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Das Königreich der Vandalen

Die Vandalen sind berüchtigt für Raubzüge, Plünderungen und sinnlosen Totschlag. Eine Karlsruher Ausstellung zeigt nun einen anderen Blick auf den germanischen Stamm, der, so die These, in Nordafrika einen gut organisierten Staat errichtet habe.

Von Christian Gampert | 28.10.2009
    Dass die Vandalen keinen guten Ruf haben, verdanken sie dem französischen Bischof Henri Baptiste Grégoire, der 1794, während der Französischen Revolution, die Zerstörungswut der Jakobiner als "Vandalismus" bezeichnete. Die Einschätzung des Bischofs kam nicht von ungefähr: Zur Zeit der Völkerwanderung waren die Vandalen berüchtigt für Raubzüge, Plünderungen und sinnlosen Totschlag. Als sie 406 bei Mainz den Rhein überschritten, glich Gallien später einem Scheiterhaufen. Und 455 schliffen sie Rom in einer wüsten Strafaktion.

    Nun aber ist alles ganz anders: Die Karlsruher Ausstellung präsentiert die Vandalen in mildem Licht. Der germanische Stamm habe, so die These, in Nordafrika einen wohlorganisierten Staat errichtet. Die Schau beginnt mit einer Parallelführung: Links erleben wir - mit den sorgenvoll blickenden Statuen römischer Heerführer - die Geschichte des Imperium Romanum, das im vierten Jahrhundert bereits im Niedergang begriffen war und sich des Ansturms der Barbaren erwehren musste; rechts werden wir über die Herkunft der Vandalen aus Schlesien, dem heutigen Südost-Polen informiert - mit vielerlei Schmuck, verbrannten Schwertern und anderen Grabbeigaben. Die Rückstände dieser sogenannten Przeworsk-Kultur aus vorchristlicher Zeit zeigen, dass schon damals Kontakte der Vandalen zu Kelten und Römern bestanden.

    Im unwirtlichen Osten konnte man sich kaum ernähren; ab dem vierten Jahrhundert n. Chr. drängen nicht nur Goten und Franken ins gut bestallte Römische Reich, sondern auch die Vandalen. Aber: Ihre Siedlungsversuche in Gallien und Hispanien scheitern in ständigen Kämpfen; 429 entschließt sich der Vandalen-König Geiserich bei Gibraltar zur Überfahrt nach Nordafrika. Rund 80.000 Menschen bringt er in einer Art Pendelverkehr über die Meerenge - mit Schiffen, die er vorher in hispanischen Häfen geraubt hatte.

    Es gibt keine Exponate zu dieser Überfahrt; die Ausstellung behilft sich mit einer theatralischen Anmutung von Schiffen und einem wandgroßen Landschaftsbild Nordafrikas. Die Zeugnisse der illiteraten, nicht schriftlichen Vandalenkultur sind spärlich; was wir wissen, wissen wir von römischen Geschichtsschreibern - und von den Relikten im heutigen Tunesien, Exponate, die sonst das Bardo-Museum in Tunis nicht verlassen und nun erstmals in Europa zu sehen sind.

    Die Vandalen nahmen die nordafrikanischen römischen Provinzen mit all ihrem Getreidereichtum in Besitz - und eigneten sich nicht nur die Villen, sondern auch die Kultur und die Verwaltungsstruktur ihrer Vorgänger an. Sie sprachen Latein, badeten in Thermen, gingen zur Jagd und veranstalteten Wagenrennen. Karthago wurde 439 zur Hauptstadt erklärt. Die Überlegenheit der römischen Kultur war so groß, dass die Zugereisten noch nicht einmal eigene Häuser bauen. Militärisch aber sind sie die Herren des östlichen Mittelmeers. Sie drangsalieren und foltern den christlich-römischen Klerus in Nordafrika - sie selber sind nämlich "Arianer", also Christen, die Jesus nur als "gottähnlich" einstufen.

    Frühchristliche Ikonografie kennzeichnet auch viele Exponate, herrliche Mosaiken, Skulpturen, Keramiken, Tonschalen, Öllampen. Herausragend der Sarkophag von Lamta mit seinen Jagdszenen, anrührend das ganz aus Mosaiken bestehende, bassin-artige Taufbecken von Demna, das für die Ausstellung nachgebaut wurde. Den Vandalen, den "Gewandten", nutzte aber alle Wendigkeit nichts, als Ostrom ihr Reich 533 besiegte: Die Frauen wurden einfach neu verheiratet, die Männer wurden Militärsklaven.

    Was das Verdienst der vandalischen Kultur war, bleibt in dieser Ausstellung mehr als unklar: Nur wenige germanische Inschriften weisen auf vandalische Urheber hin; die meisten Exponate dürften von römischen Handwerkern und Künstlern der Spätantike stammen. Insofern betreibt die Ausstellung ein wenig (publikumswirksamen) Etikettenschwindel: Sie zeigt die Spätantike im Maghreb. Die Vandalen haben sich dort auf die römische Kultur einfach draufgesetzt.

    Zum Thema siehe auch:

    Vandalismus, aber mit Stil
    Wie die Vandalen wirklich lebten

    Studiozeit • Aus Kultur- und Sozialwissenschaften