Archiv


"Das ist ein typischer großkoalitionärer Formelkompromiss"

Auch nach dem Kompromiss zur Bahn-Privatisierung wird sich nach Meinung der Grünen wenig am jetzigen Zustand ändern. Der Vorschlag sei gleichzeitig ein Bekenntnis zum Wettbewerb und ein Schutzkonzept für Monopolisten, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Partei, Winfried Hermann. Er sehe nicht, wie private Bahnunternehmen in diesem System eine faire Chance bekommen könnten.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Heckmann: Monatelang hatten die Verkehrsexperten von Union und SPD um eine Lösung gerungen. Es ging um die Frage, in welcher Weise die Bahn an die Börse gebracht werden soll. Die einen bestanden auf eine Trennung von Netz und Betreiber, da ansonsten ein fairer Wettbewerb nicht zu gewährleisten sei. Die anderen, darunter auch Finanzminister Steinbrück, plädierten für eine komplette Privatisierung, die im Übrigen eine Menge mehr Geld in den Haushalt spülen würde. Nun kam es gestern Abend zu einem Kompromiss.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Winfried Hermann. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Guten Morgen Herr Hermann!

    Hermann: Guten Morgen!

    Heckmann: Herr Hermann, Bahn und Netz werden getrennt. Das ist ein gutes Zeichen für mehr Wettbewerb auf der Schiene oder nicht?

    Hermann: Nein, das kann man so leider nicht sagen. Man hat sich im ersten Moment gefreut, dass das so in den ersten Sätzen dieses Kompromissvorschlages der Koalition drin steht. Das öffentliche Eigentum wird gewahrt. Gleich danach wird aber deutlich gemacht, es soll das Eigentum an Netz sofort übergeben werden an die DB AG, die es so, wie man sagt, integriert bewirtschaften darf auf unbestimmte Zeit nach einem Vertrag. Das heißt faktisch, der Bund wird formal Eigentümer der Infrastruktur sein und gleichzeitig wird die DB AG wirtschaftlicher Nutznießer dieses Netzes sein und fraktisch wird sich also am jetzigen Zustand gar nicht viel ändern. Die Bahn bleibt - -

    Heckmann: Das heißt Tiefensee, wenn ich Sie da unterbrechen darf, Herr Hermann, führt sein favorisiertes Modell durch die Hintertür ein?

    Hermann: Es ist so, dass der Kompromissvorschlag ausdrücklich das Wort Eigentumssicherungsmodell – das war ja das verquaste Modell des Ministers – vermeidet. Das wird vermieden und gleichzeitig sind einige Punkte darin, die den Charakter dieses Modells ausgezeichnet haben, nämlich Trennung zwischen juristischem Eigentum und wirtschaftlichem Eigentum. Das kehrt wieder, genauso wie der Bewirtschaftungsvertrag für die DB AG und der Erhalt des integrierten Konzerns. Es ist zugleich ein Bekenntnis zum Wettbewerb und gleichzeitig ein Schutzkonzept für den Monopolisten.

    Heckmann: Das heißt Tiefensee und Bahnchef Mehdorn hätten sich im Prinzip mit ihren Vorstellungen durchgesetzt?

    Hermann: Ich glaube wer sich nicht durchgesetzt hat, das ist Mehdorn, denn der integrierte Börsengang, nämlich der Gang zur Börse mit der Infrastruktur einschließlich, der ist vom Tisch. Das ist das wirklich Positive. Darüber will ich auch nicht schimpfen. Alles Weitere kann natürlich so geregelt werden – es ist aber noch nicht ganz klar wie genau -, dass es sehr zum Wohle der DB AG ist. Insofern muss er nicht weinen, der Konzernchef, und Herr Tiefensee hat sicherlich ein Stück weit mit seinen Formeln Einklang gefunden in diesen Kompromissvorschlag. Aber er hat noch viel Arbeit, denn die Koalitionsfraktionen haben ihm zum Teil widersprüchliche Aufgaben erteilt. Er soll den Wettbewerb sichern und gleichzeitig den Konzern entwickeln. Er soll das Eigentum klar abgrenzen und gleichzeitig der DB AG die Nutznießung einräumen. Da ist also noch viel Widerspruch, der meines Erachtens kaum lösbar ist.

