil es im Sommer ein Zusatzangebot gibt, durch das Tandemfliegen. Die Leute haben eben die Möglichkeit nicht nur den klassischen Sommerurlaub zu machen, sondern können sich mehr oder weniger einen Erlebnisurlaub geben. Gerade die Pensionen nach eigenen Aussagen, leben mehr oder weniger im Sommer von Paraglidern, da die ganzen Häuser dort hinüber, weil natürlich wochenends viel vom Münchner Raum reinkommt und Westendorf ist einfach von der geografischen Lage vom Fliegerischen her ein Mittelpunkt. Also vor Jahren sind da schon die Wettkämpfe ausgetragen worden, weil sie einfach von geografischer und meteorologischer Sicht gesehen ein optimaler Standpunkt."
An thermisch aktivenTagen hängt der Himmel bunt voller Schirme und das Tourismusgeschäft in der 3500-Seelen-Gemeinde floriert. Nicht so stark wie in der Skisaison, aber doch so, dass Restaurants und Betten ausgelastet sind. Bevor Gleitschirmfliegen und Mountainbiking die Leute ins Brixental lockte, hieß das Toursimuskonzept schlicht "Sommerfrische". Viele aus dem Einzugsgebiet München reisten an, für ein Wochenende oder auch länger.
"Mir ham mit dem Fremdenverkehr angefangen, das war 1958. 1958 hatten wir die ersten Gäste gehabt. Natürlich im ganzen Haus, da war noch kein Fließwasser nix drin, da war noch kein Telefon, und da ham wir den Dachboden schön ausgebaut. Schön langsam ham wir des gemacht."
Das Dach mit den Schieferschindeln ragt weit hinunter, die Vorderseite des alten Bergbauernhofs leuchtet rotbraun in der Abendsonne. Ihr uriges Aussehen verdankt die Zieplalm dem 400 Jahre alten Fichtenholz. Seit nunmehr 50 Jahren ist man hier im Tourismusgeschäft. In der Gründerzeit des Fremdenverkehrs waren vor allem Kutschfahrten nachgefragt. Erinnert sich Josef Steindl, der Hüttenwirt vom Zieplhof.
"Da war das Telefon und dann bin ich verständigt worden. Da bin ich dann verständigt worden. Und da habe ich eine Anmeldestelle gehabt."
Im Sommer ging's vorbei an blühenden Bergwiesen, im Winter bekamen die Kutschen Kufen und die Pferde Glöckchen. Bis sie irgendwann anfingen, die Berge mit Straßen zu erschließen. Mit den Autos kam der Winterdienst, dem Schnee wurde mit Pflug und Salz zu Leibe gerückt, keine guten Voraussetzungen für winterliche Kutschfahrten. Aber so richtig traurig scheint Josef Steindl darüber gar nicht gewesen zu sein.
"Da war ich eigentlich froh, als ich das nicht mehr machen musste, und dann hatte ich die Jausenstation."
In einer großen Pfanne werden Käsespätzle serviert, für vier Personen. Knusprig gebräunt und köstlich käsig. "Für des" sagt der Hüttenwirt, kommen sie extra aus dem Tal rauf.
"Was sollte sein, aha ich stelle meinen Schirm auf, ich beginne meinen Startlauf, mein Körper bleibt leicht vorne geneigt. Schaut's einmal, jetzt habe ich auch meine Hände im Auge."
Was einfach ausschaut und verständlich klingt, ist dann in der Umsetzung doch nicht so leicht. Der Schirm reagiert sensibel und schnell auf kleine Störungen, die Korrektur wirkt dann erst mit leichter Verzögerung. Was Otto dann sagt, ist alles andere, als ermutigend:
"Das ist a Gefühlssportart. Das heißt, die Frauen sackeln die Männer ein, die haben überhaupt keine Chance. Ganz wenige Frauen, die ängstlich sind, kommen über das nicht hinweg. Aber sonst, wenn Frauen nicht änglich sind, sind sie uns weit weit überlegen. Warum? Weil die von Anfang an nicht mit der Kraft arbeiten, sondern meist zierliche Wesen sind und die Kraft gar nicht hätten und jetzt geht's um die Technik. Sie fühlen, sie gehen gleich mit dem Schirm. Und die Männer: Ah, da zieht's, da halte ich gleich mal dagegen und des verschlimmerts das Ganze natürlich."
Damit das nicht passiert, waren wir zwei volle Tage auf dem Übungshang. Rund 15 Starts, um zu begreifen, wie der Schirm sich verhält, wie man ihn kontrollieren kann.
