Bettina Klein: Wenn keine Ärzte da sind, die arbeiten könnten oder würden, dann müssen Patienten in andere Kliniken verlegt werden. Zumindest haben mehrere Krankenhäuser diese Konsequenz jetzt gezogen, unter anderem die Uniklinik in Heidelberg. Freiburg und Tübingen wollen heute darüber entscheiden, ob sie dem Beispiel folgen. Was bedeutet das aber für Patienten, die in andere Krankenhäuser verlegt werden müssen?
Über die Erfahrungen möchte ich jetzt sprechen mit Irmtraut Gürkan. Sie ist Kaufmännische Direktorin der Uniklinik in Heidelberg. Schönen guten Tag, Frau Gürkan!
Irmtraut Gürkan: Guten Tag, Frau Klein!
Klein: Weshalb haben Sie sich genau entschieden, die Stationen der Uniklinik zu räumen?
Gürkan: Zunächst muss ich feststellen: Nicht die Klinikleitung, der Klinikumsvorstand hat sich dazu entschieden, sondern das ist eine Aktivität der streikenden Ärzte, die ja organisiert sind im Marburger Bund und die sich letzte Woche in einer Abstimmung zu diesem so genannten Vollstreik entschieden haben.
Klein: Weshalb haben sie keine andere Lösung mehr gesehen, die Ärzte?
Gürkan: Da muss ich nun das wiedergeben, was wir von unseren Ärzten hören, was wir natürlich auch auf den Ebenen der Politik in den vielen Gesprächen, die wir in den Landesregierungen führen, erfahren. Die Verhandlungssituation Marburger Bund-TdL scheint leider sehr festgefahren zu sein. Die Ärzte des Marburger Bundes haben kein Verständnis dafür, dass nach einem halben Jahr der Verhandlungen zwischen TdL und Marburger Bund nun auf einmal der mit ver.di abgeschlossene Tarifvertrag übergestülpt werden soll. Um ihrer Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag Nachdruck zu verleihen, haben die Ärzte an den Universitätsklinika die Streikaktivitäten fortgesetzt beziehungsweise verschärft.
Klein: Aber das bedeutet doch im Ergebnis auch, dass die ärztliche Versorgung dann eben nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Sonst hätte man sich doch dazu nicht entschließen müssen, oder?
Gürkan: So ist das. Die ärztliche Versorgung aller Patienten ist, wenn von 1000 Ärzten zirka die Hälfte streikt, nicht mehr gewährleistet. Deswegen hat hier in Heidelberg die Situation diese Eskalation genommen, und seit Freitag vergangener Woche werden verlegungsfähige Patienten - über solche sprechen wir - verlegt in andere Krankenhäuser oder nach Hause entlassen.
Klein: Aber der Marburger Bund hat ja eigentlich immer gerade damals argumentiert, die Versorgung ist gewährleistet, zumindest da, wo sie unbedingt notwendig ist.
Gürkan: Das ist richtig. Wir haben die Patienten in die Krankenhäuser verlegt, die die Versorgung weiterführen können. Das sind Krankenhäuser, mit denen wir intensiv ohnehin kooperieren. Das trifft Patienten - ich sage es noch mal -, die verlegungsfähig sind, keine intensivpflichtigen Patienten. Unsere Intensivstationen sind nicht leergeräumt, auch in Bereichen, in denen akut Patienten versorgt werden müssen, weil sie sehr schwer erkrankt sind oder notfallmäßig versorgt werden müssen. Dazu gehört im Übrigen auch die Geburtshilfe. Auch diese Bereiche sind nicht von Verlegungen oder Räumungsaktionen tangiert.
Klein: Wie viele Patienten betrifft diese Verlegung in Ihrer Uniklinik?
Gürkan: Gestern wurden zirka 200 Patienten entlassen oder verlegt. Beides ist möglich: eine vorzeitige Entlassung des Patienten, wenn das medizinisch vertretbar ist, und die Folgeversorgung des Patienten zum Beispiel durch die Hausärzte sichergestellt ist, oder aber Verlegung in kleinere umliegende Krankenhäuser, in der Regel unsere Kooperationspartner.
Klein: Das ist natürlich für einen kranken Menschen auch eine große Unannehmlichkeit. Wie reagieren die Patienten denn darauf?
Gürkan: Die Patienten reagieren erfreulicherweise ganz überwiegend mit großem Verständnis. Wir haben ja nun auch durch diese Aktivität hier gerade gestern sehr viel Öffentlichkeitsarbeit gehabt. Es werden heute in der Regionalpresse viele Patienten zitiert, die, auch wenn sie nach großen Eingriffen jetzt vorzeitig entlassen werden oder verlegt werden, Verständnis für die Situation der Ärzte zeigen. Wir freuen uns über diese positive Resonanz, wenn man hier überhaupt von Freuen sprechen kann, aber es wird offensichtlich von Ärzten, aber auch von den Pflegekräften die Situation sorgfältig mit den Patienten vorbereitet, so dass die Patienten dann auch Verständnis dafür haben.
