Dirk-Oliver Heckmann: Bei seinem letzten Besuch in den USA gehörte ein Festbankett noch nicht zum Programm, doch das hat sich geändert. Chinas Staats- und Parteichef Hu wird jede diplomatische Geste zuteil, die denkbar ist. Keine Frage: die Beziehungen zu China, so schwierig sie auch sind, haben für US-Präsident Obama oberste Priorität. Dementsprechend aufmerksam wird der Besuch in Washington verfolgt, auch von Europa aus. Dazu spreche ich jetzt in den kommenden Minuten mit John Kornblum. Er ist der ehemalige amerikanische Botschafter in Deutschland. Guten Morgen!
John Kornblum: Guten Morgen!
Heckmann: Herr Kornblum, wer ist der mächtigste Mann der Welt, Barack Obama oder Hu Jintao?
Kornblum: Na ja, es gibt viele mächtige Männer, aber wenn man fragen wird, welches Land hat den meisten Einfluss auf der Welt, würde ich natürlich sagen, die Vereinigten Staaten. Man soll die Rolle von China sehr ernst nehmen, aber man soll es nicht übertreiben.
Heckmann: Im Jahr 2010 gab es zahlreiche Felder, in denen Spannungen herrschten zwischen Peking und Washington. Da war der Währungsstreit, der Konflikt um die Waffenlieferungen an Taiwan, der Streit um den Dalai Lama. Nun also dieser Staatsbesuch von Hu in Washington mit vollem Programm. Die USA und China, Herr Kornblum, sind das Rivalen oder Partner?
Kornblum: Sie sind zur gleichen Zeit beides natürlich. Sie sind auch sehr enge wirtschaftliche Partner. Die Chinesen immerhin besitzen mehr als 700 Milliarden Dollar in amerikanischen Anleihen zum Beispiel. Das ist schon eine Partnerschaft. Was China ist, es ist ein Land, das sehr schnell, aber sehr ungleichmäßig aus seiner Vergangenheit herauskommt, und da wird es ständig Gegensätze geben. Auf der einen Seite sehr moderne Wirtschaft, auf der anderen Seite noch ziemlich unterentwickelte Innensysteme etc. China wird für uns alle über die nächsten 20 oder mehr Jahre ein Dilemma sein, aber zur gleichen Zeit natürlich eine große Gelegenheit.
Heckmann: China und USA sind wirtschaftliche Partner, haben Sie gerade gesagt, wichtige wirtschaftliche Partner, aber keine politischen Partner bis jetzt?
Kornblum: Das kann man auch nicht sagen. Wie gesagt, man kann das nicht schwarz-weiß sehen, gerade mit China, wo es so viele Gegensätze gibt. Auf der einen Seite ist China ein politischer Partner in einigen wichtigen Sachen, auf der anderen Seite ist man enttäuscht, wenn diese Partnerschaft das nicht bringt, was man erhofft, zum Beispiel im Falle Nordkorea. Man kann keine Pauschalurteile hier bilden. Man muss wirklich mit China die Sektoren ganz genau anschauen und sehen, wo sie was bringen und wo man vielleicht Verbesserungsbedürfnisse hat.
Heckmann: Präsident Obama wird eine engere Zusammenarbeit anbieten, aber auch einfordern. Sie haben das Stichwort Nordkorea gerade eben schon genannt. Man kann auch nennen den Iran, den Klimaschutz, den Währungsstreit. Wird Obama Aussicht auf Erfolg haben, wenn er dort Peking dazu drängt, sich zu bewegen?
Kornblum: Man kann sagen, jetzt, nach zwei Jahren Obama, ist das amerikanische Urteil über die Beziehungen zu China, wollen wir sagen, negativ. Auf der einen Seite natürlich die wirtschaftliche Entwicklung, die wir gesagt haben, auf der einen Seite haben Sie mehrere Punkte erwähnt, es gibt auch andere, wo man sagen würde, China benimmt sich nicht, wie Sie sozusagen vorgeschlagen haben. Das heißt, man benimmt sich nicht als ein reifer Partner, sondern man sieht, dass China immer noch sehr viele interne Probleme und Ungereimtheiten hat, und das Ergebnis ist ein gemischtes Bild, aber für Amerika im Moment ein unbefriedigendes Bild.
