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"Das Konzept Bildungssparen muss viel breiter angelegt werden"

Wer das Betreuungsgeld nicht abruft, der soll das Geld später mit einem Bonus zur Finanzierung einer Ausbildung bekommen. So sieht es der Plan der schwarz-gelben Koalition vor. Ein richtiger Schritt, aber erst der Anfang, sagt der FDP-Bildungspolitiker Patrick Meinhardt.

Patrick Meinhardt im Gespräch mit Regina Brinkmann |
    Regina Brinkmann: Bildungssparen – das klingt erst einmal ganz positiv und unverdächtig. Doch damit sind nicht etwa Sparprogramme gemeint, die Banken ihren Kunden anbieten, sondern ein Projekt der Bundesregierung, das in den letzten Wochen und Monaten aber eher ein stiefmütterliches Dasein führte. Das Bildungssparen, so der Plan, soll das umstrittene Betreuungsgeld ergänzen, das im August startet. Wer sich das Geld nicht bar ausbezahlen lässt, kann es ansparen und sich für spätere Bildungsausgaben auszahlen lassen. Dieses Sparmodell hatte die FDP durchgesetzt. Nur so war sie bereit, dem Betreuungsgeld zuzustimmen. Bislang gab es nur einen vagen Entwurf, seit dem Wochenende liegen nun konkrete Eckpunkte vor. Patrick Meinhardt ist bildungspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag. Herr Meinhardt, wie soll das Bildungssparen denn nun funktionieren.

    Patrick Meinhardt: Also, ganz wichtig ist, es soll eine Möglichkeit sein, einen Bildungsbonus zu bekommen, das bedeutet, die 150 Euro, die nicht als Betreuungsgeld ausgezahlt werden, plus einen Bonus von 15 Euro obendrauf, also 165 Euro, die im Monat, über zwei Jahre hinweg, angespart werden können. Und das bedeutet dann, dass ein Betrag von an die 4000 Euro zustande kommen wird. Ganz wichtig für uns, dass dadurch endlich auch die Kinder aus Hartz-IV-Gemeinschaften die Möglichkeit haben, in den Vorteil zu kommen, die ja nicht die Chance haben, im Bereich des Betreuungsgeldes Zahlungen zu erhalten. Ganz wichtig auch in dem Zusammenhang, dass es sowohl in einzelnen Raten wohl ausgezahlt werden kann als aber auch von der Gesamtmaßnahme. Wo allerdings noch Dissens besteht, das muss man auch sehr offen ansprechen, ist die Altersgrenze. Weil in den Vorstellungen aus dem Ministerium heraus ursprünglich 16 Jahre, jetzt 14 Jahre in der Gesetzestextformulierung drin stehen, wir aber als Liberale sagen, wir müssen es so früh wie nur möglich auch für Maßnahmen der frühkindlichen Bildung wie Sprachchancenförderung einsetzen können und hätten am liebsten gar keine Altersgrenze.

    Brinkmann: So, jetzt haben Sie die Summe schon genannt, knapp 4000 Euro können da im besten Fall zusammenkommen, wenn man dieses Betreuungsgeld also zur Seite legt und es nicht direkt ausgibt. Damit kann man in Deutschland, wenn man es jetzt mal so auf ein Studium herunterbricht, gerade vielleicht mal ein halbes Jahr studieren. Bildungssparen also nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?

    Meinhardt: Nein, es soll ja der Einstieg sein. Wir haben uns als Liberale vorgenommen, eigentlich ein richtig großes Bildungssparprojekt in den nächsten zehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland loszutreten, und das soll der erste Schritt, sozusagen der Türöffner für intelligentes Bildungssparen insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland werden. Darauf hin haben wir ja so verhandelt und haben gesagt, es kann nicht sein, dass es als einzige Alternative zum Betreuungsgeld nur einen Altersbonus gibt, einen Rentenbonus. Wir wollen ganz klar eine Bildungskomponente drin haben, damit dadurch erreicht wird, dass wir zum allerersten Mal in der Bundesrepublik Deutschland damit die Türöffnung für ein Bildungssparen haben. Aber das Konzept von Bildungssparen muss natürlich viel, viel breiter angelegt werden. Da werden wir auch in den nächsten Jahren drüber zu diskutieren haben, inwieweit zum Beispiel Bausparen und Bausparverträge für Bildung geöffnet wird und damit eine ganz andere Summe über die Jahre zusammenkommen kann.

    Brinkmann: Mit 15 Euro Bonus monatlich wollen Sie das Sparen des Betreuungsgeldes im Bildungssparen attraktiver machen. Sollte man das Betreuungsgeld sich nicht lieber ganz sparen beziehungsweise direkt in Kitas, Schulen und Hochschulen fließen lassen? Weil da kommt es ja ganz unmittelbar der Bildung zugute.

    Meinhardt: Ja und nein, weil beides natürlich Bildungsmaßnahmen sind. Die einen, wo ich individuell auf das einzelne Kind natürlich Rücksicht nehmen muss, das andere ist es, dass ich natürlich ordentlich zu investieren habe in die Infrastruktur, was wir ja vom Bund her nun wirklich in einem Riesenvolumen machen. Was die Kita-Finanzierung betrifft, was aber auch zusätzliche …

    Brinkmann: Aber gerade in der Kita-Finanzierung, da merkt man ja jetzt gerade auch, dass es da an manchen Stellen noch sehr, sehr knapp ist.