Klein: Ist die Entscheidung eigentlich auch innerhalb der Krankenhausbeschäftigten umstritten, oder sind sich da alle vollkommen einig?
Gürkan: Nein. Auch da können wir eine ausgesprochen große Solidarität feststellen, allerdings auch eine Unsicherheit bei den sonstigen Mitarbeitern, insbesondere in der Pflege, wie es denn nun weitergeht, und natürlich der dringende Wunsch aller Mitarbeiter, nicht nur der Ärzte, sondern der Pflegekräfte, der sonstigen Mitarbeiter, dass dieser schlimme Zustand möglichst schnell beendet wird.
Klein: Patienten in andere Krankenhäuser verlegen, das ist natürlich eine Lösung, die für Sie auch nur von begrenztem Wert ist, denn irgendwann werden ja auch die Kapazitäten anderer Krankenhäuser erschöpft sein und die Ärzte dort vielleicht auch nicht unbedingt begeistert sein?
Gürkan: Ja. Das sehen wir auch so. Das ist jetzt eine Notsituation, die wir auf Dauer überhaupt nicht durchhalten können, nicht nur auf Grund der Kapazitätsengpässe dann in anderen Krankenhäusern, sondern es ist natürlich auch für uns ein finanzielles Desaster, in das wir hier reinlaufen. Das hat nachhaltige schwerwiegende Folgen für das Klinikum. Das ist überhaupt nicht in Abrede zu stellen.
Klein: Wie lange rechnen Sie ist das ein Weg für Sie, die Verlegung?
Gürkan: Wir erwarten von der Politik, wir erwarten von der TdL hoffentlich mit Flankenschutz hier aus Baden-Württemberg, aber auch aus Bayern und wie man hört Nordrhein-Westfalen, dass noch in dieser Woche die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Alles andere wäre weder den Kliniken noch den Patienten zumutbar.
Klein: Freiburg und Tübingen - ich sagte es gerade -, die beiden Universitätskliniken, wollen heute darüber entscheiden, ob sie Ihrem Beispiel folgen. Inzwischen hört man von dort, dass in Heidelberg auch nicht besonders gute Erfahrungen gemacht wurden und man vielleicht dann doch davon Abstand nimmt.
Gürkan: Das ist mir so nicht bekannt, wobei, was heißt gute Erfahrungen machen? Man kann nie gute Erfahrungen machen, wenn man in so einer Notsituation handeln muss. Gute Erfahrungen haben wir insofern gemacht, als kein Patient zu Schaden gekommen ist und die Aktivitäten mit den Patienten besprochen wurden und abgestimmt wurden, im Übrigen auch mit den Krankenhäusern, in die wir verlegt haben.
Klein: Irmtraut Gürkan war das, Kaufmännische Direktorin der Uniklinik in Heidelberg. Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Gürkan.
Gürkan: Gerne, Frau Klein. Auf Wiederhören.
Über die Erfahrungen möchte ich jetzt sprechen mit Irmtraut Gürkan. Sie ist Kaufmännische Direktorin der Uniklinik in Heidelberg. Schönen guten Tag, Frau Gürkan!
Irmtraut Gürkan: Guten Tag, Frau Klein!
Klein: Weshalb haben Sie sich genau entschieden, die Stationen der Uniklinik zu räumen?
Gürkan: Zunächst muss ich feststellen: Nicht die Klinikleitung, der Klinikumsvorstand hat sich dazu entschieden, sondern das ist eine Aktivität der streikenden Ärzte, die ja organisiert sind im Marburger Bund und die sich letzte Woche in einer Abstimmung zu diesem so genannten Vollstreik entschieden haben.
Klein: Weshalb haben sie keine andere Lösung mehr gesehen, die Ärzte?
Gürkan: Da muss ich nun das wiedergeben, was wir von unseren Ärzten hören, was wir natürlich auch auf den Ebenen der Politik in den vielen Gesprächen, die wir in den Landesregierungen führen, erfahren. Die Verhandlungssituation Marburger Bund-TdL scheint leider sehr festgefahren zu sein. Die Ärzte des Marburger Bundes haben kein Verständnis dafür, dass nach einem halben Jahr der Verhandlungen zwischen TdL und Marburger Bund nun auf einmal der mit ver.di abgeschlossene Tarifvertrag übergestülpt werden soll. Um ihrer Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag Nachdruck zu verleihen, haben die Ärzte an den Universitätsklinika die Streikaktivitäten fortgesetzt beziehungsweise verschärft.
Klein: Aber das bedeutet doch im Ergebnis auch, dass die ärztliche Versorgung dann eben nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Sonst hätte man sich doch dazu nicht entschließen müssen, oder?
Gürkan: So ist das. Die ärztliche Versorgung aller Patienten ist, wenn von 1000 Ärzten zirka die Hälfte streikt, nicht mehr gewährleistet. Deswegen hat hier in Heidelberg die Situation diese Eskalation genommen, und seit Freitag vergangener Woche werden verlegungsfähige Patienten - über solche sprechen wir - verlegt in andere Krankenhäuser oder nach Hause entlassen.
Klein: Aber der Marburger Bund hat ja eigentlich immer gerade damals argumentiert, die Versorgung ist gewährleistet, zumindest da, wo sie unbedingt notwendig ist.
