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Das Kartell der Bremser

Musikindustrie. - Die EU-Kommission hat in der vergangenen Woche die Fusion von Bertelsmanns Musiksparte BMG mit Sony Music ohne Auflagen genehmigt. Stimmt auch die US-Wettbewerbsbehörde (Federal Trade Commission, FTC) zu – was als sehr wahrscheinlich gilt –, ist auf dem Tonträgermarkt der Weg frei für den weltweit größten Musikkonzern. Das neue Unternehmen mit Hauptsitz in New York soll Sony BMG heißen und den beiden Unternehmen je zur Hälfte gehören.

Von Matthias Kurp |
    Der neue Musik-Gigant Sony BMG hat weltweit einen Marktanteil von etwa 25 Prozent. Für Sony Music singen Stars wie Anastacia, David Bowie oder Jennifer Lopez, für die Bertelsmann Music Group Carlos Santana, Christina Aguilera oder Britney Spears. In Deutschland stammt zurzeit mehr als jeder dritte Titel der hundert besten Chart-Platzierungen von BMG oder Sony.

    Einen ähnlich großen Marktanteil wie der neue Musik-Riese hat weltweit nur noch die Universal Music Group. Ein weiteres Viertel des globalen Tonträger-Umsatzes teilen sich Warner Music und EMI, die erneut über eine Fusion nachdenken. Für die unabhängigen CD-Label blieb im vergangenen Jahr weltweit nur noch ein Umsatz-Marktanteil von etwa 25 Prozent. In Europa waren es sogar nur 20 Prozent.

    Nach ihrer Fusion wollen Sony und die Bertelsmann Music Group mehr als 300 Millionen Euro Kosten sparen und mindestens 2000 Stellen streichen. BMG Deutschland hat damit bereits begonnen und die Zahl der Künstler-Verträge auf etwa siebzig halbiert. Prominente Opfer sind Udo Lindenberg oder der vermeintliche RTL-Superstar Juliette.

    Einige der größeren unabhängigen Label wie beispielsweise Edel Music könnten davon profitieren, wenn ehemalige BMG-Stars jetzt eine neue Heimat suchen. Manchmal hilft das auch den Künstlern: So wechselte zum Beispiel Mambo-Number-5-Star Lou Bega im vergangenen Jahr notgedrungen von BMG zu einem kleineren Konkurrenten und hat plötzlich – dank besserer individueller Betreuung – wieder Erfolg.

    Solche Fälle aber sind Ausnahmen. Weil nur die großen Musiklabel genug Marketing-Mittel haben, um ihre CDs flächendeckend in den Einzelhandel zu bringen, dürfte das Angebot in den Regalen vieler Geschäfte bald immer kleiner werden. Was zählt, ist massenattraktiver Mainstream-Pop.

    Fast zwei Drittel aller CDs werden über große Warenhäuser, Elekro- und Mediamärkte sowie den Versandhandel verkauft. Diese Vertriebskanäle sind für unabhängige Produzenten kaum erreichbar. Gerade die so genannten Independents aber gaben der Branche in der Vergangenheit immer wieder neue Impulse – wenn auch oft, um wenig später von den Marktführern aufgekauft zu werden: zum Beispiel, als sich BMG vor zwei Jahren das Label Zomba und damit die Rechte an der Musik von Britney Spears sicherte.

    Nimmt der Fusionsdruck in der Branche weiter zu, könnte den kleineren, kreativen Produzenten irgendwann die Luft ausgehen. Und dabei hätte der Musikmarkt, der wegen der Internet-Tauschbörsen und der massenhaften Verbreitung von CD-Brennern ohnehin in der Krise ist, dringend neue Ideen nötig. Fusionen und pure Größe allein aber sichern weder Kreativität noch wirtschaftlichen Erfolg.