Heckmann: Kommen wir mal zum Währungsstreit, Herr Kornblum. Da gibt es ja schon seit Monaten Differenzen. Washington und auch die Europäische Union wirft Peking vor, die eigene Währung unterbewertet zu lassen. Jetzt hat Hu Jintao gesagt, das Weltwährungssystem mit dem Dollar als Leitwährung sei ein Produkt der Vergangenheit. Hat er recht?
Kornblum: Im Grunde hat er nicht recht. Wo er recht hat ist natürlich, dass das Weltwährungssystem vielfältiger sein wird und dass die chinesische Währung auch eine wichtigere Rolle spielen wird. Aber die institutionellen Fundamente für den Dollar sind sehr stark und sie werden so bleiben. Mit der Währung sehen wir wieder das Problem. Die Chinesen haben sehr starke innenpolitische Bedürfnisse. Sie müssen ja ihr Land auch bei voller Beschäftigung und so halten. Und was die Außenwelt über ihre Währungspolitik sagt, ist im Endeffekt ihnen nicht so wichtig, wie die politische Stabilität zu Hause.
Heckmann: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass der Dollar Leitwährung bleibt über die nächsten Jahre hinaus?
Kornblum: In absehbarer Zeit. Also ich sehe, das ist eine Schimäre, die immer wieder hochkommt. Die Russen haben das auch gesagt, die Europäer glauben und haben immer geglaubt, der Euro würde die Leitwährung sein. Diese Sachen haben ein bisschen mit Stimmung zu tun oder vielleicht auch mit Politik. Die Chinesen hier wollen einfach den Dollar vielleicht ein bisschen kleinreden. Aber die Tatsache ist, es gibt sehr, sehr tiefe Strukturen, die sich nicht ändern werden und wo der Dollar einfach der Sockel ist. Ob das immer gut ist, ist eine andere Frage, aber man muss die Realität anschauen.
Heckmann: Chinas Wirtschaft boomt und auch bildungstechnisch ist China auf der Überholspur. Die Schüler in Schanghai beispielsweise, die gehören zu den besten der Welt laut PISA-Studie. Sind wir auf dem Holzweg, wenn wir sagen, das westliche Gesellschaftsmodell ist überlegen?
Kornblum: Ich glaube, wir sind jetzt nicht mehr in der Phase, wo wir sagen, wir oder andere sind überlegen oder unterlegen. Wir kommen jetzt in eine vernetzte Welt, wo die Frage, wer ist stärker, nicht so wichtig ist, weniger wichtig sein wird, aber wer kann das Netzwerk am besten beherrschen. Und ich glaube, hier hat der Westen große Vorteile. Unser offenes System, unsere demokratischen Werte bauen doch ein viel besseres Fundament für einen weltweiten Einfluss innerhalb eines Netzwerkes, als das immer noch ziemlich altmodische diktatorische chinesische System.
Heckmann: Bisher war dem Westen ja immer daran gelegen, gute Beziehungen zu Peking zu pflegen, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Mehr oder weniger ritualartig wurde dann die Menschenrechtslage auch angesprochen und Verbesserungen dort in diesem Bereich angemahnt. Diese Appelle, die kann Peking in Zukunft immer souveräner ignorieren, oder?
Kornblum: Ja, das ist das Dilemma, und Sie sehen das Dilemma jetzt für Barack Obama. Barack Obama ist immerhin der Friedensnobelpreisträger und er gibt jetzt ein großes Essen für den chinesischen Präsidenten, wo er einen Friedensnobelpreisträger noch im Gefängnis hält. Das ist für Obama wirklich eine Zwickmühle und die Frage, wie er die Menschenrechtsfrage behandelt und ob er denn überhaupt ein bisschen Entgegenkommen von China bekommt, das wird vielleicht eine der interessantesten Fragen dieses Besuches sein.
Heckmann: Was erwarten Sie denn? Wie wird Obama da vorgehen?
Kornblum: Man sagt, dass er sehr hart sein wird, dass er klar reden wird. In den letzten zwei Jahren waren er wie auch Frau Clinton eigentlich immer ein bisschen zurückhaltend bei der Sache. Jetzt sagt man mindestens, was man liest von seinen Mitarbeitern, dass der Präsident sehr hart sein wird. Sie haben natürlich recht: Man kann hart sein, aber die Hebel, die Möglichkeiten, die man hat, die Lage innerhalb Chinas zu beeinflussen, sind sehr begrenzt.