Gürkan: Das ist richtig. Wir haben die Patienten in die Krankenhäuser verlegt, die die Versorgung weiterführen können. Das sind Krankenhäuser, mit denen wir intensiv ohnehin kooperieren. Das trifft Patienten - ich sage es noch mal -, die verlegungsfähig sind, keine intensivpflichtigen Patienten. Unsere Intensivstationen sind nicht leergeräumt, auch in Bereichen, in denen akut Patienten versorgt werden müssen, weil sie sehr schwer erkrankt sind oder notfallmäßig versorgt werden müssen. Dazu gehört im Übrigen auch die Geburtshilfe. Auch diese Bereiche sind nicht von Verlegungen oder Räumungsaktionen tangiert.
Klein: Wie viele Patienten betrifft diese Verlegung in Ihrer Uniklinik?
Gürkan: Gestern wurden zirka 200 Patienten entlassen oder verlegt. Beides ist möglich: eine vorzeitige Entlassung des Patienten, wenn das medizinisch vertretbar ist, und die Folgeversorgung des Patienten zum Beispiel durch die Hausärzte sichergestellt ist, oder aber Verlegung in kleinere umliegende Krankenhäuser, in der Regel unsere Kooperationspartner.
Klein: Das ist natürlich für einen kranken Menschen auch eine große Unannehmlichkeit. Wie reagieren die Patienten denn darauf?
Gürkan: Die Patienten reagieren erfreulicherweise ganz überwiegend mit großem Verständnis. Wir haben ja nun auch durch diese Aktivität hier gerade gestern sehr viel Öffentlichkeitsarbeit gehabt. Es werden heute in der Regionalpresse viele Patienten zitiert, die, auch wenn sie nach großen Eingriffen jetzt vorzeitig entlassen werden oder verlegt werden, Verständnis für die Situation der Ärzte zeigen. Wir freuen uns über diese positive Resonanz, wenn man hier überhaupt von Freuen sprechen kann, aber es wird offensichtlich von Ärzten, aber auch von den Pflegekräften die Situation sorgfältig mit den Patienten vorbereitet, so dass die Patienten dann auch Verständnis dafür haben.
Klein: Ist die Entscheidung eigentlich auch innerhalb der Krankenhausbeschäftigten umstritten, oder sind sich da alle vollkommen einig?
Gürkan: Nein. Auch da können wir eine ausgesprochen große Solidarität feststellen, allerdings auch eine Unsicherheit bei den sonstigen Mitarbeitern, insbesondere in der Pflege, wie es denn nun weitergeht, und natürlich der dringende Wunsch aller Mitarbeiter, nicht nur der Ärzte, sondern der Pflegekräfte, der sonstigen Mitarbeiter, dass dieser schlimme Zustand möglichst schnell beendet wird.
Klein: Patienten in andere Krankenhäuser verlegen, das ist natürlich eine Lösung, die für Sie auch nur von begrenztem Wert ist, denn irgendwann werden ja auch die Kapazitäten anderer Krankenhäuser erschöpft sein und die Ärzte dort vielleicht auch nicht unbedingt begeistert sein?
Gürkan: Ja. Das sehen wir auch so. Das ist jetzt eine Notsituation, die wir auf Dauer überhaupt nicht durchhalten können, nicht nur auf Grund der Kapazitätsengpässe dann in anderen Krankenhäusern, sondern es ist natürlich auch für uns ein finanzielles Desaster, in das wir hier reinlaufen. Das hat nachhaltige schwerwiegende Folgen für das Klinikum. Das ist überhaupt nicht in Abrede zu stellen.
Klein: Wie lange rechnen Sie ist das ein Weg für Sie, die Verlegung?
Gürkan: Wir erwarten von der Politik, wir erwarten von der TdL hoffentlich mit Flankenschutz hier aus Baden-Württemberg, aber auch aus Bayern und wie man hört Nordrhein-Westfalen, dass noch in dieser Woche die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Alles andere wäre weder den Kliniken noch den Patienten zumutbar.
Klein: Freiburg und Tübingen - ich sagte es gerade -, die beiden Universitätskliniken, wollen heute darüber entscheiden, ob sie Ihrem Beispiel folgen. Inzwischen hört man von dort, dass in Heidelberg auch nicht besonders gute Erfahrungen gemacht wurden und man vielleicht dann doch davon Abstand nimmt.
Gürkan: Das ist mir so nicht bekannt, wobei, was heißt gute Erfahrungen machen? Man kann nie gute Erfahrungen machen, wenn man in so einer Notsituation handeln muss. Gute Erfahrungen haben wir insofern gemacht, als kein Patient zu Schaden gekommen ist und die Aktivitäten mit den Patienten besprochen wurden und abgestimmt wurden, im Übrigen auch mit den Krankenhäusern, in die wir verlegt haben.
Klein: Irmtraut Gürkan war das, Kaufmännische Direktorin der Uniklinik in Heidelberg. Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Gürkan.
Gürkan: Gerne, Frau Klein. Auf Wiederhören.