"Paragleiten ist ein bisschen so wie Autofahren. Ihr müsst das sofort ins Unterbewusste hinunterbringen. Aha, Kupplung erster Gang, und später fällt das weg. Und hier haben jetzt eigentlich nur Folgendes, die Aufziehphase, ich spüre hier Widerstand. Schirm kommt, Hände gehen weg ich bremse leicht, Körper kippt ab und ich beginne zu laufen. Das sind die drei Dinge, die muss ich mir irgendwie einimpfen wenn ich dastehe."
Kleiner Impuls, Schritt nach vorne, der Schirm zieht auf, die A-Gurte loslassen, Kontrollblick, nach vorne in den Abhang hineinlegen, und jetzt rennen, rennen, solange bis der Schirm trägt.
Das ist geübt und funktioniert. Doch heute sind es eben nicht mehr 50 oder 300 Meter, sondern 1000.
Andreas Burgmann sitzt auf einem länglichen Stein, gleichzeitig Schemel und Amboss. Sein langer Bart reicht fast bis zum Sensenblatt, auf das der rundköpfige Hammer in immer gleicher Präzision runterklopft.
"Aber das hast du immer. Sensen schön machen. Und Hufeisen, Zahlen hinein, 30, 45, was die Leute Geburtstag haben, Goldene Hochzeit, Silberne Hochzeit, das mach ich mit den Hufeisen, und dann tu ich das Mähmesser reparieren und schön schleifen und dann tu ich die Sensen herrichten und die Stiele, damit sie gut gemacht sind, die Sensen und damit sie einfach gut mähen, mit Leichtigkeit."
Verabredet haben wir uns am Telefon. Burgmann ist ein Original, das sagen die Westendorfer und auch er über sich selbst. Rundfunk und Fernsehen lieben ihn und umgekehrt. Interview? Kein Problem. Das mache er gerne.
Die Sense, sagt der Niedinger Anda, wie er im Dorf heißt, die Sense sei hier auf den Bergwiesen Tirols dem neumodischen Mähbalken und ähnlichem um Längen voraus.
"Mit dem Elektro, wie sagt man, die Motorsense sagt man, mit einem Benzinmotor, die schnallt man an, aber das ist eine Notfalllösung. Da kommt man nicht weit mit 'Die ist nicht so schnell wie die Sense'. Wenn einer gut Sensen kann, dann tut er ja das Zehnfache und billiger kommts auch, der Treibstoff ist ja sauteuer."
Immer donnerstags brummt es in Westendorf-City, dann ist ein Teil der Dorfstraße für Autos gesperrt. Schau Zuichi Markt heißt das Event. Tiroler Prügeltorte, Auszochne Nudl mit Preiselbeeren oder herzhaft mit Sauerkraut. Daneben stickende Frauen, gegenüber dengelt der Niedinger Anda schon die nächste Sense. Tiroler Tradition und Trachtenpracht soweit das Auge reicht.
"Am Abend lassen hier Lokalgrößen wie die Frankie Brothers und der Auner Andy deutsche Schlagerträume wahr werden. Im Gasthof "Zur Post" zum Beispiel, als Beilage zum Barbecue."
Besonders begeistert von der traditionell-tirolerischen Seite Westendorfs scheinen ältere Semester und kleine Kinder. Im Sommer sind sie deutlich in der Überzahl. Dabei biete die Region vor allem sportlich Aktiven viele Möglichkeiten, weiß Sandra Thomann vom hiesigen Tourismusverband.
"Unsere Region hat sich im Sommer speziell auf den Mountainbiker spezialisiert."
Höhepunkt ist der Kitzalpbike, ein einwöchiges Mountainbike-Festival. Auch Kletterer und Wanderer entdecken die Region für sich, ergänzt Sandra Thomann.
Dass die Region – auch unabhängig vom Freizeit- und Sportangebot – Jugendliche anzieht, belegt Familie Hoggenmüller.
"Also bei uns war eigentlich der ausschlaggebende Punkt die Kinder. Die Kinder ham sich in die Berge einfach wohler gefühlt. Die ham immer gesagt: Mamma, irgendwann ziehn wir dahin."
Jetzt lernt die Tochter Hotelfachfrau und der Sohn macht eine Ausbildung zum Koch, am Ortsrand betreibt die Familie seit einigen Jahren eine Pension. Mit Pool und Sauna. Um das Wellness-Angebot zu erweitern, macht Barbara Hoggenmüller gerade eine Massageausbildung. Die Einrichtung, wesentlich moderner als im Zieplhof, auch gediegener. Abgesehen von solcherlei Ausstattungsmerkmalen, sagt Frau Hoggenmüller, muss man aber schon beim Frühstück ansetzen, wenn das mit der Wellness klappen soll.
