Tanya Lieske: Brian Selznick, "Die Erfindung des Hugo Cabret", man kann den Titel auf zwei Arten lesen, es kann die Erfindung des Hugo Cabret gemeint sein oder die Erfindung, die er gemacht hat, welche Version schwebte Ihnen vor?
Brian Selznick: Beides. In meinem Buch geht es ja um mechanische Apparate und darum, wie diese Objekte funktionieren. Auch der Plot ist gemeint, in dem es ja um die Geschichte des Kinos geht, für die man diese Apparate brauchte. Und dann hatte ich auch den Jungen selbst im Sinn, er ist ein Waisenjunge, der sich seine Familie schafft und sein Leben gestalten will, ich hatte also auch die Idee, dass er sich selbst erfinden muss.
Lieske: Ihre Geschichte funktioniert von zwei Seiten, sie hat zwei Perspektiven. Da ist der Waisenjunge Hugo Cabret, und da ist Ihre Hommage an George Méliès, den Pionier des fantastischen Stummfilms. An welchem Punkt berühren sich die beiden Geschichten?
Selznick: Die beiden Geschichten berühren sich die ganze Zeit über, denn alles, was Hugo Cabret passiert, wächst gewissermaßen aus dem Leben des Georges Méliès. Was Méliès angeht, da musste ich eine Menge recherchieren, ich hatte sein berühmten Film von 1902 gesehen, "Die Reise zum Mond", und dann fand ich heraus, dass er eine ganze Sammlung sehr komplizierter mechanischer Automaten besaß, die irgendwann zerstört und weggeworfen wurden. Und dann kam mir das Bild, dass ein Kind durch den Müll wühlt und einen dieser Automaten findet, und dann musste ich mir den ganzen Rest überlegen, besonders warum er meint, dass er den Automaten reparieren kann. Schließlich fand ich heraus, dass George Méliès bankrott gegangen war und in einem Bahnhof eine Spielwarenhandlung betrieb, und dann stand auch der Ort des Geschehens fest.
Lieske: Brian Selznick, Sie haben sehr viele Bücher illustriert, einige auch selbst geschrieben. Wie funktioniert die Verbindung zwischen Wort und Bild, wenn Sie eine solche Geschichte erfinden wie die des Hugo Cabret?
Selznick: Die Geschichte ist immer zuerst da. Wenn jemand anders die Geschichte schreibt, ist es für mich viel einfacher. Und ich habe auch das Glück gehabt, dass ich mit wirklich sehr guten Schriftstellern zusammengearbeitet habe, die sehr interessante Geschichten erzählen. Ich fange also immer mit der Geschichte an, aber bei Hugo gab es eine Besonderheit. Das Buch ist mehr als 500 Seiten lang und hat mehr als 300 Illustrationen. Weil ich selbst nun die Geschichte erzähle, konnte ich ganze Passagen rausnehmen und sie durch Bilder ersetzen. Ein fremder Autor würde so etwas nie zulassen, da ist der Text immer heilig.
Lieske: Sie verwenden in Ihren Illustrationen Techniken, die dem Kino entlehnt sind, da gibt es Großaufnahmen und einen Wechsel der Perspektive, es gibt so was wie eine subjektive Kamera und auch ein Zoom. Sie sind Georges Méliès da etwas voraus, denn seine Kamera stand immer still.
Selznick: Seine Kamera stand immer still, aber vor der Kamera, da ging die Post ab. Er war ja von Hause aus Zauberkünstler auf einer Bühne, und er stellte sich die Leinwand wie eine Bühne vor. Um die Wirkung eines Zooms zu erzielen, ließ er zwar die Kamera stehen, aber er brachte das betreffende Objekt immer näher. Das war eine sehr umständliche Methode, er sattelte das Pferd sozusagen von hinten auf, aber er war der erste, der sich je an so etwas versucht hatte. Das war wirklich die Avantgarde! Ich habe aber auch Techniken verwandt, die im Stummfilm nach Méliès auftauchten, etwa die subjektive Kamera. Mein Buch ist voller Stummfilme im Kleinformat, die die Geschichte vorantreiben.
Lieske: Georges Méliès war ja ein unglaublich produktiver Regisseur, ein richtiges Multitalent. Er drehte mehr als 500 Filme, in denen er teilweise mitspielte, und deren Bühnenbild er auch selbst entworfen hatte. Am Ende aber ging seine eigene Produktionsgesellschaft bankrott, was war passiert?