    Meinhardt: Ja, aber das sage ich auch sehr offensiv, das ist nicht der Bundespart, das ist meistens der Landespart, der an Finanzierung fehlt. Wir haben unseren Geldbetrag in vollem Umfang von vier Milliarden Euro hinein investiert, und jetzt ja noch mal über eine halbe Milliarde Euro oben drauf gesattelt und noch einmal ein Sonderprojekt gestartet für 4000 Erzieherinnen in Schwerpunkt-Kitas, wo besondere Schwierigkeiten vorhanden sind. Deswegen glaube ich, der Bund hat da seine Hausaufgaben wirklich in vollem Umfang erledigt, und ich würde mir wünschen, dass alle 16 Bundesländer das tun.

    Brinkmann: Herr Meinhardt, ohne Bildungssparen hätten Sie dem Betreuungsgeld wohl nicht zugestimmt. Vor diesem Hintergrund kritisiert zum Beispiel Katrin Göring-Eckart von den Grünen, der schwarz-gelbe Deal koste noch mehr Geld und bedeute noch mehr Bürokratie. Ein teurer Kompromiss also, oder?

    Meinhardt: Nein, überhaupt nicht. Wenn ich mir vorstelle, dass wir dadurch endlich den Einstieg in ein System einer anderen Bildungsfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland schaffen, was wir als Liberale schon lange wollten und was bedauerlicherweise weder die Große Koalition noch die rot-grüne Koalition vorher in die Wege hat leiten können. Deswegen sollte vielleicht die Spitzenkandidatin der Grünen da sich an die eigene Nase fassen. Sie selbst haben es nicht gebacken bekommen, wir versuchen jetzt den Einstieg hinzukriegen.

    Brinkmann: Beruhigen Sie mit dem Bildungssparen vielleicht auch Ihr liberales Gewissen, also doch noch etwas für die Bildung zu tun, weil dem Betreuungsgeld ja nicht gerade der Ruf vorauseilt, etwas für die frühkindliche Bildung zu leisten, wenn Eltern aus bildungsfernen Familien das Betreuungsgeld einstreichen und ihre Kinder lieber nicht in die Kita bringen.

    Meinhardt: Der Punkt wird ja an genau der Stelle spannend, weil ja das Betreuungsgeld aus rechtlichen Situationen ja nicht im Bereich der Hartz-IV-Gemeinschaften zur Anrechnung kommt, aber der Bildungsbonus sehr wohl. Das ist uns sehr bewusst als Liberale. Weil wir gesagt haben, genau hier, die Kinder aus Hartz-IV-Gemeinschaften dürfen nicht außen vor bleiben, das wäre genau der vollkommen falsche Ansatz, und genau deswegen müssen wir da die Chance bieten, dass statt den 150 die 165 Euro für Bildungsmaßnahmen investiert werden können, also das hat schon einen ganz großen sozialpolitischen …

    Brinkmann: Aber die Kritik geht ja ganz stark auch in die Richtung, dass man sagt, mit dem Betreuungsgeld wird quasi unterstützt, gerade in bildungsfernen Elternhäusern, dass die Kinder nicht in die Kita gehen, nicht frühkindlich gefördert werden, wie sich das die FDP doch so gerne wünscht.

    Meinhardt: Also ich glaube – noch mal, für mich ist es wirklich wichtig als Bildungspolitiker: Wir brauchen institutionelle Förderung, wir brauchen individuelle Förderung, wir brauchen Förderung für all diejenigen Kinder, die leider zu Hause nicht die bestmöglichen Bildungsangebote bekommen. Aber wir dürfen am Schluss das auch nicht auf dem Rücken derjenigen austragen, die …

    Brinkmann: Aber durch das Bildungssparen werden sie das auch nicht bekommen, oder?

    Meinhardt: Doch, glaube ich schon. Und zwar schlicht und ergreifend deswegen, weil ich dann eine Chance habe, dann auch für wichtige Ergänzungsmaßnahmen die Gelder wenigstens zur Verfügung zu haben. Sie wissen genauso wie ich, ich selbst komme aus einer Sozialhilfefamilie, in der ich groß geworden bin, und ich weiß, wofür am Schluss das Geld nicht zur Verfügung ist. Dass es wirklich am Schluss fehlt, um eben ein Musikangebot in der Jugendmusikschule zu haben oder in einer notwendigen Phase Nachhilfeunterricht wirklich nehmen zu können. Das Geld, das dafür nicht zur Verfügung stand, steht dann wieder zur Verfügung, und deswegen glaube ich schon, dass der Ansatzpunkt der richtige ist, aber deswegen muss es eben so früh wie nur möglich ansetzen und darf nicht irgendwann nach dem 16. Lebensjahr erst kommen.

    Brinkmann: Die Regierungskoalition in Berlin hat jetzt konkrete Pläne, wie sie das umstrittene Bildungssparen umsetzen will. Darüber sprachen wir hier in Campus und Karriere mit Patrick Meinhardt, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.