"Mir macht das immer Spaß. Ich bin gerne mit Gästen, mit Leuten, mit Fremden, weil man kann sehr viel lernen von fremde Leute, die Kultur und alles, des interessiert mich und ich unterhalt mich auch gern mit den Gästen beim Frühstück und das lieben die Gäste auch. Also ich muss sagen, wenn man sich beim Frühstück ein bisschen unterhält, dann kriegt man auch den persönlichen Kontakt zu den Gästen und des ist eigentlich des Schöne daran."
"Und geht schon. Weiter, Weiter, Bremsen und Laufen, Bremsen und Laufen., maximal Speed. Das war der Start, einfach fliegen."
"Dieses Licht auf den Hängen, während in den Schatten das Himmelsblau fortatmete, es war so schön, dass ich es nicht beschreiben kann."
… notierte der Lienzer Christoph Zanon.
Zeilen, wie gemacht für diesen ersten langen Flug durch die Bergwelt Tirols. Auch der Hinweis, dass sich die Erhabenheit letztlich gar nicht in Worte fassen lässt.
Die Vormittagssonne hat die kurzgeschorene Wiese unterhalb erwärmt, die aufsteigende Luft lupft den Schirm an. Zurückgelehnt im Sitzbrett den Hang entlang gleiten, Adrenalin? Ja, aber gleichzeitig auch völlige Entspannung.
Abenteuerlich ist das Gleitschirmfliegen nur auf den ersten Blick. Statistisch ist es sicherer als vergleichbare Flugsportarten. Motorradfahren etwa, ist um den Faktor 2-3 gefährlicher.
"Bei uns heißt's, wenn einer vorm Gewitter rausfliegt in der Zeitung. Ja aus unerklärlichen Gründen stürzte dieser Pilot ab. Es war, weil ein Gewitter hereingezogen ist, der da oben gar nix mehr verloren hat und mit diesem Turbulenzgrad gar nichts mehr hat machen können, das wird nicht weitergegeben. Und so entsteht halt die Meinung, dass der Sport gefährlich ist und unvorhersehbare Dinge von einer Sekunde auf die nächste passieren und du siehst ja selber mittlerweile, dem ist nicht so."
Nichtsdestotrotz ist die Eigenverantwortung groß. Grob-fahrlässige Flugfehler oder eine falsche Wettereinschätzung sind unverzeihlich. Da das Steuern des Schirms schnell eingeübt ist, behandelt der Großteil der Ausbildung das Sicherheitstraining. Auch die technische Entwicklung des Fluggeräts diente in den vergangen Jahren vor allem dem Ziel, das Gleitschirmfliegen noch sicherer zu machen. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung steht der Sport nicht immer gut dar. Zu unrecht, wie Vanessa sagt.
"Das Hauptproblem in den Medien ist, dass die Berichte von Leuten geschrieben werden, die keine Ahnung von dem Flugsport haben. Wir werden dargestellt, als ob wir die wildesten Hunde wären und nicht an unserem Leben hängen würden. Ja, ich würde sagen, also auch wenn Leute auf mich zukommen, ja dann sag ich immer glaubt's ihr wirklich, dass mein Vater, die ganze Familie, alle Kinder fliegen wir, wenn das so gefährlich wäre, uns allen geholfen hätte diesen Sport zu erlernen, ja sicher nicht."
Noch sind die Autos klein, wie Maoams, gut zu erkennen ist schon die Kirche neben den großen Parkplätzen, die zur Liftstation gehören. Trotzdem geht es nun weg vom Hang, Richtung Hohe Salve, hinüber zur Flugschule um die Landung in Ruhe einzuteilen.
Anflug mit dem Wind von schräg hinten, 90 Grad Linkskurve, Höhe abbauen, noch eine Acht, noch mal 90 Grad links, und dann gegen den Wind auf den Landepunkt zu, raus aus dem Sitzbrett, 50 Prozent Bremse, 100 Prozent.
"Gut gemacht Stephan. Das war der Flug."
Der Schirm sinkt langsam auf die Landewiese, die Landung fühlt sich an wie der Sprung von einer Treppenstufe.
Meinte Otto das, als er das Gleitschirmfliegen einen "Gefühlssport" nannte? Ein tiefer Seufzer, große Zufriedenheit: 20 Minuten über Westendorf sind viel zu kurz.