Selznick: Er liebte die Filme sehr, die er gedreht hatte, und auch die Art, in der er sie gedreht hatte. Soweit ich weiß, wollte er sich auf Änderungen und Neuerungen nicht einlassen. Andere Regisseure entdeckten Techniken wie Kamerafahrten und Verfolgungsjagden und sie konnten auch Explosionen filmen. Da wollte Méliès nicht mitgehen. Und dann begann der Erste Weltkrieg und seine Studios wurden verkauft, seine Filme wurde sogar eingeschmolzen und man machte daraus Metallkappen für Schuhe. Nur einige wenige seiner Filme blieben erhalten, und die wurden dann von den Malern des Surrealismus wieder entdeckt, sie stöberten ihn sogar in seinem Spielzeugladen auf. So kam er am Ende seines Lebens sogar wieder zu einem gewissen Ruhm, denn die Surrealisten interessierten sich ja sehr für die Verarbeitung des Traums in der Kunst, und genau das hatte Méliès ja auch gemacht. Also, es gab da eine traurige Strecke in seinem Leben, aber am Ende hatte man ihn wiederentdeckt und auch als großen Künstler gefeiert.
Lieske: In ihrem Buch gibt es auch einen fiktiven Herausgeber, der heißt Professor Alcofrisbas, was ist mit dem los?
Selznick: Alcofrisbas, so heißt einer der Astronauten, die bei Méliès zum Mond fliegen. Bei mir ist er ein geheimnisvoller Herausgeber, und erst am Ende erfährt man, dass Georges Méliès den Jungen Hugo Alcofrisbas genannt hat. Der Name erklärt sich also erst am Ende des Buchs.
Lieske: Ihr Buch hat ja zwei Helden, den Erwachsenen, Georges Méliès und das Kind, Hugo Cabret. Was Hugo betrifft, da verwenden Sie sehr starke Signale, die auf die Waisenliteratur des 19. Jahrhunderts verweisen, er hat keine Mutter und er verliert seinen Vater, er ist arm und er ist allein und er ist hungrig. Natürlich fliegen ihm alle Sympathien der Leser zu, aber sie behandeln diese Situation mit einer gewissen Sorglosigkeit. Was glauben Sie, wie es jungen Lesern geht, wenn sie sich mit dieser Figur auseinandersetzen?
Selznick: Ich habe schon sehr stark auf die Empathie der Leser gesetzt. Aber ich wollte Gemeinplätze vermeiden, und ich wollte auch, dass die Leser ihre eigenen Gedanken mit in die Geschichte einfließen lassen. Meine Leser sollten die Lücken selbst füllen. Ich wollte auch nicht zu emotional werden, aber ich setze kleine Zeichen. Da gibt es diese Geste, Hugo reibt sich die Knöpfe an seiner Jacke, und das ist schon sehr traurig, er vermisst die körperliche Berührung. Es gibt ja so viele Waisen in der Literatur, weil es die einzige Lebenslage ist, in der ein Kind ganz unabhängig ist und seine eigenen Entscheidungen fällen kann, und das führt auch zu vielen aufregenden Situationen. Außerdem wird so erst klar, wie wichtig die Familie eigentlich ist. Hugo muss er sich seine Familie selbst schaffen, und ich hoffe, dass junge Leser all diese Gedanken mit der Figur des Hugo Cabret verbinden.
Lieske: Die beiden Geschichten verbinden sich in der Mitte Ihres Buchs, genau da, wo es Hugo Cabret gelingt, den Automaten zusammenzusetzen, den Georges Méliès in seinem früheren Leben gebaut hat. Hugo erwartet ja, dass der Automat ihm eine Nachricht seines Vaters übermittelt. Ist das nicht ein etwas mechanischer Ansatz, den Automaten mit der Seele eines Menschen gleichzusetzen?
Selznick: Das stimmt, in der Tat, ich habe mir diese Geschichte wie eine Maschine vorgestellt, und ich wollte dass die einzelnen Teile passen und sich zu einem Ganzen zusammenfügen. Das Buch besteht aus zwei Hälften und jede hat zwölf Kapitel, zusammen ergibt das 24, so viele wie der Tag stunden hat. Es gibt da also diesen Bezug zu einer Uhr. Und alle Fragen, die im ersten Teil aufgeworfen werden, werden im zweiten Teil beantwortet. Ich wollte aber auch die Erwartungen der Leser enttäuschen, und so bekommt Hugo von dem Automaten nicht die Nachricht des Vaters, die er eigentlich erwartet hat. Er bekommt eine andere Nachricht. Auch wenn ich das nicht so ganz bis ins Letzte ausführe, so bin doch der Meinung, dass Hugo genau die Antwort bekommt, die er braucht.
