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Das Klein-Salzburg von Baden-Württemberg

Am 24.Mai 1952 wurden die Musikfestspiele im badischen Schwetzingen aus der Taufe gehoben - fast zeitgleich mit der Gründung von Baden-Württemberg. Das Musikfestival unter dem Dach des Südwestrundfunks gehört zu den inhaltlich umfangreichsten und modernsten Festspielen Deutschlands.

Von Wolfgang Schreiber | 24.05.2012
    "Ich danke dem Süddeutschen Rundfunk und seinem Intendanten Herrn Dr. Eberhard, dass er zur 200-jährigen Jubiläumsfeier des Theaters in Schwetzingen diese Festspiele ermöglicht hat."

    Ein Park und das Hoftheater in einem alten Residenzstädtchen, galante Musik, Frühlingssonne: Was braucht ein Musikfestival mehr, das im Mai auch noch kulinarisch punkten kann, dank des Spargel-Reichtums im Umland.

    Das nordbadische Schwetzingen, vor den Toren Mannheims gelegen, war einmal die Sommerresidenz pfälzischer Kurfürsten - und etwas vom feudalen Glanz wünschte man sich zurück mit diesen Festspielen, die die Schwetzinger am 24. Mai 1952 starteten, mit der Aufführung einer der Antiken-Opern Christoph Willibald Glucks.

    Der politische Moment war günstig. Gerade hatte sich Baden-Württemberg als neues Bundesland konstituiert, und der stellvertretende Ministerpräsident, Hermann Veit, pries Architektur, Kunst, Kulturgeschichte der Region – Güter, auf die sich Anfang der 50er-Jahre des vorigen Jahrhunderts ein deutscher Politiker überhaupt berufen zu können glaubte, nach der Nazi-Diktatur, nach der Katastrophe des Weltkriegs.

    "Wir werden heute Iphigenie in Aulis hören … Wir werden in diesem alten Theater ein Stück aus jener Zeit hören und sehen - und werden uns in jene glücklichen Zeiten zurückversetzen können, in denen das aufgeklärte absolute Fürstentum Kunst und Wissenschaft an seinen Höfen pflegte. Das war eine andere Zeit wie die Heutige."

    Man beschwor 1952 gern Traditionen, an die es anzuknüpfen gelte. Ein "Arkadien der Musik" wurden die Schwetzinger Festspiele genannt. Das kostbare, für rund 350 Zuschauer gebaute Rokokotheater von 1753, das angeblich älteste erhaltene Rangtheater der Welt, war von Anfang an der Glücksfall für das Festival. Die Atmosphäre des Raums, die sich jeder Aufführung mitteilt, erzeugt einen kaum zu beschreibenden Zauber. Die organisatorische Verbindung des Festivals mit einem Radiosender sorgte schon bald nach der Gründung dafür, dass die Veranstalter nicht nur dem erprobten Wahren, Schönen und Guten huldigten, sondern dass Schwetzingen im Lauf der Zeit ein spannender Ort auch der Auseinandersetzung mit dem Neuen in der Kunst werden konnte.

    Deshalb gehören zur Tradition dieser Festspiele seit Langem Uraufführungen neuer Musiktheaterwerke, die in Koproduktion mit größeren Opernhäusern entstehen. Fast jedes Jahr präsentiert man eine neue Oper. Am häufigsten wurde hier das Musiktheater Hans Werner Henzes gefeiert. Dessen Oper "Elegie für junge Liebende" erlebte neun Jahre nach der Festivalgründung in Schwetzingen ihre Weltpremiere.

    Die Entwicklung der Schwetzinger Festspiele zu einer Art Großfestival wurde mit der Fusion der beiden süddeutschen Rundfunkanstalten beschleunigt: Schwetzinger SWR-Festspiele nennt sich das heute. Neben brandneuen Opernwerken sind es Ausgrabungen von Opern des Barock und der Frühklassik, die das Renommee des Festivals ausmachen. Viel Kammermusik, Liederabende, Virtuosenkonzerte, Lesungen lassen jedes Jahr ein Klein-Salzburg entstehen.

    "Ein solcher Tag, wie wir in heute erleben, ist eine angenehme Unterbrechung von dem Ernst unseres so besonders schweren Daseins ... Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend in Schwetzingen."

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