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"Das ist schlicht und ergreifend ein Stück Vorratsdatenspeicherung"

Der elektronische Personalausweis, der jetzt "neuer Personalausweis" genannt wird, wird kommen, "Elena", den elektronischen Entgeltnachweis, gibt es bereits. Professor Dieter Kempf, Vorstandvorsitzender der Datev eG, erklärt im Interview mit Manfred Kloiber, was damit auf Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber zukommt.

    Manfred Kloiber: Auch wenn noch über Datenschutz und Datensicherheit bei Elena diskutiert wird: Das Gesetz ist in Kraft und Unternehmen mit Arbeitnehmern müssen jetzt handeln. Sie sind nämlich verpflichtet, relevante Arbeitnehmerdaten an die zentrale Sammelstelle elektronisch zu melden. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen überlassen das in der Regel ihrem Steuerberater oder einem Dienstleister. Deshalb habe ich den Vorstandsvorsitzenden der Datev eG, Professor Dieter Kempf, nach dem Aufwand gefragt, den Elena bereitet:

    Dieter Kempf: Also bei uns ist der Aufwand ein ungefähr siebenstelliger Betrag, der sich zusammensetzt aus der Anpassung der Abrechnungsprogramme, natürlich auch der Anpassung der Oberflächen, der Anpassung der Stammdaten-Volumina, der Speicherplätze, des Speicherbedarfs – also eine ganze Vielzahl von Themenstellungen. Und natürlich auch ein zweiter Aspekt: Bis zum Jahr 2012 wird ja praktisch ein doppelter Aufwand getrieben. Es gibt parallel noch das alte Bescheinigungswesen, dass fallweise Bescheinigungswesen und natürlich jetzt neu schon diese Meldepflicht nach Elena, so dass wir da also schon einen ganz ordentlichen Aufwand treiben müssen.

    Kloiber: Wie sieht es denn beim Arbeitgeber aus? Wenn wir mal ein typisches Unternehmen mit 100 Angestellten nehmen würden, wie sieht es da aus? Was für einen Aufwand muss so ein Unternehmen da berechnen?

    Kempf: Also dies betragsmäßig zu spezifizieren, ist relativ schwierig aus einem ganz einfachen Grund: Der größte Aufwand entsteht durch Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Musste ich nämlich bisher nur Fallweise einem Arbeitnehmer eine derartige Bescheinigung ausstellen, dann konnte ich mich als Arbeitgeber ja damit retten, dass ich da einen Mitarbeiter hatte, der wusste, wie das geht und der kam eben dann fallweise ... zum Einsatz. Heute muss ich alle Mitarbeiter, die mit Lohn- und Gehaltsabrechnungen befasst sind derart schulen, dass sie in den Stammdaten der abzurechnenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen dies auch jeden Monat abrechnen können, die Einträge vornehmen können. Und auch auf Seiten der Arbeitgeber, die parallel wie zu uns, bis 2012 im Prinzip da doppelt laufen.

    Kloiber: Gibt es denn für diesen Aufwand auch irgendeine Form von Entlastung oder Vorteil, die die Arbeitgeber in Zukunft dann sehen können?

    Kempf: Der Vorteil wird eintreten ab 2012. Dann ist nämlich der Datenpool quasi gefüllt. Und dann muss ich einem Arbeitnehmer, der irgendwelche Anträge auf Lohnersatzleistungen stellt, Arbeitslosengeld, Wohngeld, Elterngeld etc., dem muss ich dann keine Bescheinigung mehr ausstellen, sondern dieser Arbeitnehmer geht mit seiner Identifikationskarte dann zum Leistungsgeber, identifiziert sich dort und dieser Leistungsgeber darf dann die für ihn notwendigen Daten zum Berechnen dieser Lohnersatzleistungen abrufen. Der Arbeitgeber hat dann praktisch seine Meldepflicht längst schon sukzessive erfüllt.

    Kloiber: Herr Professor Kempf, wir haben ja jetzt auch schon über die sogenannte Signaturkarte gesprochen, die ja notwendig ist, um einem Amt, zum Beispiel an der Wohngeldstelle, diesem Amt es zu erlauben, meine Daten abzurufen. Nun ist ja eine Signaturkarte etwas, was - ehrlicherweise gesagt - kaum ein Bürger überhaupt kennt noch jemals besessen hat. Wenn das in zwei Jahren so passieren soll, wie Sie es beschrieben haben, dann müssen ja die Bürger jetzt irgendwie mit diesen Signaturkarten ausgestattet werden. Ist der Bürger eigentlich auf dieses Verfahren Elena genügend vorbereitet?

    Kempf: Also ich habe ein kleinwenig Bedenken, dass der Bürger genügend vorbereitet ist. Gerade das Thema: 'Mit welcher Karte kann ich mich denn dann als Arbeitnehmer identifizieren und authentifizieren, um die notwendigen Daten freizuschalten?' ist natürlich jetzt noch offen. Aus meiner persönlichen Sicht bräuchte es dazu keinerlei Signaturfunktion auf der Karte. Es würde eine sichere Authentifizierungsfunktion reichen. Und damit wäre aus meiner Sicht der elektronische Personalausweis – er heißt ja jetzt neuer Personalausweis – das richtige Identifikationsmedium. Den gibt es aber auch erst ab November dieses Jahres, also erst ab November dieses Jahres kann man ihn beantragen. Und dann wird ihn vermutlich auch nicht gleich jeder Bürger, für den es infrage kommen könnte, im ersten Jahr beantragen. Also da sind noch ein paar Fragen offen. Informieren müssen wir noch deutlich besser.

    Kloiber: So ein Personalausweis hat ja eine Lebensdauer von zehn Jahren. Könnte es dann sein, dass der Zeitraum, in dem die Arbeitgeber dann doch noch länger beide Systeme, also das althergebrachte und das neue System, vorhalten müssen, noch länger sein könnte als zwei Jahre?

    Kempf: Das glaube ich eigentlich nicht. Aber es ist natürlich damit zu rechnen, dass wenn dann ein Antragsteller bei seiner Behörde aufschlägt, und das Trägermedium, nennen wir als Beispiel den neuen Personalausweis, nicht hat, nicht darüber verfügt, dass man sich dann überlegen muss: Jetzt hat man zwei Möglichkeiten: Entweder schickt man den wieder weg, einen neuen Personalausweis beantragen mit den entsprechenden Antragsfristen oder man schickt ihm zum Arbeitgeber, der dann doch eine händische Bescheinigung erstellt. Da will ich mich jetzt nicht in Mutmaßungen versteigen. Aber eine der zwei Möglichkeiten wird es dann sein und es bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen, welche er denn für wahrscheinlicher hält.

    Kloiber: Glauben Sie, dass die Bevölkerung diesem System Elena nicht doch mit sehr großen Ängsten, beziehungsweise Vorbehalten entgegenstehen wird?

    Kempf: Also ich glaube sehr wohl, dass es das Vorbehalte gibt, weil es natürlich unter dem Grundsatz der Datensparsamkeit sehr wohl einer intensiven Diskussion bedarf. Ob es denn wirklich so richtig ist, alle im eintretenden Fall notwendigen Daten von allen Arbeitnehmern regelmäßig zu speichern, um den Eventualfall dann elektronisch abbilden zu können. Mann muss natürlich schon sehen, das ist schlicht und ergreifend ein Stück Vorratsdatenspeicherung. Mit all den Diskussionen, die man zum Thema Vorratsdatenspeicherung führen kann.