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Das Jazzduo zahlt, Ronaldo nicht

Top-Fußballer wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Wayne Rooney zahlen bei Spielen in Deutschland mit ihren Mannschaften keine Steuern. So will es das Bundesfinanzministerium. Der Erlass gilt für Spiele aller Mannschaftssportarten im Rahmen europäischer Vereinswettbewerbe.

Von Robert Kempe | 25.05.2013
    Anfang April hob die Behörde – versteckt in einem mehrseitigen Schreiben – die Besteuerung von ausländischen Sportlern, Mannschaften und Dachverbänden auf. Der Arbeitslohn, den Spieler etwa von Real Madrid oder dem FC Barcelona bei Spielen in Deutschland im Rahmen der Champions-League erzielen, bleibt demnach vom deutschen Fiskus unangetastet. Das gilt auch für die Prämien und TV-Erlöse, die die Vereine oder Verbände bei ihren Auftritten in Deutschland erhalten. Bisher mussten die Vereine ihre Einnahmen und Ausgaben beim Finanzamt anmelden. Jörg Holthaus ist Fachmann für internationales Steuerrecht.

    "Das ist in der Praxis so gelaufen: Man kann es ein bisschen vergleichen mit dem Lohnsteuerabzug. Das heißt, die ausländischen Vereine oder auch die Dachverbände bekommen sogenannte Steueranmeldungen für Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige zugeschickt und die melden dann in einer Summe die Steuer an, die auf sämtliche Spieler, die in Deutschland gespielt haben, entfällt. Das sind 15 Prozent der Bruttoeinnahmen, die diese Spieler für das Spiel erhalten haben."

    Bei spanischen und britischen Top-Klubs könnten demnach gut sechsstellige Summen zusammenkommen, so Schätzungen. Bereits 2008 gab es einen Vorstoß des Finanzministeriums, auf die Besteuerung zu verzichten. Jedoch gab es Widerspruch bedeutender Fußballnationen wie Großbritannien und Spanien, die im Gegenzug eine Besteuerung nicht aufheben wollten. Die Besteuerung von Mannschaften aus diesen Ländern musste wieder aufgenommen werden. Darauf verzichtet der deutsche Fiskus nun.

    In einem Beitrag für die im Juni erscheinende Fachzeitschrift "ISTR" hat sich Jörg Holthaus eingehender mit dem neuen Steuererlass auseinandergesetzt. Darin kommt der Experte zu dem Schluss, dass die Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Finanzministeriums nicht ausreiche. Laut Gesetz dürfen die Behörden Steuern erlassen, wenn es sich um international bedeutsame kulturelle und sportliche Ereignisse handelt, um deren Ausrichtung ein internationaler Wettbewerb stattfindet.

    "Diese Rechtsgrundlage bietet meines Erachtens nach keine Deckung für den aktuellen Erlass. Da hier kein Wettbewerb stattfindet um die Ausrichtung. Denn die Hin- und Rückspiele im Rahmen der europäischen Vereinswettbewerbe finden ja einfach in den Ländern statt, wo sich die jeweilige Mannschaft qualifiziert hat. Das heißt, es gibt keinen Wettbewerb und somit eigentlich auch kein besonderes öffentliches Interesse, das hier in Deutschland auch nicht zu besteuern."

    Künstler und Sportler werden im Steuerrecht gleich behandelt. Doch der neue Erlass ist nur für den Sport gültig, nicht für die Kultur.

    "Das heißt also selbst im Kleinkunstbereich, wenn zum Beispiel ein Streichquartett aus Polen für eine Gage von 1200 Euro bei einem Kleinkunstfestival auftritt, dann muss hier dieser – wie es heißt – Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige vorgenommen werden."

    Für die Sonderbehandlung des Milliardengeschäfts Sport gebe es keinen Handlungsbedarf, sagt die sportpolitische Sprecherin der Grünen, Viola von Cramon. Zur Besteuerung von Sportereignissen hatten die Grünen unlängst Fragen an das Finanzministerium gestellt. Die Antworten des Ministeriums sind wenig erhellend. So habe man keinen Überblick wie viele Anträge auf Steuerbefreiungen im Rahmen sportlicher Großereignisse gestellt wurden. Über den neuesten Erlass verlor das Ministerium kein Wort. Viola von Cramon:

    "Wir wollten damit ja erreichen, dass wir am Ende eine Summer haben, um zu erfahren was die Bundesregierung vor allem dem kommerzialisierten Sport an zusätzlichen Subventionen an zusätzlichen finanziellen Mitteln zur Verfügung stellt. Natürlich haben wir uns sehr gewundert, dass es nicht möglich war, uns einzelne Summen oder eine aufaddierte Summe zu nennen. Sie haben vielleicht auch Bedenken, ob das mehrheitsfähig ist, wenn man mehrfachen Millionären hier noch Steuerbefreiungen gewährt."