Lieske: Ihr Buch verbeugt sich in vielen Anspielungen vor einem halben Jahrhundert Filmgeschichte, Sie beginnen bei den Gebrüdern Lumière und enden irgendwo bei Francois Truffaut, welche Rolle spielt das Kino in Ihrem Leben?
Selznick: Ich bin über ein paar Ecken mit David O'Selznick verwandt, der "King Kong" und "Vom Winde Verweht" und "Rebecca" produziert hat, das Kino hat mich also von Kindesbeinen an geprägt. Aber vom französischen Kino hatte ich überhaupt keine Ahnung, und so habe ich mir dann diese fantastischen Filme angeschaut, die zum Beispiel in den dreißiger Jahren gedreht wurden, "Unter den Dächern von Paris" von René Clair. Und dann bin auf einen Film (Sie küssen und sie schlagen sich) von Francois Truffaut gestoßen, in dem ein zwölfjähriger Waisenjunge eine Rolle spielt, und darauf verweise ich in vielen Szenen, auch wenn der Film in den Fünfziger Jahren spielt.
Lieske: Wenn wir uns die Machart Ihrer Zeichnungen anschauen, haben Sie Kohle oder Bleistift verwendet?
Selznick: Ich arbeite mit diesen Druckbleistiften, die man nachfüllen kann. Und alle Zeichnungen sind im Original nur ein Viertel so groß, etwa 8 auf 13 Zentimeter, ich habe also unter einer Lupe gearbeitet. Wenn man die Zeichnung dann vergrößert, dann werden auch die Räume zwischen der Schraffur größer, und das gibt einen luftigen Effekt, die Zeichnung kann atmen. So entstehen auch diese Schwarz-Weiß Kontraste, die den Stummfilm zitieren.
Was Brian Selznick sonst noch so im Kopf herum spinnt, erzählt er auf seiner englischsprachigen Webseite zum Buch: www.theinventionofhugocabret.com
Brian Selznick: Beides. In meinem Buch geht es ja um mechanische Apparate und darum, wie diese Objekte funktionieren. Auch der Plot ist gemeint, in dem es ja um die Geschichte des Kinos geht, für die man diese Apparate brauchte. Und dann hatte ich auch den Jungen selbst im Sinn, er ist ein Waisenjunge, der sich seine Familie schafft und sein Leben gestalten will, ich hatte also auch die Idee, dass er sich selbst erfinden muss.
Lieske: Ihre Geschichte funktioniert von zwei Seiten, sie hat zwei Perspektiven. Da ist der Waisenjunge Hugo Cabret, und da ist Ihre Hommage an George Méliès, den Pionier des fantastischen Stummfilms. An welchem Punkt berühren sich die beiden Geschichten?
Selznick: Die beiden Geschichten berühren sich die ganze Zeit über, denn alles, was Hugo Cabret passiert, wächst gewissermaßen aus dem Leben des Georges Méliès. Was Méliès angeht, da musste ich eine Menge recherchieren, ich hatte sein berühmten Film von 1902 gesehen, "Die Reise zum Mond", und dann fand ich heraus, dass er eine ganze Sammlung sehr komplizierter mechanischer Automaten besaß, die irgendwann zerstört und weggeworfen wurden. Und dann kam mir das Bild, dass ein Kind durch den Müll wühlt und einen dieser Automaten findet, und dann musste ich mir den ganzen Rest überlegen, besonders warum er meint, dass er den Automaten reparieren kann. Schließlich fand ich heraus, dass George Méliès bankrott gegangen war und in einem Bahnhof eine Spielwarenhandlung betrieb, und dann stand auch der Ort des Geschehens fest.
Lieske: Brian Selznick, Sie haben sehr viele Bücher illustriert, einige auch selbst geschrieben. Wie funktioniert die Verbindung zwischen Wort und Bild, wenn Sie eine solche Geschichte erfinden wie die des Hugo Cabret?