    Heckmann: Tiefensee hat gesagt, die Modelldiskussion sei nun beendet. Sie würden diese Einschätzung also nicht teilen?

    Hermann: Nein, weil entscheidende Punkte, etwa wie lange darf die DB AG weiter wirtschaften wie bisher, nicht geklärt sind. Es ist gesagt, man muss es EU-rechtskompatibel machen. Es ist aber nicht geklärt wie. Es wird gesagt, man könnte vermuten, dass vielleicht der Wettbewerb doch nicht gelingt. Deswegen müsste man die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde stärken. Es wird nicht gesagt wie, mit welchen Instrumenten. Also da ist noch eine Menge Sprengstoff drin. Es sind wirklich nur Eckpunkte, die gestern Abend als guter Kompromiss verkauft wurden. Ich würde sagen das ist ein typischer großkoalitionärer Formelkompromiss. Man schreibt schöne Ziele vorneweg. Denen kann jeder zustimmen und hinterher kommen dann die faulen Stellen, die zum Teil krass widersprüchlich sind.

    Heckmann: Wer ist der Verlierer eines solchen Kompromisses aus Ihrer Sicht ganz konkret?

    Hermann: Ganz konkret mit Sicherheit der Wettbewerb auf der Schiene und ich kann auch nicht sehen, wie mit dem System wirklich Privatbahnen, die Konkurrenten zu der Bahn sind, wirklich zu einer fairen Chance kommen. Ich kann auch nicht erkennen, wie man mit diesem System wirklich innovativ den Schienenverkehrsmarkt entwickeln will, denn wenn faktisch das dann doch weiter läuft wie bisher, aber halt formal der Bund Eigentümer bleibt, dann ist dem Schienenverkehr nicht wirklich gedient. Wir brauchen wirklich Impulse und man kann sehen: Dort wo die Bahn Wettbewerb bekommen hat, da geschieht auch mehr auf der Schiene. Das Ziel, mehr Schienenverkehr zu erreichen, sehe ich nicht verwirklicht mit diesem Kompromiss.

    Heckmann: Herr Hermann, die FDP prüft jetzt die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, da die Grundstückszuordnung im Koalitionsvertrag ausgeklammert worden sei. Schließen Sie sich dieser Forderung an?

    Hermann: Wir arbeiten da eng zusammen. Wir haben gemeinsam immer gefordert, bevor es überhaupt einen Börsengang gibt muss völlig klar sein, wo das Eigentum ist und ob das richtig zugeordnet ist. Der Verkehrsminister hat zwar der DB AG signalisiert, sie muss jetzt endlich mal eine rechtskonforme Grundstückszuordnung zu den Teilgesellschaften machen. Die DB AG hat das irgendwie zugesagt, aber bisher nicht eingelöst. Solange das nicht eingelöst ist, bleibt die Drohung mit dem Untersuchungsausschuss von uns gemeinsam stehen. Allerdings ist bisher immer noch das Versprechen da, dass sie das tun wollen. Jetzt bin ich mal gespannt, ob der Verkehrsminister und ob die Koalitionsfraktionen die Kraft haben, die Bahn endlich dazu zu zwingen, rechtskonforme Immobilienzuordnungen zu machen und eben nicht wie jetzt noch der Fall, dass Immobilien, die werthaltig sind, bei der Holding sind und eigentlich bei der Infrastrukturgesellschaft sein müssten.

    Heckmann: Zum geplanten Börsengang war das Winfried Hermann. Er ist verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Schönen Dank für das Gespräch!