Heckmann: Über den Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Hu in Washington haben wir gesprochen mit John Kornblum, dem ehemaligen Botschafter der USA in Deutschland. Herr Kornblum, ich danke Ihnen!
Kornblum: Ich bedanke mich!
John Kornblum: Guten Morgen!
Heckmann: Herr Kornblum, wer ist der mächtigste Mann der Welt, Barack Obama oder Hu Jintao?
Kornblum: Na ja, es gibt viele mächtige Männer, aber wenn man fragen wird, welches Land hat den meisten Einfluss auf der Welt, würde ich natürlich sagen, die Vereinigten Staaten. Man soll die Rolle von China sehr ernst nehmen, aber man soll es nicht übertreiben.
Heckmann: Im Jahr 2010 gab es zahlreiche Felder, in denen Spannungen herrschten zwischen Peking und Washington. Da war der Währungsstreit, der Konflikt um die Waffenlieferungen an Taiwan, der Streit um den Dalai Lama. Nun also dieser Staatsbesuch von Hu in Washington mit vollem Programm. Die USA und China, Herr Kornblum, sind das Rivalen oder Partner?
Kornblum: Sie sind zur gleichen Zeit beides natürlich. Sie sind auch sehr enge wirtschaftliche Partner. Die Chinesen immerhin besitzen mehr als 700 Milliarden Dollar in amerikanischen Anleihen zum Beispiel. Das ist schon eine Partnerschaft. Was China ist, es ist ein Land, das sehr schnell, aber sehr ungleichmäßig aus seiner Vergangenheit herauskommt, und da wird es ständig Gegensätze geben. Auf der einen Seite sehr moderne Wirtschaft, auf der anderen Seite noch ziemlich unterentwickelte Innensysteme etc. China wird für uns alle über die nächsten 20 oder mehr Jahre ein Dilemma sein, aber zur gleichen Zeit natürlich eine große Gelegenheit.
Heckmann: China und USA sind wirtschaftliche Partner, haben Sie gerade gesagt, wichtige wirtschaftliche Partner, aber keine politischen Partner bis jetzt?
Kornblum: Das kann man auch nicht sagen. Wie gesagt, man kann das nicht schwarz-weiß sehen, gerade mit China, wo es so viele Gegensätze gibt. Auf der einen Seite ist China ein politischer Partner in einigen wichtigen Sachen, auf der anderen Seite ist man enttäuscht, wenn diese Partnerschaft das nicht bringt, was man erhofft, zum Beispiel im Falle Nordkorea. Man kann keine Pauschalurteile hier bilden. Man muss wirklich mit China die Sektoren ganz genau anschauen und sehen, wo sie was bringen und wo man vielleicht Verbesserungsbedürfnisse hat.
Heckmann: Präsident Obama wird eine engere Zusammenarbeit anbieten, aber auch einfordern. Sie haben das Stichwort Nordkorea gerade eben schon genannt. Man kann auch nennen den Iran, den Klimaschutz, den Währungsstreit. Wird Obama Aussicht auf Erfolg haben, wenn er dort Peking dazu drängt, sich zu bewegen?
Kornblum: Man kann sagen, jetzt, nach zwei Jahren Obama, ist das amerikanische Urteil über die Beziehungen zu China, wollen wir sagen, negativ. Auf der einen Seite natürlich die wirtschaftliche Entwicklung, die wir gesagt haben, auf der einen Seite haben Sie mehrere Punkte erwähnt, es gibt auch andere, wo man sagen würde, China benimmt sich nicht, wie Sie sozusagen vorgeschlagen haben. Das heißt, man benimmt sich nicht als ein reifer Partner, sondern man sieht, dass China immer noch sehr viele interne Probleme und Ungereimtheiten hat, und das Ergebnis ist ein gemischtes Bild, aber für Amerika im Moment ein unbefriedigendes Bild.
Heckmann: Kommen wir mal zum Währungsstreit, Herr Kornblum. Da gibt es ja schon seit Monaten Differenzen. Washington und auch die Europäische Union wirft Peking vor, die eigene Währung unterbewertet zu lassen. Jetzt hat Hu Jintao gesagt, das Weltwährungssystem mit dem Dollar als Leitwährung sei ein Produkt der Vergangenheit. Hat er recht?