Selznick: Die Geschichte ist immer zuerst da. Wenn jemand anders die Geschichte schreibt, ist es für mich viel einfacher. Und ich habe auch das Glück gehabt, dass ich mit wirklich sehr guten Schriftstellern zusammengearbeitet habe, die sehr interessante Geschichten erzählen. Ich fange also immer mit der Geschichte an, aber bei Hugo gab es eine Besonderheit. Das Buch ist mehr als 500 Seiten lang und hat mehr als 300 Illustrationen. Weil ich selbst nun die Geschichte erzähle, konnte ich ganze Passagen rausnehmen und sie durch Bilder ersetzen. Ein fremder Autor würde so etwas nie zulassen, da ist der Text immer heilig.
Lieske: Sie verwenden in Ihren Illustrationen Techniken, die dem Kino entlehnt sind, da gibt es Großaufnahmen und einen Wechsel der Perspektive, es gibt so was wie eine subjektive Kamera und auch ein Zoom. Sie sind Georges Méliès da etwas voraus, denn seine Kamera stand immer still.
Selznick: Seine Kamera stand immer still, aber vor der Kamera, da ging die Post ab. Er war ja von Hause aus Zauberkünstler auf einer Bühne, und er stellte sich die Leinwand wie eine Bühne vor. Um die Wirkung eines Zooms zu erzielen, ließ er zwar die Kamera stehen, aber er brachte das betreffende Objekt immer näher. Das war eine sehr umständliche Methode, er sattelte das Pferd sozusagen von hinten auf, aber er war der erste, der sich je an so etwas versucht hatte. Das war wirklich die Avantgarde! Ich habe aber auch Techniken verwandt, die im Stummfilm nach Méliès auftauchten, etwa die subjektive Kamera. Mein Buch ist voller Stummfilme im Kleinformat, die die Geschichte vorantreiben.
Lieske: Georges Méliès war ja ein unglaublich produktiver Regisseur, ein richtiges Multitalent. Er drehte mehr als 500 Filme, in denen er teilweise mitspielte, und deren Bühnenbild er auch selbst entworfen hatte. Am Ende aber ging seine eigene Produktionsgesellschaft bankrott, was war passiert?
Selznick: Er liebte die Filme sehr, die er gedreht hatte, und auch die Art, in der er sie gedreht hatte. Soweit ich weiß, wollte er sich auf Änderungen und Neuerungen nicht einlassen. Andere Regisseure entdeckten Techniken wie Kamerafahrten und Verfolgungsjagden und sie konnten auch Explosionen filmen. Da wollte Méliès nicht mitgehen. Und dann begann der Erste Weltkrieg und seine Studios wurden verkauft, seine Filme wurde sogar eingeschmolzen und man machte daraus Metallkappen für Schuhe. Nur einige wenige seiner Filme blieben erhalten, und die wurden dann von den Malern des Surrealismus wieder entdeckt, sie stöberten ihn sogar in seinem Spielzeugladen auf. So kam er am Ende seines Lebens sogar wieder zu einem gewissen Ruhm, denn die Surrealisten interessierten sich ja sehr für die Verarbeitung des Traums in der Kunst, und genau das hatte Méliès ja auch gemacht. Also, es gab da eine traurige Strecke in seinem Leben, aber am Ende hatte man ihn wiederentdeckt und auch als großen Künstler gefeiert.
Lieske: In ihrem Buch gibt es auch einen fiktiven Herausgeber, der heißt Professor Alcofrisbas, was ist mit dem los?
Selznick: Alcofrisbas, so heißt einer der Astronauten, die bei Méliès zum Mond fliegen. Bei mir ist er ein geheimnisvoller Herausgeber, und erst am Ende erfährt man, dass Georges Méliès den Jungen Hugo Alcofrisbas genannt hat. Der Name erklärt sich also erst am Ende des Buchs.
Lieske: Ihr Buch hat ja zwei Helden, den Erwachsenen, Georges Méliès und das Kind, Hugo Cabret. Was Hugo betrifft, da verwenden Sie sehr starke Signale, die auf die Waisenliteratur des 19. Jahrhunderts verweisen, er hat keine Mutter und er verliert seinen Vater, er ist arm und er ist allein und er ist hungrig. Natürlich fliegen ihm alle Sympathien der Leser zu, aber sie behandeln diese Situation mit einer gewissen Sorglosigkeit. Was glauben Sie, wie es jungen Lesern geht, wenn sie sich mit dieser Figur auseinandersetzen?
