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"Das ist eine Überraschung"

Die Machtverhältnisse im Weltsport verschieben sich weiter in Richtung Orient. Einen Monat nach der skandalumtosten Vergabe der Fußball-WM 2022 an den Zwergstaat Katar gewannen die Araber die nächste sportpolitische Machtprobe: Der jordanische Prinz Ali, Bruder des Königs Abdullah II, wird neuer Vizepräsident des Weltverbandes FIFA.

Von Jens Weinreich | 06.01.2011
    Prinz Ali von Jordanien ist erst 35 Jahre alt. Ein Programm hat er auf dem Kongress der asiatischen Fußball-Konföderation AFC in Doha nicht vorgestellt. Ali ist der nächste arabische Edelmann, der im Weltsport eine Blitz-Karriere macht. Prinz Ali drängte den Milliardär Chung Mong-Joon aus Südkorea aus dem Amt. Chung, Spross der Hyundai-Dynastie, war seit 1994 FIFA-Vize. Ende November hatte Hyundai gerade den Sponsorenvertrag mit der FIFA bis 2022 verlängert - doch Dankbarkeit kennt man im Fußball nicht.

    Chung hatte sich zuletzt sogar als Kandidat auf die FIFA-Präsidentschaft ins Spiel gebracht. Dafür kommt Chung kaum mehr in Frage - so wird im Juni wohl Joseph Blatter per Akklamation im Amt bestätigt.

    Obwohl jeder in der Branche weiß, dass Blatter mit den Ölscheichs und arabischen Blaublütern kooperiert, behauptete der FIFA-Boss in Doha das Gegenteil:

    "Ich habe niemanden unterstützt in dieser Angelegenheit."

    25 Nationalverbände votierten für Prinz Ali, nur 20 für Chung, der geschockt aus dem Sheraton-Hotel flüchtete, während die Höflinge des Prinzen minutenlang jubelten. Und Blatter erklärte:

    "Das ist eine Überraschung. Sechzehn Jahre - vielleicht hatte die Jugend, die da hinkommen wollte, bessere Karten."

    Das sagte ausgerechnet Blatter: Chung ist 59, Blatter wird im März 75. Er war 17 Jahre FIFA-Generalsekretär, ist nun schon fast 13 Jahre Präsident - und will demnächst seine vierte Amtszeit antreten. Bis 2015. Er denkt sogar schon an die fünfte Amtsperiode. Bis 2019.

    Gerade deshalb ist aus dem bislang im Fußball fast unbekannten Prinzen Ali plötzlich ein potenzieller Blatter-Nachfolger geworden. Als FIFA-Vize und vor allem: als Blaublut übertrumpft er sogar den Katari Mohamed Bin Hammam, der in Doha seine dritte und letzte Amtszeit als AFC-Präsident antrat. Bin Hammam hat eigentlich alles, was es braucht - aber er stammt nicht aus königlichem Haus, weshalb er nur bedingt mit der Solidarität seiner arabischen Brüder rechnen kann.

    Das jordanische Königshaus liefert momentan die spektakulärste Performance des olympischen Sports: Prinz Ali ist FIFA-Vizepräsident. Seine Schwester Prinzessin Haya, Zweitfrau des Herrschers von Dubai, ist seit langem Präsidentin des Reiter-Weltverbandes und in dieser Funktion auch IOC-Mitglied. Sein Bruder Feisal, NOK-Chef Jordaniens, wurde vor einem Jahr in Vancouver als IOC-Mitglied vereidigt. Eine derartige Machtfülle hat es noch nicht gegeben.

    In den nächsten Monaten wird das FIFA-Exekutivkomitee weiter bunt gemischt. Aus Asien bleiben Bin Hammam und Worawi Makudi (Thailand) im Exekutivkomitee - neu dabei sind Prinz Ali und Vernon Manilal Fernando aus Sri Lanka. Kommende Woche bestimmt Ozeanien den Nachfolger für den wegen Korruptionsverdacht suspendierten Reynald Temarii (Tahiti); im Februar haben die Afrikaner ihren Kongress in Khartoum; im März sind die Europäer dran, wenn DFB-Präsident Theo Zwanziger für Franz Beckenbauer ins FIFA-Exko gewählt werden will; Anfang Mai stehen die Konvents in Süd- und Nordamerika auf dem Programm.

    Dann die Krönungsmesse für Blatter am 1. Juni in Zürich - wenn nichts dazwischen kommt.