Kornblum: Im Grunde hat er nicht recht. Wo er recht hat ist natürlich, dass das Weltwährungssystem vielfältiger sein wird und dass die chinesische Währung auch eine wichtigere Rolle spielen wird. Aber die institutionellen Fundamente für den Dollar sind sehr stark und sie werden so bleiben. Mit der Währung sehen wir wieder das Problem. Die Chinesen haben sehr starke innenpolitische Bedürfnisse. Sie müssen ja ihr Land auch bei voller Beschäftigung und so halten. Und was die Außenwelt über ihre Währungspolitik sagt, ist im Endeffekt ihnen nicht so wichtig, wie die politische Stabilität zu Hause.
Heckmann: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass der Dollar Leitwährung bleibt über die nächsten Jahre hinaus?
Kornblum: In absehbarer Zeit. Also ich sehe, das ist eine Schimäre, die immer wieder hochkommt. Die Russen haben das auch gesagt, die Europäer glauben und haben immer geglaubt, der Euro würde die Leitwährung sein. Diese Sachen haben ein bisschen mit Stimmung zu tun oder vielleicht auch mit Politik. Die Chinesen hier wollen einfach den Dollar vielleicht ein bisschen kleinreden. Aber die Tatsache ist, es gibt sehr, sehr tiefe Strukturen, die sich nicht ändern werden und wo der Dollar einfach der Sockel ist. Ob das immer gut ist, ist eine andere Frage, aber man muss die Realität anschauen.
Heckmann: Chinas Wirtschaft boomt und auch bildungstechnisch ist China auf der Überholspur. Die Schüler in Schanghai beispielsweise, die gehören zu den besten der Welt laut PISA-Studie. Sind wir auf dem Holzweg, wenn wir sagen, das westliche Gesellschaftsmodell ist überlegen?
Kornblum: Ich glaube, wir sind jetzt nicht mehr in der Phase, wo wir sagen, wir oder andere sind überlegen oder unterlegen. Wir kommen jetzt in eine vernetzte Welt, wo die Frage, wer ist stärker, nicht so wichtig ist, weniger wichtig sein wird, aber wer kann das Netzwerk am besten beherrschen. Und ich glaube, hier hat der Westen große Vorteile. Unser offenes System, unsere demokratischen Werte bauen doch ein viel besseres Fundament für einen weltweiten Einfluss innerhalb eines Netzwerkes, als das immer noch ziemlich altmodische diktatorische chinesische System.
Heckmann: Bisher war dem Westen ja immer daran gelegen, gute Beziehungen zu Peking zu pflegen, auch aus wirtschaftlichen Gründen. Mehr oder weniger ritualartig wurde dann die Menschenrechtslage auch angesprochen und Verbesserungen dort in diesem Bereich angemahnt. Diese Appelle, die kann Peking in Zukunft immer souveräner ignorieren, oder?
Kornblum: Ja, das ist das Dilemma, und Sie sehen das Dilemma jetzt für Barack Obama. Barack Obama ist immerhin der Friedensnobelpreisträger und er gibt jetzt ein großes Essen für den chinesischen Präsidenten, wo er einen Friedensnobelpreisträger noch im Gefängnis hält. Das ist für Obama wirklich eine Zwickmühle und die Frage, wie er die Menschenrechtsfrage behandelt und ob er denn überhaupt ein bisschen Entgegenkommen von China bekommt, das wird vielleicht eine der interessantesten Fragen dieses Besuches sein.
Heckmann: Was erwarten Sie denn? Wie wird Obama da vorgehen?
Kornblum: Man sagt, dass er sehr hart sein wird, dass er klar reden wird. In den letzten zwei Jahren waren er wie auch Frau Clinton eigentlich immer ein bisschen zurückhaltend bei der Sache. Jetzt sagt man mindestens, was man liest von seinen Mitarbeitern, dass der Präsident sehr hart sein wird. Sie haben natürlich recht: Man kann hart sein, aber die Hebel, die Möglichkeiten, die man hat, die Lage innerhalb Chinas zu beeinflussen, sind sehr begrenzt.
Heckmann: Über den Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Hu in Washington haben wir gesprochen mit John Kornblum, dem ehemaligen Botschafter der USA in Deutschland. Herr Kornblum, ich danke Ihnen!
Kornblum: Ich bedanke mich!