Selznick: Ich habe schon sehr stark auf die Empathie der Leser gesetzt. Aber ich wollte Gemeinplätze vermeiden, und ich wollte auch, dass die Leser ihre eigenen Gedanken mit in die Geschichte einfließen lassen. Meine Leser sollten die Lücken selbst füllen. Ich wollte auch nicht zu emotional werden, aber ich setze kleine Zeichen. Da gibt es diese Geste, Hugo reibt sich die Knöpfe an seiner Jacke, und das ist schon sehr traurig, er vermisst die körperliche Berührung. Es gibt ja so viele Waisen in der Literatur, weil es die einzige Lebenslage ist, in der ein Kind ganz unabhängig ist und seine eigenen Entscheidungen fällen kann, und das führt auch zu vielen aufregenden Situationen. Außerdem wird so erst klar, wie wichtig die Familie eigentlich ist. Hugo muss er sich seine Familie selbst schaffen, und ich hoffe, dass junge Leser all diese Gedanken mit der Figur des Hugo Cabret verbinden.
Lieske: Die beiden Geschichten verbinden sich in der Mitte Ihres Buchs, genau da, wo es Hugo Cabret gelingt, den Automaten zusammenzusetzen, den Georges Méliès in seinem früheren Leben gebaut hat. Hugo erwartet ja, dass der Automat ihm eine Nachricht seines Vaters übermittelt. Ist das nicht ein etwas mechanischer Ansatz, den Automaten mit der Seele eines Menschen gleichzusetzen?
Selznick: Das stimmt, in der Tat, ich habe mir diese Geschichte wie eine Maschine vorgestellt, und ich wollte dass die einzelnen Teile passen und sich zu einem Ganzen zusammenfügen. Das Buch besteht aus zwei Hälften und jede hat zwölf Kapitel, zusammen ergibt das 24, so viele wie der Tag stunden hat. Es gibt da also diesen Bezug zu einer Uhr. Und alle Fragen, die im ersten Teil aufgeworfen werden, werden im zweiten Teil beantwortet. Ich wollte aber auch die Erwartungen der Leser enttäuschen, und so bekommt Hugo von dem Automaten nicht die Nachricht des Vaters, die er eigentlich erwartet hat. Er bekommt eine andere Nachricht. Auch wenn ich das nicht so ganz bis ins Letzte ausführe, so bin doch der Meinung, dass Hugo genau die Antwort bekommt, die er braucht.
Lieske: Ihr Buch verbeugt sich in vielen Anspielungen vor einem halben Jahrhundert Filmgeschichte, Sie beginnen bei den Gebrüdern Lumière und enden irgendwo bei Francois Truffaut, welche Rolle spielt das Kino in Ihrem Leben?
Selznick: Ich bin über ein paar Ecken mit David O'Selznick verwandt, der "King Kong" und "Vom Winde Verweht" und "Rebecca" produziert hat, das Kino hat mich also von Kindesbeinen an geprägt. Aber vom französischen Kino hatte ich überhaupt keine Ahnung, und so habe ich mir dann diese fantastischen Filme angeschaut, die zum Beispiel in den dreißiger Jahren gedreht wurden, "Unter den Dächern von Paris" von René Clair. Und dann bin auf einen Film (Sie küssen und sie schlagen sich) von Francois Truffaut gestoßen, in dem ein zwölfjähriger Waisenjunge eine Rolle spielt, und darauf verweise ich in vielen Szenen, auch wenn der Film in den Fünfziger Jahren spielt.
Lieske: Wenn wir uns die Machart Ihrer Zeichnungen anschauen, haben Sie Kohle oder Bleistift verwendet?
Selznick: Ich arbeite mit diesen Druckbleistiften, die man nachfüllen kann. Und alle Zeichnungen sind im Original nur ein Viertel so groß, etwa 8 auf 13 Zentimeter, ich habe also unter einer Lupe gearbeitet. Wenn man die Zeichnung dann vergrößert, dann werden auch die Räume zwischen der Schraffur größer, und das gibt einen luftigen Effekt, die Zeichnung kann atmen. So entstehen auch diese Schwarz-Weiß Kontraste, die den Stummfilm zitieren.
Was Brian Selznick sonst noch so im Kopf herum spinnt, erzählt er auf seiner englischsprachigen Webseite zum Buch: www.theinventionofhugocabret.com