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"Das ist unlogisch und im Grunde auch abschreckend"

Sachsen-Anhalt wird in den nächsten Jahren rund vier Milliarden Euro weniger Steuern einnehmen. Um die Nettokreditaufnahme des Landes für die kommenden zwei Jahre um die Hälfte zu drücken, müssen jetzt alle Ressorts Streichpläne vorlegen. Auch die Unis dürfen nun über die Sommerferien schauen, wo man Einsparpotenziale sieht. Jetzt wollen sich die Rektoren der Unis und Fachhochschulen Sachsen Anhalts gegen die Pläne des Finanzministers zur Wehr setzen.

Von Thomas Matsche | 21.07.2009
    Jens Bullerjahn hat den Rektoren vor den Sommerferien ein dickes Sparpaket hinterlassen. Rund 50 Millionen Euro sollen die zwei Universitäten und fünf Fachhochschulen Sachsen-Anhalts in den kommenden zwei Jahren einsparen. Das heißt vor allem Stellenstreichungen. Was einem Wortbruch gleichkommt denn eigentlich hatten Landesregierung und alle sieben Hochschulen vor einem Jahr eine Personalgarantie vereinbart, wie Professor Dr. Wulf Diepenbrock, Rektor der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, erläutert:

    "Die Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt haben deshalb so vehement protestiert gegen die Streichungspläne des Finanzministers, weil sie über den Hochschulpakt 2020 gehalten sind unter den jetzt gegebenen Strukturen Forschung und Lehre zu betreiben. Insbesondere um junge Leute aus den alten Bundesländern hier zum studieren zu bringen."

    Mit dem Hochschulpakt 2020 solle die Zahl von Studierenden in Sachsen-Anhalt eigentlich stabil gehalten werden. Zurzeit sind es rund 38.000. Doch Diepenbrock befürchtet, dass dieses Niveau nicht haltbar ist, wenn durch die angekündigten Sparmaßnahmen allein an der Universität Halle-Wittenberg jede fünfte Stelle wegfallen sollte. Bereits jetzt sei die Universität mit 88 Stellen unterfinanziert. Weitere Stellenstreichungen würden vor allem den akademischen Mittelbau treffen. Also Doktoranden und Assistenten mit befristeten Verträgen. Damit verliere man in Sachsen-Anhalt den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die Bildungslandschaft drohe damit ins Mittelmaß zu versinken. Was natürlich alles andere als attraktiv wäre für westdeutsche Studierende, die man im Osten brauche, meint Diepenbrock:

    "Im Moment haben wir sehr starke Marketingaktivitäten, die darauf hinauslaufen, dass wir in den alten Bundesländern auf Werbetour gehen und sagen: Kommt in die neuen Bundesländer, kommt an die Hochschulen Sachsen-Anhalts. Und dies ist natürlich ein totaler Widerspruch, im gleichen Atemzug zu sagen, wir schränken hier das Hochschulsystem ein und erlegen ihm derartige Kürzungspläne auf wie der Finanzminister vorgeschlagen hat. Das passt nicht zusammen. Das ist unlogisch und im Grunde auch abschreckend."

    Im Finanzministerium legt man hingegen eine nüchterne Rechnung auf den Tisch. Ziel sei es bis 2019 mit dem Haushalt auf eigenen Füßen zu stehen. Das heißt: Es dürfen keine Schulden mehr gemacht werden denn dann tritt die kürzlich beschlossene Schuldenbremse in Kraft. Wenn man jetzt krisenbedingt Schulden aufnehmen müsse, dann nur im beschränktem Maße. Und dazu müssten alle etwas beitragen. Folglich auch die Hochschulen fordert Franz Stänner, Sprecher des Finanzministeriums Sachsen-Anhalt:

    "Tatsache ist: Natürlich bemüht sich das Land eine attraktive Hochschullandschaft aufrechtzuerhalten. Natürlich bemühen wir uns um Studenten auch aus anderen Ländern. Und natürlich wollen wir Qualität verbessern, Standards halten. Aber da muss man am Ende auch sagen und das ist vor allem Aufgabe des Finanzministers. Was muss dann gespart werden und an welcher Stelle."

    Diese Auffassung ist für Studierende der Martin-Luther Universität, die vor einem Monat noch für bessere Studienbedingungen gestreikt haben, nicht akzeptabel:

    "Na ja, das ist ein bisschen unclever, weil es eigentlich genau der falsche Weg ist, jetzt noch Stellen zu streichen, weil einfach die Stellen das sind, was wir gerade brauchen, um auch genügend betreut zu werden."
    "Also in der Germanistik soll's so sein, dass im nächsten Semester zehn Veranstaltungen oder mehr nicht gehalten werden können, die absolut notwendig sind für das neue Bachelor- und Mastersystem. Und dadurch geht da alles drunter und drüber. Und für die Studenten ist es ja nicht irgendwie nur eine Verlängerung, das ist auch für viele dann eine Existenzfrage weil viele müssen das ja finanzieren."
    Die Rektoren hoffen nun, dass ihr öffentlicher Protest die Sparforderungen des Finanzministers abmildern hilft. Die Verhandlungen dazu finden nach der Sommerpause statt. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Dabei wird es aber nicht mehr darum gehen ob, sondern wie viel gespart wird. Denn dass die Hochschulen im nächsten Jahr Millionen einsparen müssen, ist beschlossene Sache.